Kontroverse Standpunkte in bezug auf das Abwechslungsmotiv

„The propensities of consumers to adopt novel products, wether they are ideas, goods, or services, can play an important role in theories of brand loyalty,….. If there were no such cha­racteristics as innovative­ness, consumer behavior would consist of a series of routinized buying responses to a static set of products.“[1]

„Die ‚Macht der Gewohnheit‘ hat einen gewichtigen Gegenspieler: das Bedürfnis nach Ab­wechslung, manchmal auch das Neugiermotiv.“[2]

„Nutzen nicht aufgrund der neuen Marke, sondern aufgrund des Wechsels selbst.“[3]

Das im folgenden behandelte Thema ist in der Literatur von Widersprüchen gekennzeichnet, was schon aus den Zitaten hervorgeht. So ist aus den obigen Aussagen abzulesen, daß die Existenz eines Bedürfnisses nach Abwechs­lung und eines Neugiermotivs weitgehend akzep­tiert ist.[4] Uneinigkeit herrscht aber darüber, ob das Abwechs­lungsmo­tiv ein eigenständiges Motiv ist oder ob es auf andere Motive zurückzu­führen ist.

Abwechslung und neue Situationen führen, wie schon dargelegt wurde, zu Inkonsistenzen. Es herrscht weitgehend Einvernehmen darüber, daß es ein Konsistenz-Motiv gibt und welche Folgerungen sich für eine inkonsistente Situation aus diesem ableiten lassen. Über das Zustan­dekommen eines Inkonsistenz- oder Abwechslungs­motivs dagegen gibt es unterschiedliche Meinungen, von denen einige im folgenden kurz angerissen werden.

Die einen gehen davon aus, daß es dieses Motiv überhaupt nicht gibt, die anderen sind von einem eigenständigen Motiv überzeugt. Dazwischen gibt es noch eine ganze Reihe von Stand­punkten, die das Abwechslungsmotiv mehr oder weniger mit dem Konsistenzmotiv verbunden sehen.[5]

Maddi[6] geht zum Beispiel davon aus, daß ein Zusammenspiel des Konsistenzmotivs und des Abwechs­lungsmotivs am befriedigendsten wäre. Er leitet dies aus der Überlegung ab, daß Ab­wechslung unter­haltsam und Konsistenz beruhigend sei, eine Kombination dieser beiden Fakto­ren müsse ideal sein. Er geht jedoch nicht näher darauf ein, ob es sich um primäre Motive handelt oder nicht und welcher Art die Interaktionen zwischen den beiden Motiven sind.

Berlyne[7] geht in der ursprünglichen Version seines Konzeptes, implizit nur von einem einzigen Motiv, nämlich dem Konsistenz-Motiv aus. Er sieht sowohl den Zustand eines zu geringen Aktivierungspotenti­als als auch den Zustand eines zu hohen Aktivierungs­potentials als inkonsi­stente Zustände an, die den Antrieb nach Beseitigung in sich führen. Den positiven Anreiz des Neuen oder Ungewöhnlichen kennt er in seinem 1960 veröffentlichten Konzept noch nicht. Später hat er sich dann eingehender mit dem positi­ven Anreiz durch das Neue und Ungewöhliche beschäftigt.[8] In einer Studie stellte er fest: „Both plea­singness and in­terestingness appear to increase with novelty.“[9] In einer weiteren Untersuchung ermit­telte er den „hedonic value“ verschiedener Reize mit unterschiedlicher Komplexität. Hedonic value definiert er selber als: „a term meant provisionally to cover both reward value, as judged by the capacity of a stimulus to reinforce an instrumental response, and preference or pleasure, which is reflected in verbal evaluations“.[10] Er konnte feststellen, daß der hedonic value sehr komplexer Stimuli stieg, wenn sie durch wiederholte Darbietung als immer weniger komplex wahrgenommen wurden, während sehr einfache Stimuli mit steigender Komplexität attraktiver wurden. Berlyne vermutete, daß es zwei entge­gengesetzte Faktoren gebe, die aber miteinander in Interaktion stehen und von denen einer auf die Aufnahme neuer und ungewöhnli­cher Reize gerichtet sei. Dieser Gedanke wird durch folgen­de Ergebnisse unterstützt. Sowohl die Neuigkeit, als auch die Komplexität gehören zu den von Berlyne erwähnten „collative variables“. Während steigende Neuartigkeit fast uneingeschränkt als positiv empfun­den wird, ist das Bild bei Komplexität geteilt. Man könnte daraus schließen, daß das Ungewohnte und Unbekannte an sich einen positiven Affekt auslöst, solange damit keine Gefahren verbunden sind. Zwar geht er in dieser Untersuchung expliziter auf die Motivation, Neues oder Unge­wöhnliches aufzunehmen, ein, letz­tendlich ist in seinen Überlegungen jedoch wieder die Annahme eines optimalen Niveaus zu erkennen, ohne eine Differenzierung in verschiedene Einflußfaktoren vorzunehmen.

Als alternativer Ansatz kann das Konzept des Vergleichsniveaus von Thibaut und Kelley[11] zur Erklärung der Verstärkereigenschaften von neuen und ungewöhnlichen Reizen dienen. Danach werden die Konse­quenzen einer Situation an den Konsequenzen in anderen ähnlichen Situatio­nen gemessen. Auf diesen Standard haben alle zurückliegenden Er­fahrungen einen Einfluß, wobei die aktuellsten Erfahrungen das größte Gewicht erlangen. Wenn die Konsequenzen in der aktuel­len Situation diesem Maßstab entspre­chen, werden sie neutral bewertet. Wenn der Standard übertroffen wird, werden sie positiv und wenn er unterschritten wird, werden sie negativ bewer­tet. Wenn man nun davon ausgeht, daß der Mensch ein bestimmtes Reizniveau für eine spezifi­sche Situation als Vergleichsniveau hat, wird er jede darüber hinausgehende Stimulation als angenehm empfinden.

Es bleibt zu klären, ob das unter Umständen existierende Abwechslungs- oder Neugier­motiv ein primä­res oder ein sekundäres Motiv ist.

Irle[12] macht die Eigenschaft des primären Motivs daran fest, ob eine Deprivation zur Zerstö­rung des physischen Organismus führt. Zwar ist dies im Fall des Neugier- oder Abwechslungs­motivs nicht unmit­telbar der Fall, vermutlich wird jedoch, so Irle, die psychische Existenz zerstört werden. Auch daraus könnte ein Hinweis auf ein primäres Motiv abgeleitet werden. Trotzdem ist damit noch nicht sichergestellt, daß die Notwendigkeit „Einsicht zu gewinnen“, „Probleme zu lösen“ oder „aus inkongruenten Informatio­nen kongruente zu machen“ primäre Verstärker sind und nicht als gelernte Verstärker auf primären Ver­stärkern aufbauen. Irle hält bezogen auf sozialpsycho­logische Fragestellungen die Entscheidung für ein primäres oder sekundäres Neugier- oder Abwechslungsmotiv für irrelevant.

Hirschman[13] führt eine Studie an, bei der Säuglingen zwei optische Reize angeboten wurden, von denen einer vertraut und einer neu wahr. Die Säuglinge wählten in den meisten Fällen den neuen Stimulus aus. Sie leitet daraus ab, daß das Bedürfnis nach Neuem angeboren, also ein primäres Motiv ist. Den entwick­lungs­geschichtlichen Sinn für dieses Bedürfnis sieht sie vor allem in zwei Gründen. Zum einen versucht sich das Individuum durch die Aufnahme vieler neuer unbekannter Reize ein Reservoir an möglicherweise einmal hilfreichem Wissen anzulegen und zum anderen werden durch die Beschäftigung mit diesen neuen und ungewöhnlichen Reizen die Kon­flikt­lösungseigenschaften trainiert.

Vermutlich beruhen weite Bereiche unseres Fortschritts auf der Neugierde und dem Bedürfnis des Menschen nach Abwechslung. Deshalb könnten weitere Hinweise unter Umständen aus der Sozio-Biolo­gie zu erwarten sein, denn ein bestimmtes Maß an Neugierde kann durchaus als Selektionskriterium im Rahmen der Evolution dienen. Nur wer neugierig ist, kann neue Mög­lich­keiten entdecken. Dies kann ein Indiz dafür sein, daß wir Menschen ein primäres Neugier­motiv in uns haben.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß niemand eine Motivation zur Aufnahme neuer Reize in be­stimmten Situationen bestreiten kann. Jeder, der dies bestreiten wollte, müßte die Freude der Menschen an neuen Dingen oder an der Informationsaufnahme in Frage stellen. Im weiteren wird von der Existenz des Neugier-, Abwechslungs- oder Inkonsistenzmotivs ausgegangen.

Nachdem die Festlegung getätigt worden ist, daß es eine solche Motivation zu Neuem, Unge­wöhnlichem und Unbekanntem gibt, bleibt die Frage offen, wie sie einzuordnen ist. Grundsätz­lich gibt es zwei Mög­lichkeiten: Der Mangel an Unge­wöhn­lichem und Unbekanntem könnte einen inkonsistenten Zustand auslösen, der dann aufgrund der Aussagen, die die Konsistenz­theorien machen, beseitigt werden muß. Die Theorien der kognitiven Dissonanz und die Theorie der Neugiermotivation beziehungsweise die Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens sind sich nach Irle[14] in ihrer Struktur sehr ähnlich, was auf einen gemeinsamen Ursprung hindeuten könnte. Auf die Möglichkeit, daß sich das Streben nach Abwechslung aus anderen grundlegenden Motiven ableitet, soll nicht näher eingegangen werden, weil dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß die Motivation Neues und Unbekanntes aufzunehmen, aus einem eigenständigen Motiv abzuleiten ist. Diese wäre dann ähnlich einzuordnen wie der Sexualtrieb oder der Trieb nach Nahrung. Oder vielleicht sogar noch darüber? Die Diskussion soll nicht fortgeführt werden, da diese Fragen nur durch empirische Untersuchungen zu klären sind. Außerdem verliert diese Auseinandersetzung an Erheblichkeit, wenn man nur die Markentreueeinstellung betrachtet. Dann interessiert nur noch der Gesamt­effekt beider Motive, also dem Motiv nach Konsistenz und dem Motiv nach Inkonsistenz. Der resultierende Effekt wird der sein, wie er in den oben beschriebe­nen Konzepten beobachtet wurde.

Die Annahme eines vom Konsistenzmotiv unabhängigen Motivs macht jedoch noch keine Aussagen über die unter Umständen zugrundeliegenden Motive. Ohne diese Annahme validiert zu haben, soll davon ausgegangen werden, daß das Streben nach Konsistenz und das Streben nach Inkonsi­stenz weitgehend unabhängig voneinander sind, jedoch beide auf einem überge­ordneten Motiv beruhen. Ein solcher Ausgangspunkt läßt alle möglichen Inter­pretationen offen und ist gleichzei­tig ausreichend konkret für das weitere Vorgehen.


[1] Hirschmann, E. C., (1980), S. 283

[2] Wiswede, G., (1991), S. 320

[3] Gierl, H. et al., (1993), S. 104

[4] Im weiteren soll nicht zwischen dem Abwechslungsmotiv und dem Neugiermotiv unterschieden werden.

[5] vgl.: Streufert, S.; Streufert, S. C., (1978), S. 131 ff

[6] vgl.: Maddi, S. R., (1968)

[7] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[8] vgl.: Berlyne, D. E., (1970)

[9] Berlyne, D. E., (1970), S. 280

[10] Berlyne, D. E., (1970), S. 284

[11] vgl.: Thibaut, J. W.; Kelley, H. H., (1959)

[12] vgl.: Irle, M., (1975), S. 184

[13] vgl.: Hirschmann, E. C., (1980), S. 284

[14] vgl.: Irle, M., (1975), S. 185

Kosten der Verarbeitung als Einflußfaktor

„Consumers are subject to limitations in processing capacity. This means that detailed and complex calculations or comparisons among alternatives may be the exeption rather than the rule. Consumers may often use simple heuristics to make comparisons. These heuristics allow adaptation to the potentially complex choices consumers must make.“[1]

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht eine Entscheidungssituation. Eine Entscheidung setzt die Aus­wahlmög­lichkeit zwischen mehreren Alternativen voraus. Bevor eine sinnvolle Ent­scheidung zwischen diesen ge­troffen werden kann, die nicht nur vom Zufall abhängig ist, müssen Informationen über die Alternativen aufgenommen und verarbeitet werden. Selbst die Ent­scheidung zwischen zwei alternati­ven Handlungsmöglichkeiten, die sich stark unterschei­den, bei denen also die eine besonders vorteilhaft und die andere besonders unvorteilhaft erscheint, erfordert ein Minimum an Informationsverarbeitung. Je mehr Alternativen in der Entscheidungs­situation relevant sind und je ähnlicher diese bezüglich der relevanten Entschei­dungskrite­rien wahr­genommen werden, desto aufwendiger ist der Infor­mations­verarbei­tungsprozeß. Ein weiterer Faktor, der das Ausmaß der erforderlichen Informationsbe­schaf­fungs- und Informa­tionsver­arbei­tungs­maß­nahmen bedingt, ist das Maß an Sicherheit, das der Konsument im Au­genblick der Entscheidung haben möchte, um die optimale Alternative auszuwählen.[2] In der Kaufent­scheidungssituation kann der Kon­sument jederzeit die Kaufentscheidung treffen. Je nachdem wieviel Informationen er vor der Entscheidung beschafft und verarbeitet hat, ist es dann mehr oder weniger so, daß er die Entscheidung trifft, bevor alle möglichen Charakteristiken des Produktes verglichen wurden. Dadurch riskiert der Konsument, einen Fehler zu machen, indem er bezüglich be­stimmter Charakteristika des Produktes nicht die optimale Entscheidung trifft oder einen trade-off Prozeß nicht abgeschlossen hat. Der Konsument wird deshalb genauso lange die relevanten Alternativen bezüg­lich ihrer Charakteri­stika vergleichen, bis er den von ihm verlangten Sicherheitslevel erreicht hat.

Da die Informationsverarbeitungskapazität des Menschen begrenzt ist und die Auswahl­entschei­dung meist unter einem gewissen Zeitdruck getroffen werden muß, ist der Konsument darauf angewiesen, seine Informations­verarbeitungs­kapazitäten möglichst ökonomisch einzusetzen, um in der zur Verfügung stehenden Zeit den angestrebten Sicher­heitslevel zu erreichen. Je größer die Sicherheitsansprüche sind, desto größer sind die kognitiven Belastun­gen, weil in vorgegebe­ner Zeit mehr Informationen verarbeitet werden müssen. Wenn von Kosten der Verarbeitung gesprochen wird, sind damit sämtliche An­strengun­gen gemeint, die der Konsument auf sich nehmen muß, um den persönlichen Sicher­heitslevel zu errei­chen, bei dem er bereit ist eine Entscheidung zu treffen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die kogniti­ven Aktivitäten.

Hansen geht darauf ein, inwieweit der vom Konsumenten angestrebte Sicherheitslevel tatsäch­lich erreicht oder statt dessen eine Zwischenlösung angestrebt wird:

„If for a moment the attention is fixed on a problem, wether a solution will be found depends on the tolerable level of conflict. If this level is high, the choice process may terminate with a ‚commitment‘ to a solution that still is quite conflicting and does not resolve the complex co­gnitive structure by which the problem is represented. In such a case elements of the problem can be neglected and a semi-solution can be established, but the conflict is likely to be re­aroused. If, however, the tolerable amount of conflict is low, a considerable higher degree of consistency is required before a solution is deemed acceptable, which increases the likelyhood that the problem really is solved.“[3]

Dieses Zitat wirft eine weitere Frage auf: Verändert sich die Motivation, eine befriedigende Entscheidung zu treffen und damit die Motivation zur Informationsverarbeitung im Laufe des Informationsverarbei­tungsprozesses, also mit abnehmendem Konflikt?

Die Entscheidungssituation stellt den Konsumenten vor ein Informations­verarbeitungs­problem. Es gibt bestimmte Ziele, die durch die Entscheidung erreicht werden sollen und es existiert ein bestimmtes Maß an Unsicherheit, ob einzelne Produkte diese Ziele erfüllen. Gleichzeitig steht der Konsument unter Zeit­druck. Er wird Schritte einleiten, um die Unsicher­heit zu reduzieren und in der vorgegebenen Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen. Es gibt verschiedene Meinungen dazu, wie sich das Bedürfnis nach Information auf dem Weg bis zum angestrebten Sicherheitslevel entwickelt. Es geht also um folgende Frage: Verändert sich das Bedürfnis nach Information vom Beginn des Entscheidungs­prozesses bis hin zu dem Punkt, wo der Sicherheitslevel erreicht wird? Das Bedürfnis nach Information sollte logischerweise genauso stark sein wie das Bedürfnis, den Sicher­heitslevel zu erreichen, da es sich hieraus ableitet. Das Bedürfnis, diesen Sicherheitslevel zu erreichen, ist nichts anderes als das Konsi­stenzmotiv oder das Motiv nach Risikoreduktion, da es sich bei der Situation um eine inkonsi­stente oder eine Risikosituation handelt. Eine ungewisse Situation ist in­konsistent, weil die An­forderungen an eine zufrieden­stellende Entscheidung nicht mit der empfun­denen Ent­scheidungs­situation übereinstimmen. Der akzeptierte Unsicherheit­slevel ist nichts anderes als das gerade noch akzeptierte Maß an Inkonsistenz oder der Risikotoleranzlevel, wobei bei den letzten beiden die Bedeutung der Situation noch eine Rolle spielt. Eine größere Unsicherheit wird als inkonsistent empfunden, weil sie nicht mit den Sicher­heitsansprüchen übereinstimmt. Verstärkt wird das Konsistenzmo­tiv durch Informationen, die den inkonsistenten Zustand in ei­nen konsistenten überführen. Durch Informationsaufnahme steigt die Vertrautheit mit der Situation oder dem Produkt und damit wird die Inkonsistenz der Situation abgebaut.

Howard fordert in seiner Theorie des Kaufentscheidungsverhaltens, die auf den Zusammen­hang zwi­schen Produktvertrautheit und quantitativer Informations­beschaffung eingeht, daß der Informationsbedarf mit zunehmender Vertrautheit mit dem Produkt und dem Markt ab­nimmt.[4] Das bedeutet im Rückschluß, daß mit abnehmender Inkonsistenz, also je näher der angestrebte Sicherheitslevel rückt, die Neigung diese Inkonsistenz abzubauen, abnimmt.

Bettman und Park fordern dagegen einen Verlauf, der einer umgekehrten U-Kurve entspricht. Sie kommen zu der Überzeugung, daß Konsumenten mit mittlerer Produkt­vertrautheit informations­verarbeitungswil­liger sind, während wenig und sehr vertraute Konsumenten dazu neigen, Beurtei­lungsaufgaben zu verein­fachen. Sie verlassen sich auf solche Merkmale, die als „chunks“ be­zeichnet wurden.[5]

Insgesamt herrscht in der Literatur Uneinigkeit darüber, ob eine große Vertrautheit zu einem gesteigerten oder zu einem reduzierten Informationsbedarf führt und ob mittelmäßig vertraute Personen, wie Bettman und Park dies fordern, eher in der Lage sind, Informationen zu verarbei­ten, als die beiden anderen Gruppen.

Bettman[6] stellt fest, daß die Wahrscheinlichkeit einer intensiven kognitiven Beschäftigung mit den Alternativen von zwei Faktoren abhängig ist, nämlich von der Motivation, dies zu tun und von der Fähig­keit, sich mit diesen Daten auseinandersetzen zu können. Er konnte in seiner Studie feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit, sich intensiv mit den Alternativen auseinanderzu­setzen, bei einem mittleren Maß an Erfahrung mit der Marke am größten ist. Bei geringerer oder größe­rer Erfahrung ist diese Bereitschaft, also mehr kognitive Energie zu investieren, geringer. Im ersten Moment erscheint dieses Ergebnis den Erkenntnissen der Theorien des Such- und Ent­deckungsverhaltens zu widersprechen. Diese fordern, daß vor allem im unteren und im oberen Bereich der Vertrautheit das SEV zu beobachten ist. Trotzdem sind die Ergebnisse kompatibel. Bei zu geringer Gewöhnung äußert sich das SEV durch Markentreue und der Beschäftigung mit der Marke an sich. Der kognitive Aufwand ist entsprechend gering. Bei zu großer Gewöhnung setzt auch SEV ein. Dies äußert sich im Fall der Theorien des SEVs im Zusammenhang mit der Kaufentscheidung zum Beispiel durch Markenwechsel. Für Bettman ist der Punkt der großen Erfah­rung mit der Marke jedoch nicht dort, wo schon eine Sättigung eingesetzt hat. Das heißt, andere Marken werden noch nicht in Erwägung gezogen. Demnach betrachtet Bettman bei seiner Untersuchung nur den Bereich bis zum optimalen Punkt der Theorien des SEV. Der Punkt, den Bettman den Punkt mit großer Erfahrung nennt, liegt ungefähr im optimalen Aktivierungslevel, in dem aufgrund der Zufriedenheit die kognitive Aktivität gering ist.

Des weiteren ist die quantitative Nutzung von Informationen abhängig von der Anzahl der verfügbaren Merkmale. Mit steigender Anzahl verfügbarer Merkmale nimmt die Anzahl genutz­ter Informationen zwar zu, gemessen an der insgesamt zur Verfügung stehenden Informations­menge jedoch ab.[7]

Wie schon angedeutet wurde, ist reine Informationsverarbeitung nicht die einzige Möglich­keit, die Unsicherheit zu reduzieren. Es gibt andere Strategien, die ebenfalls in der Lage sind dies zu erreichen und zwar mit geringeren Verarbeitungskosten. Shugan führt drei Mög­lichkeiten an: „The cost of thinking can be reduced by (1) memory, (2) summary statistics, and (3) pro­babilistic sampling.“[8] Der erste Punkt macht sich im Rahmen des Kaufentscheidungsprozes­ses zum Beipiel durch Markentreue bemerkbar. Auch die Ent­scheidung für die Markentreue muß, wie schon ausgeführt, nicht zwangsläufig ohne jegliche Informationsverarbeitung abzulau­fen. Bettman[9] stellt insgesamt zehn verschiedene Auswahlheuristiken zusammen (z.B.: konjunktive, disjunktive, lexikografische usw.). Eine der dargestellten Heuristiken ist die „affekt referral“-Heuristik. „In affect referral, a consumer does not examine attributes or beliefs about alternatives, but simply elicits from memory a previously formed overall evaluation for each alternative. Thus the evaluation process is wholistic.“[10] Bei dieser Auswahlheuristik werden nicht einzelne Attribute des Produktes, sondern die mit der Alternative verbun­denen Affekte miteinander verglichen. Das Auswahlkriterium ist der Maximie­rungsgrundsatz, das heißt, die Alternative, die mit dem angenehmsten Affekt verbunden ist, wird ausgewählt. Dies scheint die angemessene Auswahlheuristik zu sein, um den Entscheidungspro­zeß bei Markentreue zu betrachten. Dieser Auswahlprozeß ist in der Lage, sehr komplexe Auswahlentscheidungen auf ein Minimum an kognitiver Anstrengung zu reduzieren. Der zweite Punkt von Shugan kann als die Hinzuziehung von Urtei­len, die auf den durchschnittlichen Urteilen einer breiten Mehrheit beruhen, interpretiert werden. Ein gutes Beispiel ist die Entschei­dungs­unterstützung durch die Zeitschrift „test“, die bei ihren Urteilen allgemein anerkannte Wertmaßstäbe zugrunde legt. Wenn die dritte Option angewendet wird, bedeutet dies, daß nur eine begrenzte Anzahl von Attributen der Marken verglichen werden. Dabei wird mit großer Wahrschein­lichkeit davon ausgegangen, daß sich von der Ausprägung dieser Attribute auf die gesamte Eignung der Marke schließen läßt.

Zu jedem Zeitpunkt, des Produktauswahlprozesses, existieren zwei Hand­lungsalternativen. Die erste Alternative besteht in der Auswahl des aktuell am attraktivsten erscheinenden Produktes. Die zweite Alternative besteht darin, weitere Überlegungen und Informationsbeschaffung zu betreiben. Wenn man in einem Koordinatensystem die Zeit auf der Abszisse und den wahrgenommenen Konflikt auf der Ordinate darstellt, bildet die erste Hand­lungsalternative eine fallende Kurve und die zweite Handlungsalternative eine steigende Kurve. Je nachdem, wie in der Entscheidungssituation das ursprüngliche Risikopotential war und wie hoch der Risikotoleranzlevel liegt, sind verschiedene Situationen vorstellbar (siehe Abb. 4). Wenn in Situation 1 davon ausgegangen wird, daß der Risikotoleranzlevel 1 gilt, dann kann bezogen auf Entscheidungssituation C die Entscheidung ohne jedes weitere SEV getroffen werden. Wenn in der gleichen Entscheidungs­situation allerdings Risiko­toleranz­level 2 gilt, dann muß in gewissem Maße SEV durchge­führt werden, bis das wahrgenommene Risiko gleich dem Risikotoleranzlevel ist (Situation 2). In der Ent­scheidungs­situation A wird zwar nach langer Zeit auch irgendwann der Risikotoleranzlevel erreicht, vorher ist jedoch der wahr­genommene Konflikt durch zusätzliches SEV so groß, daß dieser sogar den Konflikt durch das noch bestehende Risiko bei einer unmittelbaren Entscheidung übertrifft (Situation 3). Wenn der Konflikt aufgrund des wahrgenommenen Risikos gleich dem Konflikt aufgrund zusätzlichen SEV ist, dann wird die Entscheidung getroffen.[11]

Abb. 4 (Entscheidungsprozeß)
Abb. 4 (Entscheidungsprozeß)

Die Menge der notwendigen kognitiven Energie für die Informationsverarbeitung ist von dem wahrge­nommenen Risiko und der aufgrund dessen ausgewählten Auswahlheuristik[12] abhängig. „Consumer spend different amounts of energy on various choices, and these differences must be explained in terms of varying amounts of motivation at the time of the choice.“[13] Hansen schlägt vor, daß ein U-förmiger Zusammenhang zwischen dem Konflikt und der Komplexität des Auswahlprozesses besteht. Die geringste Komplexität liegt dann vor, wenn der Punkt des tolerierbaren Konfliktes erreicht ist. Mehr oder weniger Konflikt erfordern kom­plexere Auswahlprozesse, entweder auf der Suche nach Stimulation oder beim Problemlösen. Aller­dings steigt die Komplexität der Problemlösungsprozesse nicht monoton an. Vielmehr wird davon ausgegangen, daß Vermeidungsverhalten auftritt und das Komplexitäts­niveau spontan reduziert wird, wenn der wahrgenommene Konflikt ein bestimmtes Niveau übersteigt.[14]


[1] Bettmann, J.R., (1979), S. 176

[2] vgl.: Shugan, S. M., (1980), S. 101

[3] Hansen, F., (1972), S. 154

[4] vgl.: Howard, J.A., (1977)

[5] vgl.: Bleiker, U., (1983), S. 192f

[6] vgl.: Bettman, J. R.; Park, C. W., (1980), S. 244

[7] vgl.: Bleiker, U., (1983), S. 133ff

[8] Shugan, S. M., (1980), S. 109

[9] vgl.: Bettmann, J.R., (1979)

[10] Bettmann, J.R., (1979), S. 179

[11] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 155 ff

[12] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 158

[13] Hansen, F., (1972), S. 65

[14] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 160

Involvement als möglicher Erklärungsansatz

Involvement ist ein theoretisches Konstrukt, das erstmals 1965 von Krugman[1] im Zusammen­hang mit seiner Untersuchung über Werbewirkungen benutzt wurde. In den folgenden Jahren wurde die Bedeutung dieses Konstruktes erkannt und erfuhr Erweiterungen bezüglich des Anwendungsbereiches, der Operatio­nalisierung und der Wirkungsvariablen. Der allgemeine Konsens bezüglich der Bedeutung des Konstruk­tes kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Variable von verschiedenen Forschern unter­schiedlich interpretiert wird.[2]

Zwei Definitionen aus der Literatur sollen hier beispielhaft angeführt werden.

Kroeber-Riel:

„Unter Involvement versteht man die innere Beteiligung, das Engagement mit dem sich die Konsumenten der Kommunikation zuwenden.

…, daß das Involvement der Konsumenten durch persönliche, situative und reizabhängige Einflüsse bestimmt wird.“[3]

Bleiker definiert Involvement so:

„Zusammenfassend kann Involvement als eine Variable betrachtet werden, die das Ausmaß der Beziehung eines Stimulus zum Ego, zu zentralen persönlichen Werten angibt. Involvement drückt das Ausmaß der Beziehung zwischen einem Stimulus und dem individuellen Wertsystem aus“.[4]

Die Bedeutung des Involvements für diese Untersuchung wird durch die Ergebnisse einer Studie von Lastovicka und Gardner[5] deutlich. Sie stellt heraus, daß sich hoch und niedrig involvierte Personen bezüglich der Komplexität ihrer kognitiven Struktur unterscheiden. Dies bedeutet, daß hoch involvierte Personen eine größere Anzahl von Eigenschaften zur Bewertung eines Produktes heranziehen und diese Merkmale auch gleichgewichtiger verarbeiten als weni­ger involvierte Personen. Da der Rückgriff auf Markentreue gleichbedeutend ist mit einer drastischen Reduzierung der in den Entscheidungspro­zeß einbezogenen Informationen, könnte man sich von der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Involvement und Markentreue interessante Ergebnisse erhoffen.

Aufgrund der allgemeinen Unsicherheit über die Definition des Begriffs Involvement und weil schon die Bereiche Dissonanz und Risiko behandelt werden, wird der Zusammenhang zwischen Involvement und Markentreue nicht näher untersucht. Trotzdem wurde im Laufe dieser Arbeit eine Verwendung des Elaboration Likelyhood Model[6] in Betracht gezogen. Auch dieses Modell erschien zur Ergründung der Hin­tergründe für markentreues Verhalten sehr geeignet, wird jedoch aus Platzgründen nicht behandelt. Bei näherer Betrachtung erscheint es auch, daß die Konstrukte Dissonanz, Risiko und Involvement zu viel gemeinsam haben, als daß die ausführli­che Behandlung des letzteren notwendig erscheint. So sind die Faktoren, die die Stärke des Involvements bedingen vermutlich gleich den Kon­sequenzen und der Unsi­cherheit im Rahmen der Risikotheorie. Während Risiko und Dissonanz jedoch grund­sätzlich negative Aspekte beinhalten, ist dies beim Involvement nicht unbedingt notwendig.

Im Rahmen der Produktauswahl für die empirische Untersuchung wird nochmals auf das Kon­strukt Involvement eingegangen. Außerdem werden im Fragebogen Items zur Ermittlung des Involvements enthalten sein, um damit unter Umständen das Residuum zu reduzieren.

Im weiteren soll das Konstrukt Involvement wie folgt definiert sein:

Involvement ist ein Konstrukt, das darüber Auskunft gibt, inwieweit, die mit der Kaufent­scheidung zu treffenden Abwägungen für den Konsumenten von Bedeutung sind.


[1] vgl. Krugman, H. E., (1965), S. 349-356

[2] vgl. Bleiker, U., (1993), S. 139 ff

[3] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 89-90

[4] Bleiker, U., (1993), S. 143

[5] vgl. Lastovicka, J. L.; Gardner, D. M., (1979), S. 87-92

[6] vgl.: Petty, R. E.; Cacioppo, J. T.; Schumann, D., (1983) und Petty, R. E.; Cacioppo, J. T., (1986)