Vorwort zu den theoretischen Grundlagen

Es bestehen zahlreiche Querverbindungen und Überschneidungen der im folgenden dargestell­ten Theori­en in bezug auf die Markentreue. Im Idealfall wäre eine simultane Vermittlung aller Aspekte in bezug auf die verschiedenen Theorien angebracht. Da sich dies nicht übersichtlich realisieren läßt, lassen sich wiederholte Ausführungen gleicher Sachverhalte nicht vermeiden. Um dies auf ein Mindestmaß zu redu­zieren, erfolgen immer wieder Verweise auf andere Stellen innerhalb der Arbeit. Einzelne Sachverhalte werden unter Umständen nicht sofort bis in die letzte Konsequenz analysiert, die Lesbarkeit der Arbeit soll dadurch jedoch erheblich gefördert werden. Es wird so sein, daß auch in den letzten Kapiteln noch wichtige Zu­sammen­hänge dargestellt werden, die Einfluß auf Sachverhalte haben, die schon wesentlich früher angesprochen wurden. Am Ende des theoretischen Teils erfolgt eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte. Insgesamt wird versucht, die Kapitel nach ihrer Wichtigkeit und Aussagekraft für das gesamte Konzept zu ordnen, um dem Leser einen möglichst wider­spruchs­freien und leicht verständlichen Einstieg in die Zusammenhänge zu ermöglichen. Der theoretische Teil ist als Ganzes, in sich abgeschlos­sen und leitet auf das aufzustellende Konzept und dessen Operationa­lisierung hin.

„Brand loyalty may be seen as resulting from a psychological tendency to apply less and less complex choice processes and an opposing force resulting from a psychological tendency to avoid trivial situati­ons and from environmental changes that interfer before the latter tenden­cy ever goes to work. Loyalty may also result for a completely different reason. Even where ratio­nal choice processes dominate, the same brand may repeatedly be chosen simply becau­se it remains the most attractive.“[1]


[1] Hansen, F., (1972), S. 322

Marke

Das Wort Marke leitet sich aus dem Wortstamm „markieren“ ab und bedeutet, daß ein Produkt einen Namen oder ein Zeichen zugeordnet bekommt. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Be­triebswirtschaftslehre, hat mittlerweile jedoch auch in der Wirtschaftspsychologie, vor allem in der englischsprachigen Literatur, einen festen Platz erworben. Es gibt eine große Anzahl von unterschiedlichen Definitionen, die verschiedene Aspekte des Phänomens beleuchten und sich deshalb ergänzen. Um die Breite der möglichen Definitionen des Begriffes Marke zu demonstrieren, werden zwei Varianten aus der Literatur angeführt und kommentiert.

Kotler[1]: „Eine Marke ist ein Name, Begriff, Zeichen, Symbol, eine Gestaltungsform oder eine Kombina­tion aus diesen Bestandteilen, zum Zweck der Kennzeichnung der Produkte oder Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Anbietergruppe und zu ihrer Differenzierung ge­genüber Konkurrenzangeboten.“

Gotta[2]: „Eine Marke ist eine Mixtur aller rationalen und nichtrationalen Werte, die durch einen zeichen­rechtlich schutzfähigen Namen unverwechselbar repräsentiert wird.“

Diese beiden Definitionen zusammen erfassen die wichtigsten Sachverhalte, die den Begriff Marke ausmachen. So wird auf die Notwendigkeit der Kennzeichnung hingewiesen. Kennzeich­nung ist wichtig, da ansonsten eine Wiedererkennung als eines der obersten Ziele der Marken­politik nicht möglich ist. Der Konsument muß die Möglichkeit haben, im Rahmen eines Lern­pro­zesses die gemachten Erfahrun­gen mit dem Produkt dauerhaft verbinden zu können. Auch um Informationen rationaler oder irrationaler Art, die durch Werbung, Mund­propaganda oder Sponsoring, unter Umständen sogar unterbewußt auf­genommen werden, speichern zu können, sind gewisse Fixpunkte notwendig. Nur durch die Markierung ist eine Differenzierung von Konkurrenz­an­geboten mit sonst gleichen Eigen­schaften möglich. Zusätzlich sind diese Marke und die damit verbundenen rationalen und irrationalen Eigenschaften zeichenrecht­lich schutzfä­hig, was von er­heblichem finanziellen Vorteil sein kann. Aus der Definition von Kotler geht darüber hinaus hervor, daß es neben Marken, die nur für ein einziges Produkt stehen, auch Marken gibt, die für mehrere Produkte, ein Sortiment von Produkten oder das gesamte Produkt­angebot des Unternehmens stehen.

Für diese Arbeit wird folgende, sehr weit angelegte Definition vereinbart: Marke ist ein Name, Begriff, Zei­chen, Symbol, eine Gestaltungsform oder eine Kombi­nation aus diesen Bestandtei­len für ein Leistungs­bündel[3], das dermaßen gestaltet ist, daß es von Kon­kurrenz­angeboten eindeutig unterschieden werden kann. Unter Marke wollen wir im Rahmen dieser Ausarbeitung nur Monomarken verstehen. Das bedeutet, daß wir nur die einzelne Einheit betrachten, die im Rahmen einer Kaufhandlung erworben wird und jede identische Einheit, die das gleiche Er­schei­nungsbild und die gleichen, für den Konsumenten wichtigen Eigenschaften hat. Line Extensions, also Sortimenterweiterungen im Rahmen des Dachmarken­konzep­tes, sind damit nicht die gleiche Marke wie die Dachmarke.

An dieser Stelle erscheint die Frage berechtigt, ob es nach dieser Definition überhaupt noch Produkte gibt, die keine Markenprodukte sind. Die Frage wird für diese Arbeit wie folgt beantwortet: Wenn der Konsument in dem Moment, in dem er an eine klar abgrenzbare und identi­fizierbare Einheit des Produktes denkt, damit bestimmte Eigenschaften verbindet, handelt es sich um ein Markenpro­dukt. Voraussetzung ist, daß er von einer weitgehend gleich­bleibenden Qualität ausgeht. Es wird keine Unterscheidung in Markenpro­dukte und markierte Produkte vorgenommen. So kann zum Beispiel im Extremfall ein Sack Korn von Bauer „X“, der mit dessen Namen versehen ist, ein Markenprodukt sein, wenn der Abnehmer von gewissen Qualitäts­eigenschaften des so gekennzeichneten Korns ausgeht.

Die Definition, wie sie oben festgeschrieben ist, wurde gerade deshalb ausgewählt, weil sie den Begriff Marke sehr weit faßt und trotzdem die für diese Arbeit entscheidenden Merkmale, wie Unterscheidbarkeit von Konkurrenzangeboten, Mono­marke und Identität zwischen den einzelnen gekauften Einheiten, her­aus­stellt.


[1] Kotler, Ph., (1992), S. 641

[2] Gotta, M., (1988), S. 38/39

[3] vgl.: Engelhardt W. H.; Kleinaltenkamp, M.; Reckenfelderbäumer, M., (1993)

Markentreue

Allgemeine Grundlagen

Es gibt in der Literatur eine ganze Reihe verschiedener Definitionen des Begriffs Marken­treue.[1] Allen gemeinsam sind zwei Aussagen. Die erste notwendige Eigenschaft dafür, daß man von Markentreue sprechen kann, ist die, daß die Käufe nicht zufällig erfolgen, sondern bestimmte Marken signifikant mehr gekauft werden, als dies durch Zufall zu erklären wäre. Als zweite notwendige Eigenschaft wird gefordert, daß markentreue Konsumenten eine positive Einstellung zu ihrer Marke haben.[2]

Darüber hinaus kann man die verschiedenen Konzepte der Markentreue in drei Kategorien einordnen[3]: behavioristische Markentreue-Konzepte, einstellungsorientierte Markentreue-Konzepte und einstellungsgeprägte Verhaltenskonzepte der Markentreue.

Behavioristische Markentreue-Konzepte sind solche, die sich in erster Linie mit dem gezeig­ten Verhalten beschäftigen und die zugrundeliegenden Einstellungen gar nicht oder nur am Rande be­handeln. Zu diesen Konzepten zählen das Kaufreihenfolge-Konzept, das Markt­an­teils-Konzept, das Markenanzahl-Konzept, das Kaufzeitpunkt-Konzept und das Wieder­kaufwahrscheinlichkeits-Kon­zept. Insbeson­dere die stochastischen Marken­aus­wahl-Model­le, die auf dem Konzept der Wieder­kauf­wahr­schein­lichkeit beruhen, haben in der angel­sächsischen Literatur große Beachtung und Verbreitung gefunden und werden dort oft als operationale Definitionen gebraucht. Aus diesem Grun­de und weil einige der im folgen­den gemachten Aussagen auf Unter­suchungen beruhen, die sich auf solche Modelle bezie­hen, sollen die wichtigsten hier kurz dargestellt werden. Es gibt noch eine große Anzahl wei­terer Modelle, die aber meist nur Kombinationen der hier aufgeführten sind. Implizit schließt sich das später erarbeitete Modell an die Betrachtungsweise des Linearen Lernmo­dells und des „new trier“- Modells an. Eine Kritik der verschiedenen Modelle würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für eine Kritik der Modelle und Anwendungsbeispiele siehe Massy[4] oder zusammenfas­send Wierenga[5] oder Nolte[6].

Das Bernoulli-Modell

Modelle dieser Gruppe haben gemeinsam, daß das mögliche Verhalten dichotomisiert wird. Es gibt nur zwei Verhaltensweisen, entweder „1“ = die interessierende Marke wird gekauft oder „0“ = eine an­dere Marke wird gekauft. Die Entscheidung zwischen diesen beiden Ver­haltensweisen wird als Zufallsvariable betrachtet. Von einer Zufallsvariablen wird gesagt, daß sie eine Bernoulli-Verteilung hat, wenn sie nur zwei Werte annehmen kann, nämlich 1 und 0. Der Auswahlprozeß wird Bernoulli-Prozeß genannt, wenn die Marke 1 mit der Wahrscheinlichkeit p und die Marke 0 mit der Wahrscheinlichkeit (1-p) ausgewählt wird. Die Kaufhistorie hat bei dieser Betrachtung keine Auswirkung auf die anstehende Kaufent­scheidung, da die Wiederkauf­wahrschein­lichkeit durch p vorge­geben ist. Es existie­ren homogene und heterogene Bernoullimodelle. Der Unterschied zwi­schen diesen besteht in der Verteilung der Wiederkauf­wahr­schein­lich­keit. Während beim homogenen Modell die Wahrscheinlichkeit p für alle Individuen gleich ist, ist beim heterogenen Modell diese Wahr­scheinlichkeit p über die Gesamtheit verteilt. Das bedeutet, es gibt Konsumenten mit einer hö­heren und solche mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit, der Mittelwert ist jedoch immer p.

Das Markov-Modell

Dieses Modell geht auf den russischen Mathematiker Markov zurück.[7] Charakteristikum dieses Mo­dells ist, daß die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die alternativen Marken in zu­rückliegenden Peri­oden ermittelt und aus dieser Verteilung die Wahrscheinlichkeit für mar­kentreues Verhalten in der kommenden Periode berechnet wird. Das Modell geht davon aus, daß nur einige wenige zurückliegende Käufe einen Einfluß auf das Kauf­verhalten haben. Das meistbenutzte Modell ist das „first order Markov Model“. Für dieses spezielle Markov-Modell ist nur die letzte Kaufhandlung für die aktuelle Kaufent­scheidung relevant. Alle vor der letzten Kaufhandlung liegenden Käufe haben demnach kei­nen Einfluß mehr auf die ak­tuelle Ent­scheidungssituation. Es wird wieder unterschieden zwi­schen einer homogenen und einer heteroge­nen Variante. Während bei der homogenen Varian­te jeweils einheitliche Übergangswahrschein­lich­keiten für die gesamte Population ermittelt werden, wird bei der heterogenen Variante von einer Streuung ausgegangen. Das heterogene Modell vereint da­mit zwei positive Eigenschaften: Erstens wird die Kaufhistorie in Betracht gezogen und zweitens werden nicht alle Individuen gleich behandelt. Da bei diesem Modell, im Gegen­satz zum Bernoulli-Modell, nicht nur zwei Zustände relevant sind, sondern schon beim Zwei-Produkt-Markt vier Übergangswahrscheinlichkeiten existieren, sind min­destens zwei Wahrscheinlichkeiten zu dessen Beschreibung notwendig. Bei dem n-Produkt-Markt steigen die notwendigen Wahrscheinlich­keiten ent­sprechend. Für jede dieser Wahrschein­lich­keiten müßte eigentlich eine eigene Verteilung ermittelt werden. Um die Komplexität zu re­duzieren, werden in der Praxis meist Relationen zwischen den verschiedenen Wahrschein­lichkeiten festgesetzt, so daß letztendlich nur noch eine Wahr­scheinlichkeit p untersucht werden muß.

Das lineare Lern-Modell

In einem „first-order Markov model“ kann die Wiederkaufwahrscheinlichkeit in Abhängig­keit von dem in der Vorperiode erworbenen Produkt nur zwei Werte annehmen. Beim linea­ren Lernmodell ist die Situation komplizierter: Die Wahrschein­lich­keit eines Wiederkaufes im Zeitpunkt (t+1) also p(t+1) ergibt sich aus der Formel: pt+1 = e+gpt.

Im Zwei-Produkt-Fall, den wir hier betrachten wollen, weil er der in der Literatur meistbe­han­delte ist, existieren zwei Formeln, die den Einfluß einer bestimmten Kaufhandlung im Zeit­punkt t auf die Kaufwahrscheinlichkeit im Zeitpunkt t+1 determinieren. Es gibt eine Formel, die die Wahrscheinlich­keit für Produkt 1 in t+1 bestimmt, wenn Produkt 1 in t gewählt wurde, und es gibt eine Formel, die die Wahr­schein­lichkeit für Produkt 1 in t+1 bestimmt, wenn Produkt 1 in t nicht gewählt wurde. Die Formeln sind simple Geraden­gleichungen. Aus diesem Grunde läßt sich das Modell sehr einfach graphisch darstellen. Die Parameter in den Geraden­gleichungen werden durch Schätzverfahren aus der Kaufhistorie ermittelt.

Das probabilistische Diffusionsmodell

Bei diesem erst in neuerer Zeit entwickelten Modell ist die Wiederkaufwahrschein­lich­keit unab­hängig von der Kaufhistorie. Insoweit handelt es sich eigentlich um ein Bernoulli-Mo­dell. Bei dem probabilistischen Diffusionsmodell wird jedoch nicht angenommen, daß die Wiederkauf­wahrschein­lichkeit vom Zufall abhängig ist. Statt­dessen wird die Wiederkauf­wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von externen Effekten gesehen.[8]

Das „new trier“-Modell

Dieses Modell gliedert die Entwicklung der Wiederkaufwahrscheinlichkeit in zwei Phasen. In der er­sten Phase wird davon ausgegangen, daß der Konsument wahllos verschiedene Marken ausprobiert. Der Auswahlprozeß gleicht also einem Bernoulli­prozeß. Im Anschluß an diese Phase findet eine Bewertung aller Marken statt. Dadurch ändern sich die Wieder­kaufwahr­scheinlichkeiten abrupt, blei­ben dann jedoch für die folgenden Kaufentscheidun­gen gleich. Es liegt also erneut ein Bernoullipro­zeß vor. Darüber hinaus wird jeder Marke nicht nur eine Wiederkaufwahrscheinlichkeit, sondern auch eine Ablehnungswahrschein­lichkeit zugeord­net. Diese Ablehnungswahr­schein­lichkeit nimmt mit abnehmender Rate von Kauf zu Kauf zu und nähert sich einem Grenzwert. Dies führt jedoch nicht dazu, daß die Wiederkaufwahr­scheinlichkeit abnimmt. Diese bleibt vielmehr während des gesamten Prozesses gleich oder wird im Falle des Eintretens der Ablehnung gleich Null.[9]

„Zusammenfassend kann man sagen, daß sich die skizzierten modell-theoretischen For­schungsstra­tegien kaum zur Erklärung des Treueverhaltens eignen. Sie zeichnen sich je­doch durch wenige und einfach zu beschaffende Variablen aus, um unter Berücksichtigung ab­satzpolitischer Aktivitäten die Markentreue bzw. den Markenwechsel in der Zukunft zu pro­gnostizieren.“[10]

„The degree to which loyalty to brand names may be said to exist is partially a function of the method of measurement and individual interpretation.“[11]

Wie die beiden Zitate andeuten, ist Markentreue ein hypothetisches Konstrukt, dessen De­finition dem Belieben des Forschers unterliegt. Zwar kann man mit Hilfe dieses Kon­struk­tes ermitteln, ob Markentreue nach der selbstkonstruierten Definition vorliegt und prognosti­zieren, ob die Indikatoren dieses Konstruktes auch in Zukunft zu beobachten sein werden, die beschriebenen Modelle helfen je­doch nicht bei der Frage, wieso die Indikatoren auftre­ten. Aus diesem Grunde werden die oben be­schriebenen Modelle im Rahmen dieser Arbeit nur am Rande behandelt.

Besser geeignet sind die einstellungsorientierten Modelle.

Einstellungsorientierte Markentreue-Konzepte sind solche, die die Markentreue in Einstel­lungskate­gorien definieren und die Verhaltenskomponente nur insoweit beachten, als davon ausgegangen wird, daß Einstellungen zu einer entsprechenden Markenauswahl führen. Zu diesen Konzepten gehören das Markenpräferenz-Konzept, das Wiederkaufabsichts-Konzept und das Substitutions­bereitschafts-Konzept. Bisher existieren relativ wenige ausformulierte einstellungsorientierte Modelle. Der größte Mangel der existierenden Modelle be­steht darin, daß keine Aussage über den Zusammenhang zwischen der Einstellung als Indika­tor und der tatsächlich ausgeführten Kaufhandlung gemacht wird. Fazio trifft im Rahmen sei­ner Untersuchung eine Aussage, die darauf schließen läßt, daß der Zu­sammenhang bei mar­kentreuen Einstellungen relativ hoch ist. „Previous research has demonstrated that beha­viour is more accurately predicted from attitudes formed via direct, behavioral in­teraction with the attitude object than from attitudes developed via indirect, nonbehavioral experience.“[12] Da Markentreue immer mit einer Erfahrung mit dem Produkt ver­bunden ist, trifft diese Aussage auf Markentreue-Einstellung zu.

Einstellungsgeprägte Verhaltenskonzepte der Markentreue sind solche, die beide Kompo­nen­ten ausführlich behandeln und die funktionale Abhängigkeit zwischen beiden als konsti­tutiv betrachten. Sie sind dadurch näher an der Realität, haben aber oft den Nachteil, we­sentlich komplexer zu sein. Trotzdem gelingt es auch diesen Modellen nicht, den Zu­sam­menhang zwischen Einstellungen und Kaufhandlungen eindeutig zu klären.[13]

In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf den Einstellungen. Es werden keine Kaufhand­lungen beob­achtet, sondern nur Einstellungen, Emotionen und Erregungs­potentiale durch Befragung ermit­telt. Zwar wird eine Wahr­schein­lichkeit für einen Wieder­kauf erfragt werden, diese ist jedoch eher im Sinne der konotativen Komponente der Einstellung als im Sinne eines Verhaltens zu inter­pretieren.

Explikation und Diskussion einer Begriffsabgrenzung

Die wichtigsten Gesichtspunkte des Phänomens Markentreue faßt Jacoby in der folgenden Definition zusammen. Es muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß auch diese Definition keine Aussage darüber macht, warum es zu Markentreue kommt, obwohl Jacoby[14] dies behauptet. Vielmehr liefert diese Defini­tion nur ein Set von sechs notwendigen und zusammen hinreichen­den Bedingungen, um zu entscheiden, ob es sich um Markentreue handelt oder nicht. Für den entscheidenden Faktor seiner Definition (bias), führt Jacoby darüber hinaus eine behavioristische Operationalisierung an, die nichts mit dem durch Einstel­lungen geprägten „bias“ zu tun hat. Damit erfüllt Jacoby zwar nicht die Ansprüche, die er an seine Defini­tion stellt[15], für die Zwecke der vorliegenden Arbeit ist die Definition jedoch ausreichend, (BL=brand-loyalty):

„…BL is (1) the biased (i.e., nonrandom), (2) behavioral response (i.e., purchase), (3) ex­pres­sed over time, (4) by some decision-making unit, (5) with respect to one or more alter­native brands out of a set of such brands, and (6) is a function of psychological (decision-making, evaluative) proces­ses.“[16] [17]

Die Punkte (1) und (6) können zusammenfassend interpretiert werden. Sie drücken aus, daß die Kaufent­scheidung keine Zufallsentscheidung ist, sondern aufgrund von Bewertungen zustande kommt. In diese Bewertungen gehen dabei nicht nur die aktuell wahrgenommenen Eigen­schaften der Marke ein, sondern zusätzlich auch Einstellungen, die aufgrund vorhergehender Erfahrungen oder früherer Informations­auf­nahme gebildet wurden. Dabei setzt diese Defini­tion nicht voraus, daß bei jeder Entscheidung eine umfangreiche Bewertung stattfinden muß. Am Ende dieses Informationsverarbeitungsprozesses steht auf jeden Fall eine Einstellung dem Produkt gegenüber. Der Punkt (1), also die Voreinge­nom­men­heit, ist der zentrale Punkt in der Definition von Jacoby, da alle anderen Bedingungen entweder sehr nahe an anderen in der Literatur vertretenen Definitionen bleiben oder sich aus dem Zusammenhang von selbst erge­ben.[18]

Aufgrund der semantischen Bedeutung des Wortes „Treue“ (oder auch „loyalty“), wird eine Dauerhaftigkeit und eine Bindung an die Marke gefordert. In diesem Sinne wird der Teil (3) zu interpretieren sein. Schon ein zweiter Kauf einer Marke kann als Markentreue bezeichnet werden, wenn die übrigen Bedingungen erfüllt sind.

Aus (5) geht hervor, daß sich Markentreue nicht auf eine einzige Marke beschränken muß. Es werden grundsätzlich zwei Arten von Markentreue unterschieden: Mono-Loyalität und Dual- oder Multi-Loyali­tät[19]. Unter Mono-Loyalität wird die Neigung zu regelmäßigem Kauf ein- und derselben Marke verstan­den. Unter Dual- oder Multi-Loyalität verstehen wir die Neigung zum regelmäßigen Kauf zweier oder einiger weniger Marken. Für diese Untersuchung wollen wir nur im Falle der Mono-Loyalität von Markentreue sprechen. Abwechslungsappetenz als ei­ner der wichtigen Faktoren des Markenwechsels kann nämlich durchaus auch durch den Wechsel zwischen einzelnen Marken innerhalb eines Multi-Loyalitäts-Sets befriedigt werden. Wenn die Multi-Loyalität zugelassen würde, gingen Markentreue und Abwechslungsverhalten ineinander über. Dies mag in manchen Produktkategorien der Fall sein und widerspricht nicht dem später vorgeschlagenen Konzept. Die empirische Überprüfung des Konzeptes bei Be­rücksichtigung dieses Falles würde dadurch jedoch erheblich erschwert.

Trotzdem verlangt Bedingung (5), daß in der Kaufentscheidungssituation Alternativen vorliegen müssen. Das „evoked set“ muß mehr als eine Marke enthalten. „The brands that become alternatives to the buyer´s choice decision are generally a small number, collectively called his ‚evoked set‘. The size of the evoked set is at best a fraction of the brands that he is aware of and a still smaller fraction of the total number of brands that are actually available in the market.“[20] „Only evoked brands have a highly positive intention.“[21] (to be bought)[22].

Wenn in der Entscheidungssituation keine akzeptablen Alternativen vorliegen, sprechen wir nicht von Markentreue, da die Entscheidung dann nur eine Entscheidung zwischen Kauf oder Nicht-Kauf ist.

Durch (4) wird eindeutig darauf hingewiesen, daß weder der Person, die die Marke kauft, noch der Per­son, die die Marke verwendet, die Markentreue zuzurechnen ist, sondern nur der Person, die die Marken­entscheidung trifft. Dabei wird in der Definition bewußt nicht von Person, sondern von Entscheidungsein­heit gesprochen, da die Entscheidung auch von der gesamten Haushaltsge­meinschaft oder von einer Teilgruppe des Haushalts gemeinsam getrof­fen werden kann.

Erkennbar wird die Markentreue erst durch die Kaufhandlung an sich. Dies ist mit Punkt (2) gemeint. Im Rahmen dieser Untersuchung beschränken wir uns, wie schon oben angedeutet, auf die Aufstellung eines einstellungsorientierten Markentreue-Konzeptes. Deshalb lassen wir diesen Punkt außen vor und spre­chen auch ohne die effektiv beobachtete Kaufhandlung von Marken­treue, wenn die übrigen Bedingungen erfüllt sind. Die Begriffe Markentreue und markentreue Einstellung werden in dieser Arbeit weitgehend synonym gebraucht, da hier Einstellungen untersucht werden.

Abschließend sei angemerkt, daß es noch eine große Anzahl von ähnlich oder synonym ge­brauchten Begriffen gibt, wie Kundentreue, Produktreue, Modelltreue, Firmentreue, Betriebs­treue, Qualitätstreue oder verschiedene Differenzierungen von Markentreue. Da eine negative Abgrenzung all dieser Begriffe an dieser Stelle zu umfangreich würde, beschränken wir uns darauf, den Begriff hier in positiver Richtung zu definieren, wie dies oben geschehen ist. Für die negative Abgrenzung wird auf Nolte verwiesen, dessen gesamte Untersuchung ebenfalls auf der Marken­treue-Definition von Jacoby beruht.[23]


[1] Jacoby stellt insgesamt 53 Definitionen von Markentreue, die bis 1976 in der Literatur aufgetaucht sind zusammen und diskutiert diese. (vgl.: Jacoby, J.; Chestnut, R. W., (1978), S. 35-41).

[2] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 10-11

[3] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 15ff und Bass, F. M.; Givon, M. M.; Kalwani, M. U.; Reibstein, D.; Wright, G. P., (1984)

[4] vgl.: Massy, W. F.; Montgomery, D. B.; Morrison, D. G., (1970)

[5] vgl.: Wierenga, B., (1974)

[6] vgl.: Nolte, H., (1976)

[7] vgl.: Fisz, M., (1965)

[8] vgl.: Montgomery, D.B.; Morrison, D.G., (1969)

[9] vgl.: Aaker, D. A., (1970), (1971), (1972)

[10] Weinberg, P., (1990), S. 164

[11] Guest, L. P., (1944), S. 27

[12] Fazio, R.H.; Zanna, M. P., (1978), S. 228

[13] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 82 ff

[14] vgl.: Jacoby, J.; Kyner, D.B., (1973), S. 2

[15] vgl.: Tarpey, L.X., (1974)

[16] Jacoby, J.; Kyner, D.B., (1973), S. 2

[17] Eine ähnliche Definition benutzen auch Brown (Brown, G. H., (1952/1953)), Nolte (Nolte, H., (1976)) und Day (Day, G. S., (1969)) in ihren Untersuchungen.

[18] vgl.: Tarpey, L.X., (1974), S. 215

[19] vgl.: Gierl, H. et al., (1993), S. 104

[20] Howard, J.A.; Sheth, J. N., (1969), S. 26

[21] Laroche, M.; Sadokierski, R., (1994), S. 3

[22] Anmerkung des Autors

[23] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 104-183

Markenwechsel

Der Aussage von Jacoby folgend – „From a philosophy of science perspective, attempts to study and understand a given phenomenon are generally enhanced if one also studies the opposite or negative case.“[1] – erscheint es sinnvoll, sich auch über die Hintergründe von Markenwechsel Gedanken zu ma­chen.

Bei einer Kaufentscheidung gibt es immer genau zwei Alternativen: Die gleiche Marke wieder­kaufen oder eine neue Marke ausprobieren. (Die Fälle, bei denen zum ersten Male ein Produkt aus dieser Kategorie auspro­biert wird oder ganz auf einen Kauf verzichtet wird, bleiben ausgeklam­mert.) Markenwechsel liegt immer dann vor, wenn eine Kaufent­scheidung getroffen wird und nicht die gleiche Marke wie beim vorigen Male gekauft wird. Da, wie im Rahmen der Definition von Markentreue schon ausgeführt wurde, die Möglich­keit der Multi-Loyalität ausgeschlossen ist, ist der Kauf einer anderen Marke auf jeden Fall als Marken­wechsel zu interpretieren.

Wenn wir später von der Wiederkaufwahrscheinlichkeit sprechen, dann meinen wir damit die Wahr­scheinlichkeit einer Kaufentscheidung zugunsten der aktuellen Marke. Die dazu komple­mentäre Wahr­scheinlichkeit ist die des Markenwechsels. Sowohl die Markentreue als auch der Markenwechsel sind Verhaltensweisen und keine Zustände. Beide werden nur in der Entschei­dungssituation deutlich. Zwi­schen den Entscheidungssituationen ist man teilweise irrtümlich versucht, von Markentreue zu sprechen. Dieser Eindruck hängt jedoch damit zusammen, daß es sich bei einer Folge von Kaufentscheidungen nicht um einen marginalen Prozeß handelt. Nicht in jedem Augenblick hat die Einstellung zu der Marke eine Möglichkeit, sich zu manifestieren. Das heißt, es ist möglich, daß sich kurz nach einer markentreuen Kaufentscheidung die Einstel­lung zu der Marke ändert, so daß bei der nächsten Entscheidung ein Mar­kenwechsel ansteht. In dieser Si­tuation wird ein marken­treues Verhalten nach außen sichtbar, während die Einstel­lung diesem eigentlich entgegen­gesetzt ist. So wird verständlich, daß es oft besser ist, von der markentreuen Einstellung zu sprechen statt von einem markentreuen Verhalten. Oft ist ein Markenwechsel nicht nur eine einzelne Aktion, sondern charakterisiert einen ganzen Zeitraum. Dieses Verhalten konnte vor allem von Wierenga nachgewiesen werden. Im Rahmen seiner „pool-size“-Untersuchung stellt er fest, daß ein Wechsel von einer Marke zu einer anderen, die, wie die erste dann auch, über einen längeren Zeitraum immer wieder gekauft wird, nicht spon­tan geschieht. Vielmehr ist zu beobachten, daß die meisten untersuchten Haushalte in der Periode zwischen der Markentreue zu der einen und der anderen Marke verschiedene Marken ausprobieren, um dann letztendlich bei der ausgewählten zu blei­ben.[2] Ob die Einstellung zum Markenwechsel eine eigenständige Einstellung ist oder nur die Umkehrung der markentreuen Einstellung, wird im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich diskutiert werden.


[1] Jacoby, J.; Chestnut, R. W., (1978), S. 42

[2] vgl.: Wierenga, B., (1974), S. 175-176

Abgrenzung wichtiger sozialpsychologischer Sachverhalte und Konstrukte

Die meisten der im folgenden Abschnitt besprochenen Begriffe, werden in der Literatur nicht einheitlich gebraucht. Die Diskussion über die Bedeutung dieser Begriffe, also eine Diskussion auf rein metasprach­licher Ebene, soll hier nicht fortgeführt werden. In aller Kürze wird, wo dies aufgrund kontroverser Diskussionen angebracht erscheint, lediglich dargestellt, welche Definitionen weit verbreitet sind, um daraus abgeleitet den Sprachgebrauch und den Begriffsin­halt für diese Arbeit festzulegen.

Erregung, Aktivierung

Notwendige Voraussetzung für jedes menschliche Verhalten und Denken ist Erregung. Der Begriff Erregung soll im weiteren synonym mit dem Begriff der Aktivierung gebraucht werden. Durch die Aktivierung wird der Organismus in einen Zustand der Leistungsbereitschaft versetzt.

Im zentralen Nervensystem gibt es eine Funktionseinheit, die retikuläres Aktivierungssystem (RAS) genannt wird. Der wesentliche Teil dieses RAS ist die Formatio Retikularis. Diese wird durch Impulse in Erregung versetzt, die direkt auf Außenreize zurückgehen oder aus einer anderen Region des Gehirns stammen. Die Erregung der Formatio Retikularis ist die Ursache dafür, daß die anderen Teile des Zentral­nervensystems in Funktionsbereitschaft versetzt werden. Dadurch kommt es zu einer Aktivierung des gesamten Informationsverarbeitungsvor­gangs. Es muß unter­schieden werden zwischen einem Aktivie­rungsniveau und Aktivierungs­schwankun­gen. Ersteres wird tonische Aktivierung genannt, bestimmt die länger anhaltende Bewußtseinsla­ge und die allgemeine Leistungsfähigkeit und verändert sich nur lang­sam. Die zweite nennt man phasische Aktivierung. Sie steuert die jeweilige Aufmerksamkeit und Lei­stungsfähigkeit des Individuums in bestimmten Reizsituationen.[1] „Von den Erregungen und Spannungen, die mit Emotion, Motivation und Einstellungen einhergehen, hängt es ab, wieviel psychische Energie freigesetzt wird und als spezifische Antriebsspannung für das jeweilige Verhalten zur Verfügung steht. Mit erhöhter Antriebsstärke steigt die Wahrscheinlichkeit des Verhaltens… „[2]

Emotion, Antrieb, Trieb, Affekt

Einigkeit herrscht weitgehend darüber, daß Emotionen die grundlegenden menschlichen An­triebskräfte sind. Verschiedentlich werden von den Emotionen die Triebe oder Antriebe abge­grenzt. Emotionen werden nach dieser Sichtweise von äußeren Reizen bedingt, während Triebe von inneren Reizen ausgelöst werden. Nicht alle Autoren machen diese Unterscheidung. Teil­weise werden auch Hunger und Durst als Emotionen bezeichnet.[3] Izard behauptet dagegen, daß Triebe teilweise Emotionen beeinflussen und daß Triebe Eigenschaften von Motivationen haben.[4] Es wird deutlich, daß die Definitionen weit auseinander­gehen.

Nicht eindeutig unterschieden wird oft auch zwischen Emotionen, Affekten und Stimmungen. In diesem Zusammenhang werden drei verschiedene Ebenen häufig miteinander verwechselt: die subjektive Erleb­nisebene, die neurophysiologischen Vorgänge und das beobachtbare Aus­drucks­verhalten.[5]

Ein weit verbreiteter Ansatz, das Zustandekommen von Emotionen zu erklären, ist der von Schachter und Singer.[6] Schachter und Singer heben mit ihrem attributionstheoretischen Ansatz den kognitiven Bereich und die subjektive Erlebnisebene in den Vordergrund. Sie gehen davon aus, daß der Mensch seine Erre­gung bewußt wahrnimmt und sie im Rahmen eines Attributi­ons­prozesses auf der Grundlage der wahr­genommenen Situation positiv oder negativ bewertet.[7] Buck wendet dagegen ein, daß durch diesen Ansatz die Bedeutung der kognitiven Vorgänge überbewertet würde.[8]

In den letzten Jahren setzt sich eine Sichtweise immer mehr durch, die davon ausgeht, daß eine Reihe von Emotionen genetisch vorgegeben sind.[9] Aus diesen grundle­genden Emotionen werden dann durch Kombination weitere Emotionen ge­formt, wobei die klassische Konditio­nierung eine wichtige Rolle spielt. „Welche Emotionen in Handlungs­situationen empfunden oder wahrgenommen werden, und wie sie geäußert werden, wird wesentlich von den ‚Emotionsregeln‘ einer Kultur mitbestimmt.“[10]

Nach Darstellung einiger konträrer Standpunkte wird Emotion für diese Arbeit wie folgt definiert: (Dabei wird deutlich, daß sich die Definition in bezug auf die Verbindung zwischen Erregung und Emotion, an die Sichtweise von Schachter anlehnt.)

Emotion ist ein Bewußtseinszustand, der entweder positiv oder negativ erlebt wird. Die Emotion geht immer einher mit einer Aktivierung in entsprechender Höhe zur Stärke der Emotion (energetisierende Wirkung) und einer verhaltenssteuernden Wirkung (selektive Wir­kung). Die Erregung wird als Bestandteil der Emotion erlebt. Emotionen werden von situationa­len Gegebenheiten bedingt. Die Verhaltens­steuerung ist auf eine, entsprechend der Wahr­nehmung der Situation subjektiv – affektive Bewertung der Erregung zurückzuführen. Diese Zuordnung der Emotion zur Erregung muß nicht unbedingt mit der Ver­ursachung der Erregung übereinstimmen. Emotio­nen sind nicht starr, sondern verändern sich durch Lernerfahrungen, vor allem bezüglich ihrer Stärke.

Triebe sind entsprechend den Emotionen definiert, mit der Ausnahme, daß sie in erster Linie von inneren Reizen bedingt werden und die aktivierende Wirkung im Vordergrund steht, während die affektive Kompo­nente zurücktritt. Der Begriff Antrieb wird dem des Triebes gleichgesetzt.

Affekt ist ebenfalls wie die Emotion definiert. Bei Affekt steht jedoch noch mehr als bei Emotion die Bewertung der Erregung im Vordergrund. Natürlich unterscheiden sich auch Affekte ganz klar in ihrer Stärke, die auf die Stärke der Aktivierung zurückzuführen ist. Affekte werden im weiteren im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

Motivation, Einstellung, Motiv, Bedürfnis, Präferenz

Eine Motivation entsteht nach verbreiteter Auffassung dann, wenn zu der aus der Emotion, dem Trieb oder dem Affekt resultierenden Aktivierung und der entsprechenden affektiven Färbung eine kognitive Zielori­entierung hinzutritt. Oft wird auch der Emotion schon eine gewisse kognitive Komponente zugesprochen. „Die Motivation – verstanden als mehr oder weniger starke Tendenz, eine Handlung auszuführen – wird nach den meisten kognitiven Modellen von zwei Einflußgrößen bestimmt:

vom subjektiv gesehenen Ziel-Mittel-Zusammenhang,

vom subjektiv erwarteten Wert (Befriedigungswert) des Zieles.“[11]

Daraus abgeleitet, soll festgeschrieben werden:

Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt. Dieses Konstrukt bezeichnet einen manifesten in­neren Vorgang, der Antriebskomponenten und kognitive Komponenten enthält. Die Antriebs­komponenten leiten sich aus Emotionen, Trieben und Affekten ab. Die kognitiven Komponenten aus dem subjektiv gesehenen Ziel-Mittel-Zusammenhang und dem subjektiv erwarteten Wert (Befriedigungswert) des Ziels. Diese Faktoren zusammen bedingen die Richtung und die Stärke der Motivation, die sich wiederum auf das daraus resultierende Verhalten auswirken.[12]

Auch der Begriff „Einstellung“ läßt sich auf die beiden oben genannten Determinanten Ziel-Mittel-Zusammenhang und Befriedigungswert zurückführen. Aus dieser Tatsache und der verbreiteten Verwen­dung in der Literatur leitet Kroeber-Riel die folgenden beiden Aussagen ab:

„Der Motivationsbegriff der kognitiven Theorie deckt sich weitgehend mit dem Einstellungsbe­griff.“

und

„Die Untersuchung von Einstellung ersetzt meist die Untersuchung von Motivation.“[13]

Die Verwandtschaft der beiden Begriffe wird auch in der Definition von Allport deutlich, die als die umfassendste und gleichzeitig noch operationalisierbare Definition des Einstellungsbegriffes gilt. „An attitude is a mental and neural state of readiness, organized through experience, exerting a directive or dynamic influence upon the individual´s response to all objects and situations with which it is related.“[14]

Die so definierten Einstellungen setzen sich nach verbreiteter Meinung aus drei Komponenten zusam­men.[15] Auch wenn manche Autoren teilweise weniger oder andere Faktoren als Bestand­teile der Einstel­lung sehen [16], wollen wir uns doch an diese bewährte Dreiteilung halten.

Die kognitive Komponente, die vornehmlich dem Bereich des Denkens zuzuordnen ist und die subjektiv gefärbte Kenntnisse des Individuums über die Beschaffenheit des Objek­tes be­inhaltet.

Die affektive Komponente, die vornehmlich dem Bereich der Emotion zuzuordnen ist und zu einer positiven oder negativen Bewertung eines Objektes führt.

Die konative Komponente, die die Bereitschaft des Individuums beinhaltet, in einer durch die beiden vorhergehenden Komponenten bestimmten Weise, bezogen auf ein Objekt zu han­deln. Die konative Komponente stellt die Verbindung zwischen der Einstellung und dem Verhalten her.

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß die affektive Komponente eine begriffskonstitutive Dimension für Einstellungen darstellt.

Im weiteren soll der Begriff Motivation vor allem dann verwendet werden, wenn die Antriebs­komponente im Vordergrund steht und der Begriff Einstellung, wenn die inhaltliche oder die affektive Komponente im Vordergrund steht.

Zu erwähnen bleibt noch der Begriff des Motivs, der gelegentlich in dieser Arbeit verwendet wird. Dieser Begriff wird in seiner weit verbreiteten Definition als individuelle, durch Sozialisie­rungsprozesse erwor­bene Konstante, die unser Verhalten in vielen Bereichen determiniert, von Herkner kritisiert.[17] Als Alternative führt Herkner eine, in neuer Zeit oft angewendete Konzep­tion des Begriffs Motiv als Regelkreis an.[18] Danach ist das Motiv durch das Streben charakteri­siert, einen Ist-Wert in einen Soll-Wert zu überführen. Dieser Sichtweise soll im weiteren gefolgt werden, ohne daß darauf an dieser Stelle genauer eingegangen wird. Zu klären bleibt immer, ob der Soll-Wert genetisch vorgegeben oder im Rahmen eines Sozialisierungsprozesses erworben wurde. Weitgehend synonym wird in dieser Arbeit gelegentlich der Begriff Bedürfnis gebraucht. Dabei wird durch die Verwendung dieses Begriffs angedeutet, daß nicht ein einzel­nes Motiv das Verhalten bedingt, sondern neben mehreren Motiven auch Persönlichkeits­merkmale, sowie Merkmale der sozialen Umwelt das Verhalten beeinflussen.[19]

Der Unterschied zwischen Motivation und Motiv besteht vor allem darin, daß die Motivation meist auf einen kleinen Ausschnitt oder zeitlich begrenzten Bereich des Verhaltens Einfluß nimmt, während das Motiv meist auf einen größeren Teil des Verhaltens Einfluß nimmt und längere Zeit überdauert.

Ein letzter wichtiger Begriff verbleibt für diese Arbeit zu klären. Präferenzen sind wichtige Faktoren im Kaufentscheidungsprozeß. Wiswede sagt: „…, daß Aktivierungsprozesse sowie deren Emotionalisierung (in ange­nehm/unangenehm) die Grundlage der Präferenzbil­dung darstellt.“[20] Präferenzen sind Ergeb­nisse eines Vergleichsprozesses nach bestimmten Regeln. Diese Auswahlregeln fußen auf dem Prinzip der Nutzenmaximierung. Die Marke, die den größten Nutzen bringt, wird am meisten präferiert. Der Nutzen wird dadurch gemessen, inwieweit die Zielvorstel­lungen erfüllt werden. Wie wir später noch sehen werden, führt die Erfüllung von Zielvorstellungen zu einer affektiven Bewertung der Objekte. Die Auswahlregel kann dann nach dem hedonistischen Prinzip vorgehen, indem die angenehmste Alternative ausgewählt wird.


[1] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 60 ff

[2] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 52

[3] vgl.: Buck, R., (1988), S. 8ff

[4] vgl.: Izard, C. E., (1981), S. 64

[5] Auf den Begriff Stimmungen wird hier nicht näher eingegangen, da er für diese Arbeit nicht relevant ist.

[6] vgl.: Schachter S.; Singer, J. E., (1962)

[7] Auf diesen Ansatz wird nicht weiter eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Der Leser sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. z.B. Schachter, S.; Singer, J. E., (1962) oder Schachter, S., (1964)

[8] vgl.: Buck, R., (1988), S. 470

[9] vgl.: Plutchik, R., (1980); Izard, C. E., (1981) und Kemper, T.D., (1991)

[10] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 102

[11] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 139

[12] Eine ausgedehnte Diskussion des Begriffes Motivation und seines Wandels im Zeitablauf, vor dem Hintergrund der sich wandelnden psychologischen Theorien, findet man bei Atkinson. (vgl.: Atkinson, J. W., (1975), S. 434ff)

[13] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 139

[14] Allport, G. W., (1967), S. 3

[15] vgl.: Irle, M., (1967), S. 196-197 und Howard, J. A.; Sheth, J. N., (1969), S. 128-131 und S. 192-195

[16] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 12

[17] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 53

[18] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 63

[19] vgl.: Wiswede, G., (1973), S. 96

[20] Wiswede, G., (1991), S. 314

Vorwort Lerntheorie

„Der gesamte Bereich der Produktverwendung mit Auswirkungen auf die Erhöhung/ Senkung von Kauf­wahrscheinlichkeiten ist lerntheoretisch interpretierbar.“[1]

Es gibt eine unübersehbar große Anzahl von lerntheoretischen Veröffentlichungen, die sich oft gegensei­tig widersprechen. So schrieb Ritchie 1973: „Im Bereich des Lernens gibt es keine theoretischen Erklä­rungen, die nicht durch zahlreiche alternative Erklärungen, die genauso plausibel sind, in Frage gestellt werden.“[2] Aus diesem Grunde soll hier nicht der Versuch gemacht werden, verschiedene Theorien einander gegenüberzustellen. Statt dessen werden erklärungskräftige Zusammenhänge herausgegriffen, diskutiert und mit Hinweisen aus der Literatur unter­mauert.

Die im folgenden dargestellten Zusammenhänge sind teilweise behavioristischer Natur und teilweise kognitiver Natur. Kognitive Prozesse sind in erster Linie solche, in denen Erwartungen über die Konse­quenzen von Verhaltensweisen, also im Speziellen Einschätzungen der ver­schie­denen Marken und der mit ihnen zu erreichenden Zielerfüllung als Verstärker dienen. In behavio­ristischen Prozessen treten die Verstärker dagegen erst nach Vollzug der Handlung auf.


[1] Wiswede, G., (1991), S. 73

[2] Ritchie, B. F., (1973), zitiert nach Wolman, B. B., (1973), S. 173

Abgrenzung von Habitualisierung und Markentreue

Im Rahmen der Behandlung der Lerntheorie wird ein Nachtrag zur Definition des Begriffes Markentreue erforderlich. Oft werden die Begriffe Markentreue und Habitualisierung gleichge­setzt oder Marken­treue als eine Form der Habitualisierung betrachtet.

Wie sich aus Jacobys Definition von Markentreue[1] ableiten läßt, fallen unter diesen Begriff nicht solche Entscheidungen, die zwar zum Wiederkauf der gleichen Marke führen, die jedoch aufgrund eines extensiven Entscheidungsprozesses und nicht aufgrund einer Vorein­genom­menheit getroffen werden. Das heißt, markentreue Entscheidungen sind nur solche, bei denen der Entscheidungs­prozeß durch die Ein­bringung von Lernerfahrungen verkürzt ist. Auch bei Hab­itualisierung findet eine Verkürzung statt. Bei habitualisierten Kaufent­scheidungen kann man je­doch sagen, daß der Entscheidungsprozeß gar nicht mehr existiert, sondern von Lerner­fahrungen ersetzt wird. Katona sagt zu habituellem Verhalten: „Hier gibt es daher kein Überle­gen und kein Wählen. Reize rufen Reaktionen in fest begründeten Bahnen hervor, unbeeinflußt von wechseln­den Motiven und Einstellungen. Diese Art des Verhaltens … dient … Konflik­ten zu entgehen.“[2]

Markentreues und habitualisiertes Entscheiden unterscheiden sich durch das Maß, in dem kognitive Prozesse in die Ent­scheidungsfindung eingreifen. Wäh­rend bei habituellem Verhal­ten die kognitive Beteiligung grundsätzlich nicht stattfindet – oder wie Tost­mann[3] es ausdrückt „nicht vorhandene Bewußtseinsprägnanz“ – ist Markentreue durch ein Mindestmaß an kogniti­ver Beteiligung gekennzeichnet. Jeuland[4] unterscheidet die Begriffe durch das Maß an Involve­ment. Zwar ist bei Markentreue die extensive Kaufentscheidung ausge­schlossen, dies schließt jedoch nicht aus, daß trotzdem umfangreiche kognitive Prozesse zur Entschei­dungsfindung notwendig sind. Das Maß der kognitiven Beteiligung kann stark variieren.

Zwei extreme Ausprägungen der Markentreue in bezug auf die kognitive Beteiligung sind denkbar:

Wenn eine Kaufent­scheidungssituation mit einem kognitiv gesteuerten Vergleichsprozeß beginnt, der wegen der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität dann irgendwann abgebrochen wird, so steht zu diesem Zeitpunkt meist keine rational begründete Entscheidung fest. Es kann sein, daß alle Marken zu diesem Zeitpunkt in etwa gleich zu bewerten sind und dann die affektiv begründete Entscheidung zugunsten der bewährten Marke ausfällt. Dies ist ei­ne markentreue Entscheidung mit einer relativ großen kognitiven Beanspru­chung. Auf der anderen Seite ist es möglich, daß zwar die Alternativen wahrgenommen werden, nachdem dies geschehen ist, die Entschei­dung jedoch zugunsten der bewährten Marke fällt. Hier ist die kognitive Beteiligung sehr gering, die eingebrachten Lernerfahrungen aber sehr umfang­reich.

Das Kriterium, das im zweiten Fall habituelles Verhalten noch von markentreuem Verhalten unterscheidet, ist die bewußte Wahrnehmung der Alternativen. Laut der Definition von Marken­treue ist das Vorhandensein von Alternati­ven notwendig. Demgegenüber sprechen wir von habituellem Verhalten dann, wenn die Alternativen gar nicht mehr wahrgenommen werden sondern ein Reiz-Reaktions-Mechanismus abläuft. Der Übergang von Markentreue zu habituel­lem Verhalten ist bezüglich dieses Kriteriums fließend.

In der Literatur wird häufig die Meinung vertreten, daß starke Markentreue mit habituel­lem Verhalten gleichzusetzen sei, während schwache Markentreue zwar eine vereinfachte Verhal­tensweise, jedoch keine habituelle Verhaltensweise ist.[5] Diese Meinung ist insoweit richtig, als die Markentreue sich unendlich nahe an habitualisiertes Verhalten angleichen kann, jedoch immer die kognitive Beteiligung und Wahrnehmung der Alternativen beinhaltet.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß vor allem zwei Faktoren bei der Entscheidung ausschlagge­bend sind, ob es sich um habituelles Verhalten oder Markentreue handelt nämlich kognitive Beteiligung und Wahrnehmungsanstrengung. Markentreue ist dabei auf einem Konti­nuum zu suchen, an dessen Extrem­punkten die extensive Kaufentscheidung und die habituali­sierte Kauf­entscheidung zu finden sind.

Noch nicht eingegangen wurde auf die Frage, wie es zu habitualisiertem Verhalten kommt. Es ist sowohl vorstellbar, daß eine Habitualisierung schon nach der ersten Kaufent­scheidung stattge­funden hat, als auch daß dieser Prozeß mehrere Kaufakte benötigt.[6]

Wie die Entstehung von Markentreue erfordert auch die Habitualisierung einer Verhaltensweise Lernpro­zesse. Ein Verhalten wird meist dann wiederholt gezeigt, wenn es verstärkt wird. Ein Verstärker, der nicht den Wiederkauf an sich, sondern den Habitualisierungsprozeß fördert, ist die Vereinfachung des Kaufprozesses. Dabei wird von einem Antrieb des Menschen ausgegan­gen, jede Entscheidung mit einem Mini­mum an kognitivem Aufwand zu treffen, (siehe Kapitel 2.6.2.). Darüber hinaus wirken auch die Erfüllung von Zielvorstellungen und die Befriedigung der Be­dürfnisse nach Abwechslung und nach Risikore­dukti­on als Verstärker. Diese zielen jedoch nur begrenzt auf die Habitualisierung, sondern schwerpunktmäßig auf den Wiederkauf an sich ab, da nicht die Verstärkung für eine besonders ökonomische, sondern für eine unter dem Gesichtspunkt der Aktivierung optimalen Entschei­dung erfolgt. Man kann also vermuten, daß Markentreue ein Schritt zum Endzustand Habituali­sierung sein kann. Sicher gibt es viele Faktoren, die auf diesen Prozeß Einfluß nehmen, wie z.B. die finanzielle Bedeutung der Ent­scheidung. „…mit zunehmender Bedeutung des Konsumguts – und mithin auch mit steigender finanzieller Belastung – wird die Habitualisierungstendenz abnehmen, einfach deshalb, weil kognitive Anstrengungen lohnender werden.“[7]


[1] vgl.:Jacoby, J.; Kyner, D.B., (1973), S. 2

[2] Katona, G., (1972), S. 63

[3] Tostmann, T., (1978), S. 360

[4] vgl.: Jeuland, A. P., (1979)

[5] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 107

[6] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 25

[7] Wiswede, G., (1991), S. 321

Verstärkung durch Motivbefriedigung

Wie laufen die Lernprozesse, die zu markentreuem Verhalten führen, ab?

Im Zentrum des Interesses steht das operante Konditionieren[1], das nach Dieterich für die Erklärung des Konsumentenverhaltens angemessen ist.[2] Das bedeutet, ein zufälliger Marken­kauf, also der Operant, wird verstärkt oder auch nicht und dadurch steigt oder sinkt die Häufig­keit, mit der er gezeigt wird.[3] Die Verstärkung kommt durch die Befriedigung einer Zielvor­stel­lung oder eines Bedürfnisses zustande. Die Größe der Verstärkung ist abhängig von dem Maß der Erfüllung der Zielvorstellungen oder des Bedürfnis­ses.

Bevor die Verstärkereigenschaften der Marke behandelt werden können, muß geklärt werden, wie es zu dieser Verstärkung kommt. Dazu ist es angebracht, zwischen primären und sekundä­ren Verstärkern zu unterscheiden. Im weiteren wird davon ausgegangen, daß sowohl die Re­duktion des Risikos, als auch die Aufnahme neuer ungewöhnlicher Reize primäre Verstärker sind. Gemäß der Ansicht von Hull[4] wird damit ausgedrückt, daß diese beiden Reize biologi­sche Triebe reduzieren. Die Marke befrie­digt durch ihre Eigenschaften also das Motiv nach Risikoreduktion oder das Motiv nach Abwechslung und hat dadurch Verstärkereigenschaf­ten.

Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, daß es einen biologisch verankerten Antrieb zur Risiko­re­duktion gibt. Dieser kann aus dem Konsistenz-Motiv abgeleitet werden, indem die Risiko­empfin­dung als inkon­sistentes Reizmuster nach Beseitigung strebt. Nicht so eindeutig ist die Lage bei dem Trieb nach Ab­wechslung. Zwar konnte Berlyne[5] in Experimenten nachweisen, daß auch die Befriedigung von Neugier und der Informationswert eines Reizes primäre Verstär­kereigenschaf­ten haben, auf der anderen Seite wird die Existenz eines solchen Triebes immer wieder bestritten.

Damit die Erwartungen und die Erfahrungen sowohl bezüglich des Risikopotentials als auch bezüglich des Abwechslungspotentials bewertet werden können, muß auf jeden Fall ein Maß­stab feststehen, was positiv, neutral und was negativ zu bewerten ist. Die entsprechenden Maßstäbe leiten sich aus individuellen Bedürfnissen und Toleranzschwellen ab. Eines soll schon vorwegge­nommen werden. Diese Maßstäbe sind in Grenzen genetisch vorgegeben, werden jedoch nicht unabhängig von den Befriedigungsmöglich­keiten gebildet, sondern passen sich in einem genetisch vorgegebenen Rahmen im Zuge eines Lernprozesses, den wahrgenommenen Befriedigungs­möglich­keiten an.

Beide Antriebe und die entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in späteren Kapiteln noch ausführlich behandelt. (siehe besonders Kapitel: Kontroverse Standpunkte in bezug auf das Abwechslungsmotiv) An dieser Stelle wird nur festgehalten, daß diese beiden Motive vermutlich einen Einfluß auf die Markenkaufentscheidung haben und im weiteren im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Auf die Verstärkung durch die Erfüllung der Zielvorstel­lun­gen wird in dieser Arbeit, wie schon erwähnt, nicht eingegangen, da es sich hier um extrin­sische Motivationen und die dement­sprechenden funktionellen Eigenschaften der Marke handelt. Wenn im weiteren dennoch hin und wieder von den Zielvorstellungen gesprochen wird, dann wird damit das Versagen der Marke in diesen Bereichen und damit das Risiko ange­sprochen. Nur soviel dazu: Die funktionellen Eigenschaften können sowohl primäre als auch se­kundäre Verstärker sein, je nachdem, welche Motive sie befriedigen, z. B. Hunger, Durst, Bedürfnis nach einer angenehmen Umgebung, Bedürfnis nach Prestige usw.


[1] vgl.: Skinner, B. F., (1938)

[2] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 55

[3] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 23

[4] vgl.: Hull, C. L., (1943)

[5] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

Verstärkereigenschaften der Marke

Das Verhalten in Kaufsituationen ist vermutlich nicht angeboren, sondern weit­gehend gelerntes Verhal­ten. Dabei spielen sowohl kognitiv, als auch behaviori­stisch zu erklärende Vorgänge ei­ne Rolle. Im weiteren sind die Kaufentscheidungen für verschiedene Marken die Operanten. Das heißt, die Entscheidung für eine Marke erfolgt zunächst rein zufällig, da der Konsument noch keine Präferenzen einzelnen Marken gegenüber hat.[1] Der Stimulus besteht dann in der Befriedigung von Bedürfnissen und damit verbunden der Erfüllung von Ziel­vorstellungen.

Im vorigen Abschnitt wurde dargestellt, in welchen Bereichen Motive bestehen, die von der Marke befriedigt werden könnten.

An dieser Stelle ist es notwendig, nochmals auf die funktionellen Eigenschaften der Marke einzugehen.

Die Zielvorstellungen, die mit dem Kauf eines Produktes verbunden sind, richten sich auf die funktionellen Eigenschaften des Produkts. Diese funktionelle Leistungsfähigkeit des Produkts muß sich nicht nur auf materielle Eigen­schaften beschränken, sondern umfaßt auch erwartete Prestigewerte der Marke und andere immaterielle Eigenschaften. Ein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Erfüllung der funktionellen Anforderungen und den Risiken, die dem Konsumenten drohen, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden. Dieser Zusammenhang ist ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Die Ursache ist die nicht erfüllte funktionelle Anforderung. Die Wir­kung besteht in den sich aus diesem Mangel ergebenden Schäden.

Wenn von den funktionellen Eigenschaften und der aus ihnen direkt abgeleiteten Verstärkung abstrahiert wird, hat die Marke jeweils zwei Potentiale, vor der Kaufentscheidung entweder verstärkend oder aversiv zu wirken.

Auf der einen Seite steht die bestrafende Eigenschaft des Risikopotentials, auf der anderen Seite die belohnende Eigenschaft des Abwechslungspotentials. Der hier verwendete Potentialbegriff ist aus der Terminologie von Berlyne[2] entnommen und wird schon an dieser Stelle verwendet, um später den Zusammenhang mit den Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens besser verdeutlichen zu können. Berlyne unterscheidet in seinem Buch nicht nach verschiedenen Potentialen, sondern spricht nur von einem Aktivierungs­potential, daß auf sogenannte „collative variables“ zurückzuführen ist. Unter diesem Begriff faßt er allerdings sowohl Fähigkeiten der Marke, das Abwechslungsbedürfnis zu befriedigen, als auch Gefahren, die durch die Marke drohen, zusammen. Das Aktivierungsotential eines Stimulus besteht deshalb in der vom Konsumenten wahrgenommenen Fähigkeit, zum einen die Neugier zu befriedigen und zum anderen Risiken zu begründen. Für das weitere Vorgehen soll das Aktivierungspotential von Berlyne in die zwei Bereiche Abwechslungspotential und Risikopotential unterteilt werden.

Damit ergeben sich die folgenden Verstärkereigenschaften der Marke:

Die aversiven Reize, die die Kaufentscheidung beeinflussen, sind:

Erwartungen, daß die Entscheidung für die ausgewählte Marke das zu tolerierende Risiko­potential erhöht.

Erwartungen, daß die Marke nicht das bisher gewohnte Abwechslungspotential bietet.

Die verstärkenden Reize, die die Kaufentscheidung beeinflussen, sind:

Erwartungen, daß die Entscheidung für die Marke das Risikopotential vermindert oder ein drohendes Risikopotential nicht realisiert.

Erwartungen, daß die Marke ein angenehmes Abwechslungspotential bietet.

Die oben aufgeführten Reize sind solche, die im Rahmen einer kognitiven Lerntheorie das Entscheidungs­verhalten erklären können. Die angesprochenen Erwartungen gründen vermut­lich auf Lernprozessen, die auf Reiz-Reaktionsmechanismen zurückzuführen und schon vor der betrachteten Entscheidungssi­tuation abgelaufen sind. In dem Moment, in dem die Marke gekauft und konsumiert wird, findet eine entsprechend den Eigenschaften der Marke gestaltete Verstär­kung oder Bestrafung des Konsumenten für diese Entscheidung statt. Diese Erfahrung bedingt die Erwartungen, die der Konsument in einen erneuten Kauf der gleichen Marke setzt. Dies bedeutet, daß die Stimuluseigenschaften der konsumierten Marke einem stetigen Wandel unterworfen sind.

Meist liegen in einer Entscheidungssituation mehrere Alternativen vor, die in der Vergangenheit mehr oder weniger verstärkt wurden und deren Kauf mit entsprechenden Erwartungen verbun­den ist. Der Kon­sument nimmt also schon kognitiv vorweg, welches Maß an Verstärkung er durch den Kauf dieser oder jener Marke erhalten wird. Die Auswahlwahrscheinlichkeit der verschie­denen Alternativen ergibt sich dann aus dem Gesetz des relativen Effekts.[3] Auf diesen Zusam­menhang wird später in diesem Abschnitt noch genauer eingegangen. (siehe Kapitel: Gesetz des relativen Effekts)


[1] Präferenzen sind gleichbe­deutend mit der Zuordnung von relativen Verstärkereigenschaften zu bestimmten Marken im Vergleich zu anderen Marken.

[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[3] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 30

Gewöhnung und Erfahrung – Ergebnis und Determinanten des Lernprozesses

Weder das Risikopotential noch das Abwechslungspotential sind im Zeitablauf konstante Größen. Wie die Entwicklung von statten geht und wie die Verarbeitung der damit verbundenen Informa­tionen erfolgt, soll kurz dargelegt werden.

Risikopotential und Erfahrung

Es gibt drei mögliche Bereiche, aus denen sich das Risikopotential ableiten läßt:

die Marke entspricht nicht den durchschnittlichen marktüblichen Qualitätsan­sprüchen und er­füllt deshalb nicht die Zielvorstellungen

die Marke erfüllt nicht die funktionellen Zielvorstellungen des Konsumenten, weil dieser sich nicht genau über seine Zielvorstellungen im klaren ist

die Qualität der Marke schwankt im Zeitablauf.

Wenn eine Marke zum ersten Mal gekauft wird, beinhaltet sie ein entsprechendes Risikopoten­tial. Das bedeu­tet, daß die erste Kaufentscheidung mit einem großen Risikopotential verbunden ist. Sehr schnell, das heißt, entweder nach kurzem Gebrauch oder nach wenigen Käufen, wird der Konsument merken, ob die Marke in der Lage ist, die marktüblichen funktionellen Erwar­tungen zu erfüllen. Nach und nach wird der Konsument auch mer­ken, ob die Marke die Bedürfnisse, die nach seiner Meinung eigentlich durch diese Produktkategorie abgedeckt werden sollten, auch wirklich befriedigt. Damit fällt auch dieses Risikopotential weg. Zurück bleibt die Ungewißheit über Qualitäts­schwankungen.

Der im Rahmen der Risikoabschätzung ablaufende Informationsverarbeitung­sprozeß dürfte zu komplex sein, um ihn mit Hilfe eines behavioristischen Ansatzes, also mit einfachen Reiz-Reaktionsmustern, zu interpretieren, da die Risiko­empfin­dung meist auf einem umfangreichen Abwägungsprozeß beruht. Angemessener erscheint der kognitive Ansatz von Bruner.[1] Dieser Ansatz geht davon aus, daß alle Objekte und Ereignisse in Klassen eingeteilt werden. So würde die gekaufte Marke entsprechend des wahrgenommenen Risikos in eine bestimmte Risiko-Klasse eingeteilt. Wenn zusätzliche Erfahrungen durch Konsumtion gemacht werden, kann diese Kate­gorisierung noch geändert oder modifiziert werden. Nach und nach verfestigt sich die Einordnung in eine bestimmte Kategorie immer weiter.

Dieser Ansatz ist kompatibel zu den Annahmen, die zuvor über die Entwicklung des Risikopo­tentials im Zeitablauf gemacht wurden. So fällt die Ausschaltung des zuerst genannten Risiko­be­reichs wohl noch in den Bereich des „cue search“ und damit einer „initial categorizing“. Wenn sich dann herausstellt, daß auch der zweite Risikobereich für die Marke nicht relevant ist, wird dadurch der von Bruner geforderte „confirmation check“ unterstützt und der Erwerb der Marke weiter als relativ risikolos eingestuft. In dem danach folgenden Stadium der „confirmation completion“ wird das endgültige Risikopotential der Marke durch eine Einord­nung in eine bestimmte Klasse festgelegt. Da in diesem Stadium eine selektive oder überhaupt keine Informa­tionsaufnahme mehr stattfindet, wird das Risikopotential aufgrund von Qualitäts­schwankungen wohl gegen einen bestimmten Wert tendieren, der von der Häufigkeit von Qualitätsfehlern abhängig ist und sich nur sehr langsam ändert.

Die Kate­gorisierung wird also entweder im Rahmen einer „primitiven Kategorisierung“[2] ablaufen, wenn die ersten Erfahrungen mit der Marke die Risiken bestätigt oder aber entspre­chend des oben darge­stellten Ablaufs, wenn das Risiko nach und nach abgebaut wird. Im ersten Fall wird die Marke mit einem großen Risikopotential kategori­siert, im zweiten Fall wird die Marke nach einem aufwendigeren Kategorisierungsprozeß mit einem niedrigen Risikopo­tential eingestuft. Die Dauer des Kategorisierungsprozesses ist von der Komplexität des Produktes abhängig, da davon wiederum abhängig ist, wie schnell beurteilt werden kann, ob weitere Risiken bestehen oder nicht. Grundsätzlich kann man sagen, daß die Höhe des wahrge­nommen Risikopo­tentials von der Erfahrung mit der Marke abhängig ist. Da die Häufigkeit des Wiederkaufs, das heißt die Erfahrung, von der Höhe der aversiven Reize, die mit der Marke verbunden sind, abhängig ist, wird mit großer Erfahrung tendenziell ein niedrigeres Risikopo­tential einhergehen.

Abwechslungspotential und Gewöhnung

Das Abwechslungspotential setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen (Neuig­keits­aspekte, Ungewöhnlichkeit, Abwechslung usw). Grundsätzlich kann davon ausge­gangen werden, daß der Mensch das Bedürfnis nach neuen und ungewöhnlichen Eindrücken hat. (siehe Kapitel 2.6.1.) Die Befriedigung dieses Bedürfnisses wird als positiv empfunden. Je neuer und ungewöhnlicher ein Reiz ist, desto angenehmer wird er tendenziell empfunden. Durch die analytische Trennung zwischen Risiko- und Abwechslungs­eigenschaf­ten fallen erwartete Gefahren, die mit großer Neuartigkeit verbunden sein können, nicht in den Bereich des Ab­wechslungs­potentials, sondern in den Bereich des Risikopotentials. Sicher gibt es eine Grenze, ab der eine weitere Steigerung der Ungewöhn­lichkeit nicht angenehmer empfunden wird, dieser Fall soll jedoch außer Betracht bleiben. Kroeber-Riel geht davon aus, daß in der Konsu­mentenforschung der Scheitel­punkt, ab dem die Neuartigkeit als unangenehm empfunden wird, normalerweise nicht erreicht wird.[3]

Wenn eine Marke zum ersten Male gekauft wird, sind die wahrgenommene Neuartigkeit, die Ungewöhn­lichkeit, die Komplexität etc. und damit ihre Verstärkereigenschaften am größten. Im Laufe des Konsums oder mehrerer Wiederkäufe steigt die Erfahrung, die der Konsu­ment mit der Marke macht und führt zu einer Gewöhnung an die Eigenschaften der Marke. Der Konsument lernt, welche Eigenschaften die Marke hat. Damit nimmt die wahrgenommene Neuartigkeit, Ungewöhnlichkeit und Komplexität tendenziell ab. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als daß das Abwechslungspotential und damit die daraus abgeleiteten Verstärkereigen­schaften der Marke abnehmen.

Auch bei der Erklärung der Entwicklung des Abwechslungspotentials kann die Theorie von Bruner hilf­reich sein. Man kann nicht davon ausgehen, daß das Abwechslungs­potential selbst das Objekt eines Kategorisie­rungsprozesses im Sinne von Brunner ist, da die Kategorisie­rung die Neuartig­keit zunichte machen würde. Vielmehr wird das Gefühl, inwieweit die Marke noch nicht katego­risiert ist, das Maß für das Abwechslungspotential sein. Je weiter die Kategorisierung fortge­schritten ist, desto geringer wird das Abwechslungspotential sein.


[1] vgl.: Bruner, J. S., (1966)

[2] vgl.: Dieterich, M., (1986), S. 65

[3] vgl.: Kroeber-Riel, W., (1992), S. 77