Der Aussage von Jacoby folgend – „From a philosophy of science perspective, attempts to study and understand a given phenomenon are generally enhanced if one also studies the opposite or negative case.“[1] – erscheint es sinnvoll, sich auch über die Hintergründe von Markenwechsel Gedanken zu machen.
Bei einer Kaufentscheidung gibt es immer genau zwei Alternativen: Die gleiche Marke wiederkaufen oder eine neue Marke ausprobieren. (Die Fälle, bei denen zum ersten Male ein Produkt aus dieser Kategorie ausprobiert wird oder ganz auf einen Kauf verzichtet wird, bleiben ausgeklammert.) Markenwechsel liegt immer dann vor, wenn eine Kaufentscheidung getroffen wird und nicht die gleiche Marke wie beim vorigen Male gekauft wird. Da, wie im Rahmen der Definition von Markentreue schon ausgeführt wurde, die Möglichkeit der Multi-Loyalität ausgeschlossen ist, ist der Kauf einer anderen Marke auf jeden Fall als Markenwechsel zu interpretieren.
Wenn wir später von der Wiederkaufwahrscheinlichkeit sprechen, dann meinen wir damit die Wahrscheinlichkeit einer Kaufentscheidung zugunsten der aktuellen Marke. Die dazu komplementäre Wahrscheinlichkeit ist die des Markenwechsels. Sowohl die Markentreue als auch der Markenwechsel sind Verhaltensweisen und keine Zustände. Beide werden nur in der Entscheidungssituation deutlich. Zwischen den Entscheidungssituationen ist man teilweise irrtümlich versucht, von Markentreue zu sprechen. Dieser Eindruck hängt jedoch damit zusammen, daß es sich bei einer Folge von Kaufentscheidungen nicht um einen marginalen Prozeß handelt. Nicht in jedem Augenblick hat die Einstellung zu der Marke eine Möglichkeit, sich zu manifestieren. Das heißt, es ist möglich, daß sich kurz nach einer markentreuen Kaufentscheidung die Einstellung zu der Marke ändert, so daß bei der nächsten Entscheidung ein Markenwechsel ansteht. In dieser Situation wird ein markentreues Verhalten nach außen sichtbar, während die Einstellung diesem eigentlich entgegengesetzt ist. So wird verständlich, daß es oft besser ist, von der markentreuen Einstellung zu sprechen statt von einem markentreuen Verhalten. Oft ist ein Markenwechsel nicht nur eine einzelne Aktion, sondern charakterisiert einen ganzen Zeitraum. Dieses Verhalten konnte vor allem von Wierenga nachgewiesen werden. Im Rahmen seiner „pool-size“-Untersuchung stellt er fest, daß ein Wechsel von einer Marke zu einer anderen, die, wie die erste dann auch, über einen längeren Zeitraum immer wieder gekauft wird, nicht spontan geschieht. Vielmehr ist zu beobachten, daß die meisten untersuchten Haushalte in der Periode zwischen der Markentreue zu der einen und der anderen Marke verschiedene Marken ausprobieren, um dann letztendlich bei der ausgewählten zu bleiben.[2] Ob die Einstellung zum Markenwechsel eine eigenständige Einstellung ist oder nur die Umkehrung der markentreuen Einstellung, wird im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich diskutiert werden.
[1] Jacoby, J.; Chestnut, R. W., (1978), S. 42
[2] vgl.: Wierenga, B., (1974), S. 175-176