Markenwechsel

Der Aussage von Jacoby folgend – „From a philosophy of science perspective, attempts to study and understand a given phenomenon are generally enhanced if one also studies the opposite or negative case.“[1] – erscheint es sinnvoll, sich auch über die Hintergründe von Markenwechsel Gedanken zu ma­chen.

Bei einer Kaufentscheidung gibt es immer genau zwei Alternativen: Die gleiche Marke wieder­kaufen oder eine neue Marke ausprobieren. (Die Fälle, bei denen zum ersten Male ein Produkt aus dieser Kategorie auspro­biert wird oder ganz auf einen Kauf verzichtet wird, bleiben ausgeklam­mert.) Markenwechsel liegt immer dann vor, wenn eine Kaufent­scheidung getroffen wird und nicht die gleiche Marke wie beim vorigen Male gekauft wird. Da, wie im Rahmen der Definition von Markentreue schon ausgeführt wurde, die Möglich­keit der Multi-Loyalität ausgeschlossen ist, ist der Kauf einer anderen Marke auf jeden Fall als Marken­wechsel zu interpretieren.

Wenn wir später von der Wiederkaufwahrscheinlichkeit sprechen, dann meinen wir damit die Wahr­scheinlichkeit einer Kaufentscheidung zugunsten der aktuellen Marke. Die dazu komple­mentäre Wahr­scheinlichkeit ist die des Markenwechsels. Sowohl die Markentreue als auch der Markenwechsel sind Verhaltensweisen und keine Zustände. Beide werden nur in der Entschei­dungssituation deutlich. Zwi­schen den Entscheidungssituationen ist man teilweise irrtümlich versucht, von Markentreue zu sprechen. Dieser Eindruck hängt jedoch damit zusammen, daß es sich bei einer Folge von Kaufentscheidungen nicht um einen marginalen Prozeß handelt. Nicht in jedem Augenblick hat die Einstellung zu der Marke eine Möglichkeit, sich zu manifestieren. Das heißt, es ist möglich, daß sich kurz nach einer markentreuen Kaufentscheidung die Einstel­lung zu der Marke ändert, so daß bei der nächsten Entscheidung ein Mar­kenwechsel ansteht. In dieser Si­tuation wird ein marken­treues Verhalten nach außen sichtbar, während die Einstel­lung diesem eigentlich entgegen­gesetzt ist. So wird verständlich, daß es oft besser ist, von der markentreuen Einstellung zu sprechen statt von einem markentreuen Verhalten. Oft ist ein Markenwechsel nicht nur eine einzelne Aktion, sondern charakterisiert einen ganzen Zeitraum. Dieses Verhalten konnte vor allem von Wierenga nachgewiesen werden. Im Rahmen seiner „pool-size“-Untersuchung stellt er fest, daß ein Wechsel von einer Marke zu einer anderen, die, wie die erste dann auch, über einen längeren Zeitraum immer wieder gekauft wird, nicht spon­tan geschieht. Vielmehr ist zu beobachten, daß die meisten untersuchten Haushalte in der Periode zwischen der Markentreue zu der einen und der anderen Marke verschiedene Marken ausprobieren, um dann letztendlich bei der ausgewählten zu blei­ben.[2] Ob die Einstellung zum Markenwechsel eine eigenständige Einstellung ist oder nur die Umkehrung der markentreuen Einstellung, wird im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich diskutiert werden.


[1] Jacoby, J.; Chestnut, R. W., (1978), S. 42

[2] vgl.: Wierenga, B., (1974), S. 175-176

Abgrenzung wichtiger sozialpsychologischer Sachverhalte und Konstrukte

Die meisten der im folgenden Abschnitt besprochenen Begriffe, werden in der Literatur nicht einheitlich gebraucht. Die Diskussion über die Bedeutung dieser Begriffe, also eine Diskussion auf rein metasprach­licher Ebene, soll hier nicht fortgeführt werden. In aller Kürze wird, wo dies aufgrund kontroverser Diskussionen angebracht erscheint, lediglich dargestellt, welche Definitionen weit verbreitet sind, um daraus abgeleitet den Sprachgebrauch und den Begriffsin­halt für diese Arbeit festzulegen.

Erregung, Aktivierung

Notwendige Voraussetzung für jedes menschliche Verhalten und Denken ist Erregung. Der Begriff Erregung soll im weiteren synonym mit dem Begriff der Aktivierung gebraucht werden. Durch die Aktivierung wird der Organismus in einen Zustand der Leistungsbereitschaft versetzt.

Im zentralen Nervensystem gibt es eine Funktionseinheit, die retikuläres Aktivierungssystem (RAS) genannt wird. Der wesentliche Teil dieses RAS ist die Formatio Retikularis. Diese wird durch Impulse in Erregung versetzt, die direkt auf Außenreize zurückgehen oder aus einer anderen Region des Gehirns stammen. Die Erregung der Formatio Retikularis ist die Ursache dafür, daß die anderen Teile des Zentral­nervensystems in Funktionsbereitschaft versetzt werden. Dadurch kommt es zu einer Aktivierung des gesamten Informationsverarbeitungsvor­gangs. Es muß unter­schieden werden zwischen einem Aktivie­rungsniveau und Aktivierungs­schwankun­gen. Ersteres wird tonische Aktivierung genannt, bestimmt die länger anhaltende Bewußtseinsla­ge und die allgemeine Leistungsfähigkeit und verändert sich nur lang­sam. Die zweite nennt man phasische Aktivierung. Sie steuert die jeweilige Aufmerksamkeit und Lei­stungsfähigkeit des Individuums in bestimmten Reizsituationen.[1] „Von den Erregungen und Spannungen, die mit Emotion, Motivation und Einstellungen einhergehen, hängt es ab, wieviel psychische Energie freigesetzt wird und als spezifische Antriebsspannung für das jeweilige Verhalten zur Verfügung steht. Mit erhöhter Antriebsstärke steigt die Wahrscheinlichkeit des Verhaltens… „[2]

Emotion, Antrieb, Trieb, Affekt

Einigkeit herrscht weitgehend darüber, daß Emotionen die grundlegenden menschlichen An­triebskräfte sind. Verschiedentlich werden von den Emotionen die Triebe oder Antriebe abge­grenzt. Emotionen werden nach dieser Sichtweise von äußeren Reizen bedingt, während Triebe von inneren Reizen ausgelöst werden. Nicht alle Autoren machen diese Unterscheidung. Teil­weise werden auch Hunger und Durst als Emotionen bezeichnet.[3] Izard behauptet dagegen, daß Triebe teilweise Emotionen beeinflussen und daß Triebe Eigenschaften von Motivationen haben.[4] Es wird deutlich, daß die Definitionen weit auseinander­gehen.

Nicht eindeutig unterschieden wird oft auch zwischen Emotionen, Affekten und Stimmungen. In diesem Zusammenhang werden drei verschiedene Ebenen häufig miteinander verwechselt: die subjektive Erleb­nisebene, die neurophysiologischen Vorgänge und das beobachtbare Aus­drucks­verhalten.[5]

Ein weit verbreiteter Ansatz, das Zustandekommen von Emotionen zu erklären, ist der von Schachter und Singer.[6] Schachter und Singer heben mit ihrem attributionstheoretischen Ansatz den kognitiven Bereich und die subjektive Erlebnisebene in den Vordergrund. Sie gehen davon aus, daß der Mensch seine Erre­gung bewußt wahrnimmt und sie im Rahmen eines Attributi­ons­prozesses auf der Grundlage der wahr­genommenen Situation positiv oder negativ bewertet.[7] Buck wendet dagegen ein, daß durch diesen Ansatz die Bedeutung der kognitiven Vorgänge überbewertet würde.[8]

In den letzten Jahren setzt sich eine Sichtweise immer mehr durch, die davon ausgeht, daß eine Reihe von Emotionen genetisch vorgegeben sind.[9] Aus diesen grundle­genden Emotionen werden dann durch Kombination weitere Emotionen ge­formt, wobei die klassische Konditio­nierung eine wichtige Rolle spielt. „Welche Emotionen in Handlungs­situationen empfunden oder wahrgenommen werden, und wie sie geäußert werden, wird wesentlich von den ‚Emotionsregeln‘ einer Kultur mitbestimmt.“[10]

Nach Darstellung einiger konträrer Standpunkte wird Emotion für diese Arbeit wie folgt definiert: (Dabei wird deutlich, daß sich die Definition in bezug auf die Verbindung zwischen Erregung und Emotion, an die Sichtweise von Schachter anlehnt.)

Emotion ist ein Bewußtseinszustand, der entweder positiv oder negativ erlebt wird. Die Emotion geht immer einher mit einer Aktivierung in entsprechender Höhe zur Stärke der Emotion (energetisierende Wirkung) und einer verhaltenssteuernden Wirkung (selektive Wir­kung). Die Erregung wird als Bestandteil der Emotion erlebt. Emotionen werden von situationa­len Gegebenheiten bedingt. Die Verhaltens­steuerung ist auf eine, entsprechend der Wahr­nehmung der Situation subjektiv – affektive Bewertung der Erregung zurückzuführen. Diese Zuordnung der Emotion zur Erregung muß nicht unbedingt mit der Ver­ursachung der Erregung übereinstimmen. Emotio­nen sind nicht starr, sondern verändern sich durch Lernerfahrungen, vor allem bezüglich ihrer Stärke.

Triebe sind entsprechend den Emotionen definiert, mit der Ausnahme, daß sie in erster Linie von inneren Reizen bedingt werden und die aktivierende Wirkung im Vordergrund steht, während die affektive Kompo­nente zurücktritt. Der Begriff Antrieb wird dem des Triebes gleichgesetzt.

Affekt ist ebenfalls wie die Emotion definiert. Bei Affekt steht jedoch noch mehr als bei Emotion die Bewertung der Erregung im Vordergrund. Natürlich unterscheiden sich auch Affekte ganz klar in ihrer Stärke, die auf die Stärke der Aktivierung zurückzuführen ist. Affekte werden im weiteren im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

Motivation, Einstellung, Motiv, Bedürfnis, Präferenz

Eine Motivation entsteht nach verbreiteter Auffassung dann, wenn zu der aus der Emotion, dem Trieb oder dem Affekt resultierenden Aktivierung und der entsprechenden affektiven Färbung eine kognitive Zielori­entierung hinzutritt. Oft wird auch der Emotion schon eine gewisse kognitive Komponente zugesprochen. „Die Motivation – verstanden als mehr oder weniger starke Tendenz, eine Handlung auszuführen – wird nach den meisten kognitiven Modellen von zwei Einflußgrößen bestimmt:

vom subjektiv gesehenen Ziel-Mittel-Zusammenhang,

vom subjektiv erwarteten Wert (Befriedigungswert) des Zieles.“[11]

Daraus abgeleitet, soll festgeschrieben werden:

Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt. Dieses Konstrukt bezeichnet einen manifesten in­neren Vorgang, der Antriebskomponenten und kognitive Komponenten enthält. Die Antriebs­komponenten leiten sich aus Emotionen, Trieben und Affekten ab. Die kognitiven Komponenten aus dem subjektiv gesehenen Ziel-Mittel-Zusammenhang und dem subjektiv erwarteten Wert (Befriedigungswert) des Ziels. Diese Faktoren zusammen bedingen die Richtung und die Stärke der Motivation, die sich wiederum auf das daraus resultierende Verhalten auswirken.[12]

Auch der Begriff „Einstellung“ läßt sich auf die beiden oben genannten Determinanten Ziel-Mittel-Zusammenhang und Befriedigungswert zurückführen. Aus dieser Tatsache und der verbreiteten Verwen­dung in der Literatur leitet Kroeber-Riel die folgenden beiden Aussagen ab:

„Der Motivationsbegriff der kognitiven Theorie deckt sich weitgehend mit dem Einstellungsbe­griff.“

und

„Die Untersuchung von Einstellung ersetzt meist die Untersuchung von Motivation.“[13]

Die Verwandtschaft der beiden Begriffe wird auch in der Definition von Allport deutlich, die als die umfassendste und gleichzeitig noch operationalisierbare Definition des Einstellungsbegriffes gilt. „An attitude is a mental and neural state of readiness, organized through experience, exerting a directive or dynamic influence upon the individual´s response to all objects and situations with which it is related.“[14]

Die so definierten Einstellungen setzen sich nach verbreiteter Meinung aus drei Komponenten zusam­men.[15] Auch wenn manche Autoren teilweise weniger oder andere Faktoren als Bestand­teile der Einstel­lung sehen [16], wollen wir uns doch an diese bewährte Dreiteilung halten.

Die kognitive Komponente, die vornehmlich dem Bereich des Denkens zuzuordnen ist und die subjektiv gefärbte Kenntnisse des Individuums über die Beschaffenheit des Objek­tes be­inhaltet.

Die affektive Komponente, die vornehmlich dem Bereich der Emotion zuzuordnen ist und zu einer positiven oder negativen Bewertung eines Objektes führt.

Die konative Komponente, die die Bereitschaft des Individuums beinhaltet, in einer durch die beiden vorhergehenden Komponenten bestimmten Weise, bezogen auf ein Objekt zu han­deln. Die konative Komponente stellt die Verbindung zwischen der Einstellung und dem Verhalten her.

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß die affektive Komponente eine begriffskonstitutive Dimension für Einstellungen darstellt.

Im weiteren soll der Begriff Motivation vor allem dann verwendet werden, wenn die Antriebs­komponente im Vordergrund steht und der Begriff Einstellung, wenn die inhaltliche oder die affektive Komponente im Vordergrund steht.

Zu erwähnen bleibt noch der Begriff des Motivs, der gelegentlich in dieser Arbeit verwendet wird. Dieser Begriff wird in seiner weit verbreiteten Definition als individuelle, durch Sozialisie­rungsprozesse erwor­bene Konstante, die unser Verhalten in vielen Bereichen determiniert, von Herkner kritisiert.[17] Als Alternative führt Herkner eine, in neuer Zeit oft angewendete Konzep­tion des Begriffs Motiv als Regelkreis an.[18] Danach ist das Motiv durch das Streben charakteri­siert, einen Ist-Wert in einen Soll-Wert zu überführen. Dieser Sichtweise soll im weiteren gefolgt werden, ohne daß darauf an dieser Stelle genauer eingegangen wird. Zu klären bleibt immer, ob der Soll-Wert genetisch vorgegeben oder im Rahmen eines Sozialisierungsprozesses erworben wurde. Weitgehend synonym wird in dieser Arbeit gelegentlich der Begriff Bedürfnis gebraucht. Dabei wird durch die Verwendung dieses Begriffs angedeutet, daß nicht ein einzel­nes Motiv das Verhalten bedingt, sondern neben mehreren Motiven auch Persönlichkeits­merkmale, sowie Merkmale der sozialen Umwelt das Verhalten beeinflussen.[19]

Der Unterschied zwischen Motivation und Motiv besteht vor allem darin, daß die Motivation meist auf einen kleinen Ausschnitt oder zeitlich begrenzten Bereich des Verhaltens Einfluß nimmt, während das Motiv meist auf einen größeren Teil des Verhaltens Einfluß nimmt und längere Zeit überdauert.

Ein letzter wichtiger Begriff verbleibt für diese Arbeit zu klären. Präferenzen sind wichtige Faktoren im Kaufentscheidungsprozeß. Wiswede sagt: „…, daß Aktivierungsprozesse sowie deren Emotionalisierung (in ange­nehm/unangenehm) die Grundlage der Präferenzbil­dung darstellt.“[20] Präferenzen sind Ergeb­nisse eines Vergleichsprozesses nach bestimmten Regeln. Diese Auswahlregeln fußen auf dem Prinzip der Nutzenmaximierung. Die Marke, die den größten Nutzen bringt, wird am meisten präferiert. Der Nutzen wird dadurch gemessen, inwieweit die Zielvorstel­lungen erfüllt werden. Wie wir später noch sehen werden, führt die Erfüllung von Zielvorstellungen zu einer affektiven Bewertung der Objekte. Die Auswahlregel kann dann nach dem hedonistischen Prinzip vorgehen, indem die angenehmste Alternative ausgewählt wird.


[1] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 60 ff

[2] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 52

[3] vgl.: Buck, R., (1988), S. 8ff

[4] vgl.: Izard, C. E., (1981), S. 64

[5] Auf den Begriff Stimmungen wird hier nicht näher eingegangen, da er für diese Arbeit nicht relevant ist.

[6] vgl.: Schachter S.; Singer, J. E., (1962)

[7] Auf diesen Ansatz wird nicht weiter eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Der Leser sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. z.B. Schachter, S.; Singer, J. E., (1962) oder Schachter, S., (1964)

[8] vgl.: Buck, R., (1988), S. 470

[9] vgl.: Plutchik, R., (1980); Izard, C. E., (1981) und Kemper, T.D., (1991)

[10] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 102

[11] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 139

[12] Eine ausgedehnte Diskussion des Begriffes Motivation und seines Wandels im Zeitablauf, vor dem Hintergrund der sich wandelnden psychologischen Theorien, findet man bei Atkinson. (vgl.: Atkinson, J. W., (1975), S. 434ff)

[13] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 139

[14] Allport, G. W., (1967), S. 3

[15] vgl.: Irle, M., (1967), S. 196-197 und Howard, J. A.; Sheth, J. N., (1969), S. 128-131 und S. 192-195

[16] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 12

[17] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 53

[18] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 63

[19] vgl.: Wiswede, G., (1973), S. 96

[20] Wiswede, G., (1991), S. 314

Vorwort Lerntheorie

„Der gesamte Bereich der Produktverwendung mit Auswirkungen auf die Erhöhung/ Senkung von Kauf­wahrscheinlichkeiten ist lerntheoretisch interpretierbar.“[1]

Es gibt eine unübersehbar große Anzahl von lerntheoretischen Veröffentlichungen, die sich oft gegensei­tig widersprechen. So schrieb Ritchie 1973: „Im Bereich des Lernens gibt es keine theoretischen Erklä­rungen, die nicht durch zahlreiche alternative Erklärungen, die genauso plausibel sind, in Frage gestellt werden.“[2] Aus diesem Grunde soll hier nicht der Versuch gemacht werden, verschiedene Theorien einander gegenüberzustellen. Statt dessen werden erklärungskräftige Zusammenhänge herausgegriffen, diskutiert und mit Hinweisen aus der Literatur unter­mauert.

Die im folgenden dargestellten Zusammenhänge sind teilweise behavioristischer Natur und teilweise kognitiver Natur. Kognitive Prozesse sind in erster Linie solche, in denen Erwartungen über die Konse­quenzen von Verhaltensweisen, also im Speziellen Einschätzungen der ver­schie­denen Marken und der mit ihnen zu erreichenden Zielerfüllung als Verstärker dienen. In behavio­ristischen Prozessen treten die Verstärker dagegen erst nach Vollzug der Handlung auf.


[1] Wiswede, G., (1991), S. 73

[2] Ritchie, B. F., (1973), zitiert nach Wolman, B. B., (1973), S. 173

Abgrenzung von Habitualisierung und Markentreue

Im Rahmen der Behandlung der Lerntheorie wird ein Nachtrag zur Definition des Begriffes Markentreue erforderlich. Oft werden die Begriffe Markentreue und Habitualisierung gleichge­setzt oder Marken­treue als eine Form der Habitualisierung betrachtet.

Wie sich aus Jacobys Definition von Markentreue[1] ableiten läßt, fallen unter diesen Begriff nicht solche Entscheidungen, die zwar zum Wiederkauf der gleichen Marke führen, die jedoch aufgrund eines extensiven Entscheidungsprozesses und nicht aufgrund einer Vorein­genom­menheit getroffen werden. Das heißt, markentreue Entscheidungen sind nur solche, bei denen der Entscheidungs­prozeß durch die Ein­bringung von Lernerfahrungen verkürzt ist. Auch bei Hab­itualisierung findet eine Verkürzung statt. Bei habitualisierten Kaufent­scheidungen kann man je­doch sagen, daß der Entscheidungsprozeß gar nicht mehr existiert, sondern von Lerner­fahrungen ersetzt wird. Katona sagt zu habituellem Verhalten: „Hier gibt es daher kein Überle­gen und kein Wählen. Reize rufen Reaktionen in fest begründeten Bahnen hervor, unbeeinflußt von wechseln­den Motiven und Einstellungen. Diese Art des Verhaltens … dient … Konflik­ten zu entgehen.“[2]

Markentreues und habitualisiertes Entscheiden unterscheiden sich durch das Maß, in dem kognitive Prozesse in die Ent­scheidungsfindung eingreifen. Wäh­rend bei habituellem Verhal­ten die kognitive Beteiligung grundsätzlich nicht stattfindet – oder wie Tost­mann[3] es ausdrückt „nicht vorhandene Bewußtseinsprägnanz“ – ist Markentreue durch ein Mindestmaß an kogniti­ver Beteiligung gekennzeichnet. Jeuland[4] unterscheidet die Begriffe durch das Maß an Involve­ment. Zwar ist bei Markentreue die extensive Kaufentscheidung ausge­schlossen, dies schließt jedoch nicht aus, daß trotzdem umfangreiche kognitive Prozesse zur Entschei­dungsfindung notwendig sind. Das Maß der kognitiven Beteiligung kann stark variieren.

Zwei extreme Ausprägungen der Markentreue in bezug auf die kognitive Beteiligung sind denkbar:

Wenn eine Kaufent­scheidungssituation mit einem kognitiv gesteuerten Vergleichsprozeß beginnt, der wegen der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität dann irgendwann abgebrochen wird, so steht zu diesem Zeitpunkt meist keine rational begründete Entscheidung fest. Es kann sein, daß alle Marken zu diesem Zeitpunkt in etwa gleich zu bewerten sind und dann die affektiv begründete Entscheidung zugunsten der bewährten Marke ausfällt. Dies ist ei­ne markentreue Entscheidung mit einer relativ großen kognitiven Beanspru­chung. Auf der anderen Seite ist es möglich, daß zwar die Alternativen wahrgenommen werden, nachdem dies geschehen ist, die Entschei­dung jedoch zugunsten der bewährten Marke fällt. Hier ist die kognitive Beteiligung sehr gering, die eingebrachten Lernerfahrungen aber sehr umfang­reich.

Das Kriterium, das im zweiten Fall habituelles Verhalten noch von markentreuem Verhalten unterscheidet, ist die bewußte Wahrnehmung der Alternativen. Laut der Definition von Marken­treue ist das Vorhandensein von Alternati­ven notwendig. Demgegenüber sprechen wir von habituellem Verhalten dann, wenn die Alternativen gar nicht mehr wahrgenommen werden sondern ein Reiz-Reaktions-Mechanismus abläuft. Der Übergang von Markentreue zu habituel­lem Verhalten ist bezüglich dieses Kriteriums fließend.

In der Literatur wird häufig die Meinung vertreten, daß starke Markentreue mit habituel­lem Verhalten gleichzusetzen sei, während schwache Markentreue zwar eine vereinfachte Verhal­tensweise, jedoch keine habituelle Verhaltensweise ist.[5] Diese Meinung ist insoweit richtig, als die Markentreue sich unendlich nahe an habitualisiertes Verhalten angleichen kann, jedoch immer die kognitive Beteiligung und Wahrnehmung der Alternativen beinhaltet.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß vor allem zwei Faktoren bei der Entscheidung ausschlagge­bend sind, ob es sich um habituelles Verhalten oder Markentreue handelt nämlich kognitive Beteiligung und Wahrnehmungsanstrengung. Markentreue ist dabei auf einem Konti­nuum zu suchen, an dessen Extrem­punkten die extensive Kaufentscheidung und die habituali­sierte Kauf­entscheidung zu finden sind.

Noch nicht eingegangen wurde auf die Frage, wie es zu habitualisiertem Verhalten kommt. Es ist sowohl vorstellbar, daß eine Habitualisierung schon nach der ersten Kaufent­scheidung stattge­funden hat, als auch daß dieser Prozeß mehrere Kaufakte benötigt.[6]

Wie die Entstehung von Markentreue erfordert auch die Habitualisierung einer Verhaltensweise Lernpro­zesse. Ein Verhalten wird meist dann wiederholt gezeigt, wenn es verstärkt wird. Ein Verstärker, der nicht den Wiederkauf an sich, sondern den Habitualisierungsprozeß fördert, ist die Vereinfachung des Kaufprozesses. Dabei wird von einem Antrieb des Menschen ausgegan­gen, jede Entscheidung mit einem Mini­mum an kognitivem Aufwand zu treffen, (siehe Kapitel 2.6.2.). Darüber hinaus wirken auch die Erfüllung von Zielvorstellungen und die Befriedigung der Be­dürfnisse nach Abwechslung und nach Risikore­dukti­on als Verstärker. Diese zielen jedoch nur begrenzt auf die Habitualisierung, sondern schwerpunktmäßig auf den Wiederkauf an sich ab, da nicht die Verstärkung für eine besonders ökonomische, sondern für eine unter dem Gesichtspunkt der Aktivierung optimalen Entschei­dung erfolgt. Man kann also vermuten, daß Markentreue ein Schritt zum Endzustand Habituali­sierung sein kann. Sicher gibt es viele Faktoren, die auf diesen Prozeß Einfluß nehmen, wie z.B. die finanzielle Bedeutung der Ent­scheidung. „…mit zunehmender Bedeutung des Konsumguts – und mithin auch mit steigender finanzieller Belastung – wird die Habitualisierungstendenz abnehmen, einfach deshalb, weil kognitive Anstrengungen lohnender werden.“[7]


[1] vgl.:Jacoby, J.; Kyner, D.B., (1973), S. 2

[2] Katona, G., (1972), S. 63

[3] Tostmann, T., (1978), S. 360

[4] vgl.: Jeuland, A. P., (1979)

[5] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 107

[6] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 25

[7] Wiswede, G., (1991), S. 321

Verstärkung durch Motivbefriedigung

Wie laufen die Lernprozesse, die zu markentreuem Verhalten führen, ab?

Im Zentrum des Interesses steht das operante Konditionieren[1], das nach Dieterich für die Erklärung des Konsumentenverhaltens angemessen ist.[2] Das bedeutet, ein zufälliger Marken­kauf, also der Operant, wird verstärkt oder auch nicht und dadurch steigt oder sinkt die Häufig­keit, mit der er gezeigt wird.[3] Die Verstärkung kommt durch die Befriedigung einer Zielvor­stel­lung oder eines Bedürfnisses zustande. Die Größe der Verstärkung ist abhängig von dem Maß der Erfüllung der Zielvorstellungen oder des Bedürfnis­ses.

Bevor die Verstärkereigenschaften der Marke behandelt werden können, muß geklärt werden, wie es zu dieser Verstärkung kommt. Dazu ist es angebracht, zwischen primären und sekundä­ren Verstärkern zu unterscheiden. Im weiteren wird davon ausgegangen, daß sowohl die Re­duktion des Risikos, als auch die Aufnahme neuer ungewöhnlicher Reize primäre Verstärker sind. Gemäß der Ansicht von Hull[4] wird damit ausgedrückt, daß diese beiden Reize biologi­sche Triebe reduzieren. Die Marke befrie­digt durch ihre Eigenschaften also das Motiv nach Risikoreduktion oder das Motiv nach Abwechslung und hat dadurch Verstärkereigenschaf­ten.

Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, daß es einen biologisch verankerten Antrieb zur Risiko­re­duktion gibt. Dieser kann aus dem Konsistenz-Motiv abgeleitet werden, indem die Risiko­empfin­dung als inkon­sistentes Reizmuster nach Beseitigung strebt. Nicht so eindeutig ist die Lage bei dem Trieb nach Ab­wechslung. Zwar konnte Berlyne[5] in Experimenten nachweisen, daß auch die Befriedigung von Neugier und der Informationswert eines Reizes primäre Verstär­kereigenschaf­ten haben, auf der anderen Seite wird die Existenz eines solchen Triebes immer wieder bestritten.

Damit die Erwartungen und die Erfahrungen sowohl bezüglich des Risikopotentials als auch bezüglich des Abwechslungspotentials bewertet werden können, muß auf jeden Fall ein Maß­stab feststehen, was positiv, neutral und was negativ zu bewerten ist. Die entsprechenden Maßstäbe leiten sich aus individuellen Bedürfnissen und Toleranzschwellen ab. Eines soll schon vorwegge­nommen werden. Diese Maßstäbe sind in Grenzen genetisch vorgegeben, werden jedoch nicht unabhängig von den Befriedigungsmöglich­keiten gebildet, sondern passen sich in einem genetisch vorgegebenen Rahmen im Zuge eines Lernprozesses, den wahrgenommenen Befriedigungs­möglich­keiten an.

Beide Antriebe und die entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in späteren Kapiteln noch ausführlich behandelt. (siehe besonders Kapitel: Kontroverse Standpunkte in bezug auf das Abwechslungsmotiv) An dieser Stelle wird nur festgehalten, daß diese beiden Motive vermutlich einen Einfluß auf die Markenkaufentscheidung haben und im weiteren im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Auf die Verstärkung durch die Erfüllung der Zielvorstel­lun­gen wird in dieser Arbeit, wie schon erwähnt, nicht eingegangen, da es sich hier um extrin­sische Motivationen und die dement­sprechenden funktionellen Eigenschaften der Marke handelt. Wenn im weiteren dennoch hin und wieder von den Zielvorstellungen gesprochen wird, dann wird damit das Versagen der Marke in diesen Bereichen und damit das Risiko ange­sprochen. Nur soviel dazu: Die funktionellen Eigenschaften können sowohl primäre als auch se­kundäre Verstärker sein, je nachdem, welche Motive sie befriedigen, z. B. Hunger, Durst, Bedürfnis nach einer angenehmen Umgebung, Bedürfnis nach Prestige usw.


[1] vgl.: Skinner, B. F., (1938)

[2] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 55

[3] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 23

[4] vgl.: Hull, C. L., (1943)

[5] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

Verstärkereigenschaften der Marke

Das Verhalten in Kaufsituationen ist vermutlich nicht angeboren, sondern weit­gehend gelerntes Verhal­ten. Dabei spielen sowohl kognitiv, als auch behaviori­stisch zu erklärende Vorgänge ei­ne Rolle. Im weiteren sind die Kaufentscheidungen für verschiedene Marken die Operanten. Das heißt, die Entscheidung für eine Marke erfolgt zunächst rein zufällig, da der Konsument noch keine Präferenzen einzelnen Marken gegenüber hat.[1] Der Stimulus besteht dann in der Befriedigung von Bedürfnissen und damit verbunden der Erfüllung von Ziel­vorstellungen.

Im vorigen Abschnitt wurde dargestellt, in welchen Bereichen Motive bestehen, die von der Marke befriedigt werden könnten.

An dieser Stelle ist es notwendig, nochmals auf die funktionellen Eigenschaften der Marke einzugehen.

Die Zielvorstellungen, die mit dem Kauf eines Produktes verbunden sind, richten sich auf die funktionellen Eigenschaften des Produkts. Diese funktionelle Leistungsfähigkeit des Produkts muß sich nicht nur auf materielle Eigen­schaften beschränken, sondern umfaßt auch erwartete Prestigewerte der Marke und andere immaterielle Eigenschaften. Ein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Erfüllung der funktionellen Anforderungen und den Risiken, die dem Konsumenten drohen, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden. Dieser Zusammenhang ist ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Die Ursache ist die nicht erfüllte funktionelle Anforderung. Die Wir­kung besteht in den sich aus diesem Mangel ergebenden Schäden.

Wenn von den funktionellen Eigenschaften und der aus ihnen direkt abgeleiteten Verstärkung abstrahiert wird, hat die Marke jeweils zwei Potentiale, vor der Kaufentscheidung entweder verstärkend oder aversiv zu wirken.

Auf der einen Seite steht die bestrafende Eigenschaft des Risikopotentials, auf der anderen Seite die belohnende Eigenschaft des Abwechslungspotentials. Der hier verwendete Potentialbegriff ist aus der Terminologie von Berlyne[2] entnommen und wird schon an dieser Stelle verwendet, um später den Zusammenhang mit den Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens besser verdeutlichen zu können. Berlyne unterscheidet in seinem Buch nicht nach verschiedenen Potentialen, sondern spricht nur von einem Aktivierungs­potential, daß auf sogenannte „collative variables“ zurückzuführen ist. Unter diesem Begriff faßt er allerdings sowohl Fähigkeiten der Marke, das Abwechslungsbedürfnis zu befriedigen, als auch Gefahren, die durch die Marke drohen, zusammen. Das Aktivierungsotential eines Stimulus besteht deshalb in der vom Konsumenten wahrgenommenen Fähigkeit, zum einen die Neugier zu befriedigen und zum anderen Risiken zu begründen. Für das weitere Vorgehen soll das Aktivierungspotential von Berlyne in die zwei Bereiche Abwechslungspotential und Risikopotential unterteilt werden.

Damit ergeben sich die folgenden Verstärkereigenschaften der Marke:

Die aversiven Reize, die die Kaufentscheidung beeinflussen, sind:

Erwartungen, daß die Entscheidung für die ausgewählte Marke das zu tolerierende Risiko­potential erhöht.

Erwartungen, daß die Marke nicht das bisher gewohnte Abwechslungspotential bietet.

Die verstärkenden Reize, die die Kaufentscheidung beeinflussen, sind:

Erwartungen, daß die Entscheidung für die Marke das Risikopotential vermindert oder ein drohendes Risikopotential nicht realisiert.

Erwartungen, daß die Marke ein angenehmes Abwechslungspotential bietet.

Die oben aufgeführten Reize sind solche, die im Rahmen einer kognitiven Lerntheorie das Entscheidungs­verhalten erklären können. Die angesprochenen Erwartungen gründen vermut­lich auf Lernprozessen, die auf Reiz-Reaktionsmechanismen zurückzuführen und schon vor der betrachteten Entscheidungssi­tuation abgelaufen sind. In dem Moment, in dem die Marke gekauft und konsumiert wird, findet eine entsprechend den Eigenschaften der Marke gestaltete Verstär­kung oder Bestrafung des Konsumenten für diese Entscheidung statt. Diese Erfahrung bedingt die Erwartungen, die der Konsument in einen erneuten Kauf der gleichen Marke setzt. Dies bedeutet, daß die Stimuluseigenschaften der konsumierten Marke einem stetigen Wandel unterworfen sind.

Meist liegen in einer Entscheidungssituation mehrere Alternativen vor, die in der Vergangenheit mehr oder weniger verstärkt wurden und deren Kauf mit entsprechenden Erwartungen verbun­den ist. Der Kon­sument nimmt also schon kognitiv vorweg, welches Maß an Verstärkung er durch den Kauf dieser oder jener Marke erhalten wird. Die Auswahlwahrscheinlichkeit der verschie­denen Alternativen ergibt sich dann aus dem Gesetz des relativen Effekts.[3] Auf diesen Zusam­menhang wird später in diesem Abschnitt noch genauer eingegangen. (siehe Kapitel: Gesetz des relativen Effekts)


[1] Präferenzen sind gleichbe­deutend mit der Zuordnung von relativen Verstärkereigenschaften zu bestimmten Marken im Vergleich zu anderen Marken.

[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[3] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 30

Gewöhnung und Erfahrung – Ergebnis und Determinanten des Lernprozesses

Weder das Risikopotential noch das Abwechslungspotential sind im Zeitablauf konstante Größen. Wie die Entwicklung von statten geht und wie die Verarbeitung der damit verbundenen Informa­tionen erfolgt, soll kurz dargelegt werden.

Risikopotential und Erfahrung

Es gibt drei mögliche Bereiche, aus denen sich das Risikopotential ableiten läßt:

die Marke entspricht nicht den durchschnittlichen marktüblichen Qualitätsan­sprüchen und er­füllt deshalb nicht die Zielvorstellungen

die Marke erfüllt nicht die funktionellen Zielvorstellungen des Konsumenten, weil dieser sich nicht genau über seine Zielvorstellungen im klaren ist

die Qualität der Marke schwankt im Zeitablauf.

Wenn eine Marke zum ersten Mal gekauft wird, beinhaltet sie ein entsprechendes Risikopoten­tial. Das bedeu­tet, daß die erste Kaufentscheidung mit einem großen Risikopotential verbunden ist. Sehr schnell, das heißt, entweder nach kurzem Gebrauch oder nach wenigen Käufen, wird der Konsument merken, ob die Marke in der Lage ist, die marktüblichen funktionellen Erwar­tungen zu erfüllen. Nach und nach wird der Konsument auch mer­ken, ob die Marke die Bedürfnisse, die nach seiner Meinung eigentlich durch diese Produktkategorie abgedeckt werden sollten, auch wirklich befriedigt. Damit fällt auch dieses Risikopotential weg. Zurück bleibt die Ungewißheit über Qualitäts­schwankungen.

Der im Rahmen der Risikoabschätzung ablaufende Informationsverarbeitung­sprozeß dürfte zu komplex sein, um ihn mit Hilfe eines behavioristischen Ansatzes, also mit einfachen Reiz-Reaktionsmustern, zu interpretieren, da die Risiko­empfin­dung meist auf einem umfangreichen Abwägungsprozeß beruht. Angemessener erscheint der kognitive Ansatz von Bruner.[1] Dieser Ansatz geht davon aus, daß alle Objekte und Ereignisse in Klassen eingeteilt werden. So würde die gekaufte Marke entsprechend des wahrgenommenen Risikos in eine bestimmte Risiko-Klasse eingeteilt. Wenn zusätzliche Erfahrungen durch Konsumtion gemacht werden, kann diese Kate­gorisierung noch geändert oder modifiziert werden. Nach und nach verfestigt sich die Einordnung in eine bestimmte Kategorie immer weiter.

Dieser Ansatz ist kompatibel zu den Annahmen, die zuvor über die Entwicklung des Risikopo­tentials im Zeitablauf gemacht wurden. So fällt die Ausschaltung des zuerst genannten Risiko­be­reichs wohl noch in den Bereich des „cue search“ und damit einer „initial categorizing“. Wenn sich dann herausstellt, daß auch der zweite Risikobereich für die Marke nicht relevant ist, wird dadurch der von Bruner geforderte „confirmation check“ unterstützt und der Erwerb der Marke weiter als relativ risikolos eingestuft. In dem danach folgenden Stadium der „confirmation completion“ wird das endgültige Risikopotential der Marke durch eine Einord­nung in eine bestimmte Klasse festgelegt. Da in diesem Stadium eine selektive oder überhaupt keine Informa­tionsaufnahme mehr stattfindet, wird das Risikopotential aufgrund von Qualitäts­schwankungen wohl gegen einen bestimmten Wert tendieren, der von der Häufigkeit von Qualitätsfehlern abhängig ist und sich nur sehr langsam ändert.

Die Kate­gorisierung wird also entweder im Rahmen einer „primitiven Kategorisierung“[2] ablaufen, wenn die ersten Erfahrungen mit der Marke die Risiken bestätigt oder aber entspre­chend des oben darge­stellten Ablaufs, wenn das Risiko nach und nach abgebaut wird. Im ersten Fall wird die Marke mit einem großen Risikopotential kategori­siert, im zweiten Fall wird die Marke nach einem aufwendigeren Kategorisierungsprozeß mit einem niedrigen Risikopo­tential eingestuft. Die Dauer des Kategorisierungsprozesses ist von der Komplexität des Produktes abhängig, da davon wiederum abhängig ist, wie schnell beurteilt werden kann, ob weitere Risiken bestehen oder nicht. Grundsätzlich kann man sagen, daß die Höhe des wahrge­nommen Risikopo­tentials von der Erfahrung mit der Marke abhängig ist. Da die Häufigkeit des Wiederkaufs, das heißt die Erfahrung, von der Höhe der aversiven Reize, die mit der Marke verbunden sind, abhängig ist, wird mit großer Erfahrung tendenziell ein niedrigeres Risikopo­tential einhergehen.

Abwechslungspotential und Gewöhnung

Das Abwechslungspotential setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen (Neuig­keits­aspekte, Ungewöhnlichkeit, Abwechslung usw). Grundsätzlich kann davon ausge­gangen werden, daß der Mensch das Bedürfnis nach neuen und ungewöhnlichen Eindrücken hat. (siehe Kapitel 2.6.1.) Die Befriedigung dieses Bedürfnisses wird als positiv empfunden. Je neuer und ungewöhnlicher ein Reiz ist, desto angenehmer wird er tendenziell empfunden. Durch die analytische Trennung zwischen Risiko- und Abwechslungs­eigenschaf­ten fallen erwartete Gefahren, die mit großer Neuartigkeit verbunden sein können, nicht in den Bereich des Ab­wechslungs­potentials, sondern in den Bereich des Risikopotentials. Sicher gibt es eine Grenze, ab der eine weitere Steigerung der Ungewöhn­lichkeit nicht angenehmer empfunden wird, dieser Fall soll jedoch außer Betracht bleiben. Kroeber-Riel geht davon aus, daß in der Konsu­mentenforschung der Scheitel­punkt, ab dem die Neuartigkeit als unangenehm empfunden wird, normalerweise nicht erreicht wird.[3]

Wenn eine Marke zum ersten Male gekauft wird, sind die wahrgenommene Neuartigkeit, die Ungewöhn­lichkeit, die Komplexität etc. und damit ihre Verstärkereigenschaften am größten. Im Laufe des Konsums oder mehrerer Wiederkäufe steigt die Erfahrung, die der Konsu­ment mit der Marke macht und führt zu einer Gewöhnung an die Eigenschaften der Marke. Der Konsument lernt, welche Eigenschaften die Marke hat. Damit nimmt die wahrgenommene Neuartigkeit, Ungewöhnlichkeit und Komplexität tendenziell ab. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als daß das Abwechslungspotential und damit die daraus abgeleiteten Verstärkereigen­schaften der Marke abnehmen.

Auch bei der Erklärung der Entwicklung des Abwechslungspotentials kann die Theorie von Bruner hilf­reich sein. Man kann nicht davon ausgehen, daß das Abwechslungs­potential selbst das Objekt eines Kategorisie­rungsprozesses im Sinne von Brunner ist, da die Kategorisie­rung die Neuartig­keit zunichte machen würde. Vielmehr wird das Gefühl, inwieweit die Marke noch nicht katego­risiert ist, das Maß für das Abwechslungspotential sein. Je weiter die Kategorisierung fortge­schritten ist, desto geringer wird das Abwechslungspotential sein.


[1] vgl.: Bruner, J. S., (1966)

[2] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 65

[3] vgl.: Kroeber-Riel, W., (1992), S. 77

Gesetz des relativen Effekts

Wie bei der Abgrenzung von der Habitualisierung dargestellt, werden bei markentreuem Ver­hal­ten auch die Alternativen bewußt wahrgenommen, die wiederum auch bestimmte Verstärke­reigen­schaften haben.

Das Gesetz des relativen Effekts sagt aus, daß das Verhältnis der Häufigkeiten bestimmter Verhaltenswei­sen von dem Verhältnis der Verstärker, die das Individuum für diese Verhaltens­weisen erhält, entspricht. Das Gesetz des relativen Effekts bezieht sich nur auf den stationären Teil der Lernkurve. Es gilt also nicht während des Abschnitts, in dem eine Verhaltensänderung stattfindet, sondern erst, wenn eine relativ konstante Verhaltens­häufigkeit erreicht wurde.[1] Da in dieser Arbeit, wie im letzten Abschnitt verdeutlicht wurde, von sich dauernd verändernden Verstärker­eigen­schaften der aktuellen Marke ausgegangen wird, ist diese Bedingung eigent­lich nicht erfüllt. Trotzdem kann das Gesetz interessante Erklärungen liefern.

Aus dem Effektgesetz wurde die Hypothese abgeleitet, daß die relative Häufigkeit einer Verhal­tensweise nicht nur von deren Konsequenzen abhängt, sondern auch von den Konsequenzen gleichzeitig verfügba­rer Alternativen. Die rein behavioristische Sichtweise impliziert, daß die Wiederkaufwahrschein­lichkeit für eine Marke so lange konstant bleibt, so lange die Verstär­kung durch dieselbe gleich ist. Das Gesetz des relativen Effekts sagt demgegenüber, daß sich die Wiederkaufwahrscheinlichkeit einer Marke auch dadurch ändern kann, daß die potentielle Verstärkung durch andere verfügbare Alternativen verän­dert wird. Das bedeutet, daß zum Beispiel durch massiven Einsatz von Werbemitteln für eine andere Marke unter Umständen die Wiederkauf­wahrschein­lichkeit der aktuellen Marke vermindert werden kann. Wenn daher eine Wiederkaufwahrscheinlichkeit aus der isolierten Betrachtung einer einzelnen Marke abgeleitet wird, so ist diese mit Vorsicht zu interpretieren. Da jedoch meist keine klaren Vorstellun­gen über die Verstärker­eigenschaften aller alternativen Marken gebildet werden, genügt die Erfas­sung der Un­sicher­heit, ob die eigene Marke wirklich die beste von allen ist. Erst wenn diese Unsicherheit ein bestimmtes Maß überschritten hat, wenn also die Wahrscheinlichkeit, daß es eine Marke mit einem höheren Verstärkerwert gibt, höher ist, werden die anderen Marken zu wirklichen Alterna­tiven. An dieser Stelle wird wieder die Verwandtschaft von Habitualisierung und Markentreue deutlich.

Die Entscheidung für eine Marke ist eindeutig, denn entweder wird das Produkt gekauft oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit für diese Entscheidung, bevor dieselbe getroffen wurde, ist aller­dings normalerweise nicht gleich 100 %. Nach dem Gesetz des relativen Effekts verteilt sich die Wahrscheinlichkeit über die verschiedenen Alternativen je nach ihren Verstärkereigenschaften. Je größer die Verstärker­eigenschaften einer Marke sind, desto größer ist die Wahrscheinlich­keit, daß die Entscheidung zu deren Gunsten aus­fällt.

Jede Marke, die nicht konsumiert wird und über die der Konsument derzeit keine zusätzlichen In­forma­tionen sammelt, hat einen gleichbleibenden Verstärkerwert und entsprechend des Gesetzes des relativen Effekts eine entsprechende Kaufwahrschein­lichkeit, die nur von den Veränderungen der Verstärker­eigen­schaften der anderen Marken abhängig ist. Wenn davon ausgegangen wird, daß das Abwechslungspoten­tial und das Risikopotential die Verstärkerei­gen­schaften der Marke sind, sind die Verstärkereigen­schaften der aktuell benutzten Marke ei­ner stetigen Veränderung unterworfen. Wenn dadurch die Wiederkaufwahrscheinlichkeit der aktuellen Marke abnimmt, muß die Kauf­wahr­scheinlichkeit einer anderen Marke zunehmen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die gesamten Verstärkereigenschaften der aktuellen Marke auf jeden Fall nach einiger Zeit stetig abnehmen. Die Begründung dieser Forderung erfolgt im Rah­men der Darstellung des Konzeptes und läßt sich auch aus der Studie von Bawa[2] ableiten. Wenn dies so ist, dann wird in der Phase abnehmender Verstärkung irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Unsicherheit, daß es auf dem Markt bessere Produkte geben könnte, sehr groß wird. Außerdem wird die Verstärkereigenschaft der aktuellen Marke irgendwann das konstante Niveau einer anderen verfügbaren Marke unterschritten haben. Damit ist nach dem Gesetz des relativen Effekts die Wiederkaufwahr­scheinlichkeit für die aktuelle Marke dann ge­ringer als die Kaufwahr­schein­lichkeit dieser Alternative. Wenn der Konsument nun zu dieser neuen Marke wechselt, wird nach einiger Zeit auch deren Verstärkerwert sinken. Auf der anderen Seite gibt es Untersu­chungen, die belegen, daß der Verstärkerwert der nun nicht mehr gekauften Marke dann, wenn sie nicht mehr gekauft wird, wieder ansteigt.[3] Dies ist vermutlich so, weil das Abwechslungspotential bei Nicht-Konsumtion größer wird. Es kann passieren, daß irgendwann wieder ein Wechsel zurück zu dieser Marke erfolgt. Dieses Konzept kann auch mit mehr als zwei Marken sinnvoll konstruiert werden. Wierenga[4] stellte in einer lang angelegten Studie fest, daß Zeiten der Markentreue immer wieder von Abschnitten, die von Markenwech­sel geprägt sind, unterbrochen werden, die vermutlich durch das Gesetz des relativen Effekts zu erklären sind.


[1] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 30

[2] vgl.: Bawa, K., (1990)

[3] z. B.: Kuehn, A. A., (1962)

[4] vgl.: Wierenga, B., (1974), S. 156ff

Vorwort Dissonanztheorie

„Das wahrgenommene Risiko als Unsicherheit bezüglich der Handlungsfolgen ist Ausdruck eines auf kognitiver Einschätzung beruhenden Konfliktes, es kann als eine Form der Vor-Ent­scheidungsdissonanz interpretiert werden. Diese Interpretation legen auch die Ausführungen von Bauer[1] nahe. Er meint, vieles, was er zum wahrgenommenen Risiko sage, sei bereits in der Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger vorweg­genom­men.“[2]

Dieses Zitat rechtfertigt die Behandlung der Dissonanztheorie im Rahmen dieser Arbeit, obwohl es eine kognitive Theorie ist und im Mittelpunkt dieser Arbeit Erregungen und Emotionen stehen. Wie schon im Kapitel über die Lerntheorie deutlich wurde, ist eine Erklärung der Zusammen­hänge ganz ohne kognitive Vorgänge nicht möglich. Durch die Behandlung sowohl der Disso­nanz- als auch der Risikotheorie wird sich hoffentlich ein abge­schlosseneres Bild der Vorgänge ergeben, die im Rahmen der Kaufentscheidung ablaufen. So kann die kognitive Dissonanztheorie dazu beitragen, die den affektiven Bewertungen zugrun­de­liegenden kognitiven Vorgänge zu verdeutlichen und damit ein wenig Licht in die „black box“ der Risiko­theorie zu bringen. Zum anderen gibt es eine Reihe von interessanten Parallelen zu anderen theore­tischen Ansätzen, die in dieser Arbeit behandelt werden. So kommen die Theorien des Such- und Ent­deckungsverhaltens nicht ohne Rückgriff auf die Konsistenztheorien aus und auch bei dem Abwechslungsmotiv wird eine Verbindung zu dem Konsistenzmotiv vermutet.

Die Grundhypothese der Konsistenztheorien besteht darin, daß komplexe kognitive Strukturen ei­ne Tendenz zur Konsistenz haben und daß der Mensch kognitive Inkonsistenzen zu vermeiden sucht. Diese Hypothese ist abgeleitet aus dem Prinzip der Homöostase, das besagt, daß Organis­men, deren che­misch-physikalisches Gleichgewicht gestört ist, danach streben, dieses Gleichge­wicht wiederherzu­stellen, und dessen Übertragung auf die kognitiven Struktu­ren der Menschen.[3]

Aus der großen Zahl der existierenden Konsistenztheorien, haben vor allem die folgenden drei größere Beachtung gefunden:

Das Konzept der Balance und der Neigung zur Symmetrie (Heider, Newcomb)[4]

Das Gesetz der Kongruität (Osgood und Tannenbaum)[5]

Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger)[6]

Die breiteste Anwendung hat bisher die Dissonanztheorie von Festinger gefunden.[7] Aus diesem Grunde und aufgrund ihrer großen Allgemeingültigkeit – sie unterstellt das Streben nach Überein­stimmung für jegliche Art von Wissenselementen – wollen wir uns im weiteren auf diese Theorie beschränken. Eine ausführliche Untersuchung aller drei Ansätze würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.


[1] Anmerkung des Autors: vgl.: Bauer, R. A., (1967)

[2] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 414

[3] vgl.: Schönbach, P., (1966), S. 256ff

[4] vgl.: Heider, F., (1946) und Newcomb, T. M., (1953)

[5] vgl.: Osgood, C. E.; Tannenbaum, P. H., (1955)

[6] vgl.: Festinger, L., (1957)

[7] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 366

Grundaussagen der Dissonanztheorie von Festinger

Nach der Grundaussage der Dissonanztheorie von Festinger können zwischen zwei kognitiven Elementen, auch als Kognitionen bezeichnet, folgende drei Beziehungen bestehen:

Das eine kognitive Element impliziert nichts, was das andere betreffen könnte. Diese Bezie­hung wird als irrelevant bezeichnet.

Das eine kognitive Element impliziert das andere, sie sind also konsistent. Diese Beziehung ist konsonant.

Die beiden kognitiven Elemente lassen sich nicht miteinander vereinbaren, sie sind also inkonsistent. Diese Beziehung ist dissonant.

Die hier angedeuteten Beziehungen zwischen den Elementen sind nicht im formal-logischen Sinne, sondern eher im psycho-logischen Sinne zu verstehen. Es kommt darauf an, wie das Individuum die Beziehung zwischen den beiden Kognitionen wahrnimmt, nicht wie sie in Realiter sind.

Im Mittelpunkt der Theorie von Festinger steht die Dissonanz. Das Individuum ist nach dieser Theorie bestrebt, jegliche Art von Dissonanz abzubauen. Festinger stellt das Bedürfnis nach Dissonanzreduktion auf die gleiche Stufe wie die physischen Bedürfnisse. Diese These scheint gewagt, soll für diese Arbeit aber aus Vereinfachungsgründen beibehalten werden.

Festingers Dissonanztheorie und ihre Implikationen auf das Kaufverhalten werden hier nicht umfassend dargestellt, da dies nicht im Mittelpunkt des Interesses dieser Arbeit steht und außerdem den Rahmen sprengen würde. Der interessierte Leser sei auf Nolte verwiesen.[1] Statt dessen soll ein Sonderfall der Dissonanztheorie herausgegriffen werden. Dieser Sonderfall der Dissonanz hat, wie noch gezeigt wird, die gleiche Ausgangssituation und das gleiche Ergebnis wie das wahrge­nommene Risiko. Dieser Sonderfall ist die antizipierte Nachkauf­dissonanz.


[1] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 365ff