Berlyne: Novelty Seeking Approach

Der Ansatz von Berlyne[1] ist der älteste und in der Literatur meistverwandte, deshalb wird er an erster Stelle behandelt. Er bietet einige interessante Aspekte, weist jedoch auch mehrere schwerwie­gende Mängel auf, die seine unveränderte Übernahme für das Konzept nicht sinnvoll erscheinen lassen.

Markentreue Berlynes Theorie
Markentreue Berlynes Theorie

Stimuli haben nach diesem Ansatz ein bestimm­tes Erregungspotential, das sich aus den Eigen­schaften des Stimulus wie Neuigkeit, Überra­schung, Veränderung, Unsicherheit etc. ablei­tet. Berlyne nennt diese Eigenschaften des Stimulus „collative properties“. Je stärker diese Eigen­schaf­ten ausgeprägt sind, desto höher ist das Erregungs­potential. Sie sind in der Lage, das Erregungsniveau des Menschen zu beeinflus­sen. Das Erregungspotential führt zu einer Bereit­schaft des Organismus zu reagieren und ist damit der Grad der psychologischen Aktivität, die von Koma bis zu wahnsinnsähnlicher Aufregung reicht. Nach Berlyne ist die Erregung gleich Null, wenn der Stimulus mit dem optimalen Erregungspotential ausgestat­tet ist. Jede Abwei­chung von diesem Niveau führt zu einer Erregung. Jede Erregung wird gemäß seinem Konzept als unange­nehm empfunden (siehe Abb. 1 (Berlyne)[2]). Die Erregung und der damit verbundene negative Affekt motiviert den Orga­nismus dazu, SEV zu zeigen, um dem negativen Affekt zu entgehen. SEV wird sowohl gezeigt, wenn das Erregungspotential über dem optimalen Level liegt, als auch wenn das Erregungspo­tential unter dem optimalen Level liegt. In der ersten Situation wird dieses Erkundungsverhalten gezeigt, um mit dem Stimulus vertraut zu werden und in der zweiten Situation, um neue Eigen­schaften des aktuellen Stimulus zu entdecken oder um Stimuli mit höherem Erregungspotential zu suchen. Im ersten Fall nennt Berlyne dieses Verhal­ten „specific exploration“ und im zweiten Fall, wenn es darum geht das Erregungs­potential zu steigern, „diversive exploration“.

Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, wird der optimale Level der Stimulation am wenigsten unange­nehm empfunden. Berlyne geht des weiteren davon aus, daß die Situation umso unbefrie­digender wahr­genommen wird, desto größer die Entfernung zum optimalen Punkt ist. Wenn das Erregungspotential zu gering ist, führt dies zu Langeweile und wenn das Erregungs­potential zu hoch ist, entsteht ein Konflikt. Dieser Konflikt leitet sich daraus ab, daß meist bestimmte Aspekte des Stimulus aus Erfahrung bekannt sind und andere nicht. Das Individuum weiß dann nicht, wie es sich dem Stimulus gegenüber verhalten soll.

„Bettman (1979), as Howard and Sheth (1969), agrees with Berlyne (1960) that the underlying construct for such stimulus properties is conflict. Conflict is caused by competing and incom­pa­tible response tendencies. This often arises because parts of the environment or perceptual field are competing for attention (as in the case of novel stimuli), something perceived does not match expectations (as in the case of incongruous stimuli), or there are competing inter­pretati­ons for a stimulus (as in the case of complex stimuli).“[3] Diese Aussagen treffen nur auf den Fall der „specific exploration“ zu.

Berlyne unterscheidet zwei Arten des SEV, intrinsisches und extrinsisches SEV. Das intrinsi­sche SEV leitet sich aus dem Bedürfnis ab, das Erregungspotential auf dem optimalen Niveau zu halten. Das extrinsisch bedingte SEV wird aufgrund anderer Ziele gezeigt. So ein Ziel könnte zum Beispiel die Lösung eines speziellen Problems durch ein Produkt sein.


[1] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[2] vgl.: Raju, P. S., (1981), S. 230

[3] Raju, P. S.; Venkatesan, M., (1980), S. 3

Explikation des Konzeptes

Aus der Darstellung der gängigen Ansätze im Bereich der Markentreue und der wichtigsten Konzepte des Such- und Entdeckungsverhaltens wurde deutlich, daß keiner der Ansätze alleine in der Lage ist, die Entwicklung markentreuer Einstellungen gemäß der ursprüng­lichen Hypo­these umfassend darzustellen und vor allem zu erklären. Das folgende Konzept wird alle Aspekte der ursprünglichen Hypothese erfassen. Das Konzept wird im Anschluß durch eine empirische Untersu­chung getestet.

Wie schon aus der ursprünglichen Hypothese hervorgeht, und im Laufe der Arbeit immer wieder anklang, handelt es sich bei den Gründen, die zur Markentreue führen, vermutlich um zwei getrennte Motivationen. Wenn dies so ist, dann hängt die Entscheidung ganz wesentlich von der Stärke der Motivationen ab. Wie oben definiert, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Stärke der Motivation und der Stärke der damit einhergehenden Erregung. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Beschäftigung mit der Erregung weitere Aufschlüsse über die Lö­sung dieses Konfliktes bringen. Wenn wir die verschiedenen Ansätze der Theorien des SEV vergleichen, stellen wir fest, daß das Konzept von Berlyne[1] einige interessante Bestand­teile ent­hält, die im Sinne der Grundhypothese sinn­voll erscheinen. Zwei Bestand­teile aus dem Konzept von Berlyne werden deshalb über­nommen. Erstens betrachten wir im weiteren das von Berlyne vorgeschlagene Erregungs­potential als den Auslöser und Maßstab der Erregung. Dies erscheint deshalb sinnvoll, weil dieser Begriff mehr als alle anderen, die in den Konzepten als unabhän­gige Variable benutzt wurden, Interpretationsspielräume offen läßt. Zweitens soll der Unterscheidung Berlynes, von intrinsischem und extrinsischem SEV gefolgt werden. Diese Unterscheidung zog sich schon durch die gesamte bisherige Arbeit und ist notwendig, um von der Erfüllung der funktionellen Zielvorstel­lungen zu abstrahieren, durch die die extrinsischen Motivationen zu erklären sind. Ein Punkt, in dem nicht dem Konzept von Berlyne gefolgt wird, ist die Verbindung von Erregung und Affekt. Nach Berlyne gibt es keinen Erregungszustand, der die Ursache für positiven Affekt ist. Diese Annahme ist jedoch, wie oben schon diskutiert wurde, nicht sinnvoll. Außerdem ist der Ansatz von Berlyne nicht in der Lage zu unterscheiden, ob ein Erregungspo­tential, das oberhalb des optimalen Punktes liegt zu einer Beschäftigung mit der Marke oder zur Abkehr von dieser führt. Um diesen beiden Unzulänglichkeiten aus dem Wege zu gehen, wird für die Erklärung des Zusam­men­hanges zwischen Stimulation und Affekt statt dessen der An­satz von Streufert und Driver[2] angewendet. Dieser Ansatz erlaubt sowohl positive als auch negative Affekte. Positive und negative Affekte sind laut Definition nichts anderes als positive und negative Emotionen, aus denen sich dann wiederum die Motivationen nach Abwendung und Zuwendung ableiten. Damit liegen in diesem Bereich die Vorausset­zungen vor, die für die Erklärung der Wahrschein­lichkeit von Markentreue und Markenwechsel benötigt werden. Unser Konzept wird also im Bereich des SEV Bestandtei­le aus dem Konzept von Berlyne und dem Konzept von Driver und Streufert übernehmen. Damit wird dem Vorschlag von Raju und Venkatesan gefolgt, die eine Kombination der Ansätze von Berlyne sowie Streufert und Driver als geeignet für die Konsumenten­forschung ansehen.[3]

In Abweichung zu Berlyne, soll das Erregungspotential in zwei Komponenten zerlegt werden. Damit wird die unabhängige Variable gegenüber dem Konzept von Berlyne nicht geändert, sondern nur die vielen Faktoren, die nach Berlyne Bestandteil des Erregungs­potentials sein können, in zwei Gruppen geordnet. Der eine Faktor enthält alle positiven und erstrebenswerten Bestandteile des Erregungspotentials, wie Neuartigkeit, Unge­wöhn­lich­keit, Spannung etc. Die­ser Teil soll Abwechslungspotential heißen. Der positive Affekt, der mit diesen Bestandtei­len des Abwechslungspotentials verbunden ist, ist durch das Abwechslungsmotiv zu erklären, dessen Befriedigung als angenehm empfunden wird. Die Stärke der mit dem Abwechslungspo­tential verbundenen Erregung und damit die Stärke des positiven Affektes hängt von der Neuartigkeit des Stimulus und dem persönlichen Reizbedürfnis, also dem Abwechslungsmotiv ab. Je größer das persönliche Reizbedürfnis ist, desto weniger positiv ist tendenziell der mit einem bestimmten Abwechslungspotential verbundene Affekt.

Der andere Faktor enthält alle negativen Bestandtei­le des Erregungs­potentials, also vor allem solche Faktoren, die zu einer Risikowahrnehmung wie Unsicherheit und Mehrdeutigkeit führen. Dieser Teil soll Risiko­potential heißen. Der mit den Bestandteilen des Risikopotentials verbundene Affekt läßt sich auf das Motiv nach Risikore­duktion zurückführen, wobei dieses Motiv sich wiederum vermutlich auf dem Konsistenzmotiv gründet. Die Stärke der Erregung ergibt sich zum einen daraus, inwieweit die Bestandteile des Risikopotentials die Unsicherheit über die Folgen einer Entscheidung fördern und zum anderen wie groß die zu erwartenden Konsequenzen sind. Die affektive Bewertung kommt dadurch zustande, daß das Motiv auf die Beseitigung dieses Risikopotentials gerichtet ist und damit ein bestehendes Potential als negativ bewertet wird. Je stärker das Motiv ausgeprägt ist, sprich je geringer der Risikotoleranzlevel ist, desto negativer ist tendenziell der mit einem bestimmten Risikopotential verbundene Affekt. Damit wird ein sehr analytisches Vorgehen eingeschlagen. Das führt dazu, daß zum Beispiel Begriffe wie Komplexität nicht eindeutig einem der beiden Potentiale zuge­ordnet werden können, sondern in positiv und in negativ bewertete Bestandteile zerlegt werden müssen. Je nach Situation wird Komplexität eher mit positivem oder eher mit negativem Affekt verbunden.

Die Zerlegung des Erregungspotentials in zwei Faktoren hat den Vorteil, daß unter­schiedliche Stimuli auch unterschiedlich betrachtet werden können. Dies ist mit keinem der bisherigen Ansätze im Bereich des SEV möglich. So kann es sein, daß zwei Stimuli das gleiche Erregungs­potential haben. Während der eine Stimulus jedoch ein großes Abwechslungspotential und ein geringes Risikopo­tential hat, ist dies bei dem anderen Stimulus genau anders herum. Mit den oben dargestellten Theorien würden beide Stimuli gleich behandelt werden, weil der Affekt alleine aufgrund der Summe der Erregung theoretisch ermittelt würde. Beide bekämen theore­tisch das gleiche Erregungsniveau und damit den gleiche Affekt zugeordnet. Gleich­zeitig wären in der Realität aber unterschiedliche affektive Bewertungen der Stimuli zu beobachten. Diese Beobachtung könnte mit keiner der etablierten Theorien erklärt werden. Mit diesem neuen Ansatz ist eine differenziertere Betrach­tung der Zusammenhänge möglich.

Die Zerlegung des Erregungspotentials hat noch einen weiteren theoretischen Vorteil. So ermöglicht die Trennung der Erregungsgrundlagen in diese beiden Komponenten eine Erklärung des Verhaltens ohne Rückgriff auf die Aktivationstheorien und deren Versuch der Erklärung der affektiven Bewertung, alleine durch etablierte Motive, nämlich dem Konsistenzmotiv oder dem Motiv nach Risikoreduktion und dem Abwechslungsmotiv. Durch einen Stimulus werden diese beiden Motive immer in bestimm­tem Umfang befriedigt oder nicht.

Die Entscheidung für oder gegen einen Stimulus stellt sich unter diesen Voraussetzungen als ein klassi­scher Fall eines Appetenz-Aversions-Konfliktes dar. Durch die Marke sind die positiv und die negativ bewerteten Eigenschaften unverbrüchlich miteinander verbunden. Aufgrund der Motive wird von einer Aversion gegenüber dem Risikopotential und einer Appetenz gegenüber dem Abwechslungspotential ausgegangen.

Raju schlägt vor, die Gesamt-Präferenz für einen Stimulus aus der Summe der einzelnen Präfe­renzen oder Affekte abzuleiten.[4] Eine Unterstützung dieses Standpunktes kann aus dem bei Herkner dargestell­ten Einstellungskonzept von Rosenberg abgeleitet werden. „Die Gesamtbe­wer­tung von Einstellungsobjek­ten ist eine Art Mittelwert aller mit dem Einstellungsobjekt verbun­denen Meinun­gen.“[5] Meinung ist jede konkrete Relation zwischen zwei Einstellungs­objekten. Dieser Gesamt-Präfe­renzwert ist ein Verstärker in bezug auf die Handlung „Kauf der Marke“. Damit kann der Markenkauf oder auch Markenwiederkauf lerntheoretisch interpretiert werden.

Wir gehen davon aus, daß die Eigenschaften, die die beiden Erregungspotentiale bedingen, weitgehend unabhängig voneinander sind. Unter dieser Voraussetzung kann man sowohl für das Abwechslungspo­tential, als auch für das Risikopotential theoretisch eine Präferenzfunktion bil­den. Eine solche Präferenz­funktion soll aussagen, welche Ausprägung dieser Faktoren mit welchem Affekt verbunden ist. An dieser theoretischen Präferenzfunktion alleine kann das tatsächliche Handeln nicht abgelesen werden, da sich die Motivation für bestimmte Handlungen aus der Summation aller mit dem Stimulus verbundenen Affekte ergibt.

Es wird davon ausgegangen, daß zwischen dem Abwechslungs­poten­tial und dem positiven Affekt grundsätzlich ein positiv orientierter Zusammenhang besteht. Auch zwischen dem Risikopotential und dem negativen Affekt besteht ein positiver Zusammenhang. Das bedeutet, je größer das Risikopotential ist, desto größer ist der negative Affekt. Grundsätzlich ist der mit dem Risikopotential verbundene Affekt immer negativ. Im Gegensatz dazu ist das Abwechs­lungspo­tential nicht grundsätzlich mit positiven Affekten verbunden. Wenn das Abwechslungs­potential eines Stimulus so gering ist, daß Langeweile auftritt, sind mit dem Stimulus sogar negative Affekte verbunden. Es wäre möglich, eine weitere analytische Trennung zwischen dem positiven und dem negativen Affekt, der mit dem Abwechs­lungspotential verbunden ist, vorzunehmen. Darauf soll aus Gründen der Vereinfachung verzichtet wer­den. Damit sind die Orientierungen der Präferenzfunktionen festgelegt. Es wird sich bei den Präfe­renz­funktionen vermutlich nicht um Geraden handeln. Zu Beginn dieser Arbeit wurde die Studie von Bawa[6] erwähnt, der einen Zusammenhang zwischen der Vertrautheit mit einer Marke und dem damit verbundenen Nutzen in Form eines umgedrehten Us feststellte. Da Vertrautheit mit einer Marke nichts anderes ist als die Abnahme der durch die Marke hervorgerufenen Erregung, geht es bei Bawa auch um den Zusammenhang zwischen Erregung und Affekt.[7] Wenn wir von der Validität dieser Untersuchung ausgehen, wie müßten die Zusammenhänge zwischen dem Risiko­po­tential bzw. dem Abwechslungspo­tential und dem entsprechenden Affekt algebraisch gestaltet sein, damit die Summe der beiden eine entspre­chende Kurve ergibt? Die Voraus­setzungen können zum einen aus dem Aufsatz von Coombs und Avrunin[8] und auf der anderen Seite aus den oben angestellten Überlegungen über die Entwicklung der Affekte aufgrund von Motivbe­friedigung im Zeitablauf abgeleitet werden. Damit aus der Summation der beiden Präferenzfunk­tionen eine Funktion in Form eines umgedrehten Us entsteht, muß die erste parti­elle Ableitung der Appetenz­funktion nach dem Abwechslungspotential positiv und die zweite partielle Ableitung negativ sein. Eine Funktion, die diese Bedingungen erfüllt ist zum Beispiel die log-Funktion. Dagegen müssen sowohl die erste, als auch die zweite Ableitung der Aversions­funktion negativ sein. Diese Bedingung wird zum Beispiel von der Funktion f(x)=-x2 erfüllt. Für die näheren mathematischen Spezifikationen und Bedingungen der Eingipflig­keit sei der interessierte Leser auf den Aufsatz von Coombs und Avrunin: „Single-Peaked Functions and the Theory of Preference.“[9] verwiesen. Eine weitere Ausführung in dieser Arbeit würde zum einen den Rahmen sprengen und zum anderen ist nicht zu erwarten, daß übertriebene mathematische Spezifikationen in der empiri­schen Untersuchung nach­gewiesen werden können.

Zusätzlich zu diesen Bedingungen wollen wir davon ausgehen, daß die Appetenz­funktion gegen einen Grenzwert konvergiert oder eine log-Funktion ist und die erste Ableitung der Aversions­funktion mindestens zweiten Grades oder eine Exponentialfunktion sein muß.

Diese Annahmen über die reale Entwicklung der Erregungspotentiale, ergeben sich aus den theoretischen Vorarbeiten. So ist nachzuvollziehen, daß nicht jeder zusätzliche Neuartigkeits­aspekt eines Stimulus als gleich positiv empfunden wird. Irgendwann tragen zusätzliche neue Aspekte nicht mehr dazu bei, den Stimulus als noch positiver erscheinen zu lassen oder die Veränderung geht nur sehr langsam von­statten, weil das Motiv immer mehr befriedigt ist. Es gibt einen Sättigungswert bezüglich des Abwechs­lungspoten­tials. Vermutlich wird ab einem be­stimmten Niveau ein zusätzliches Abwechslungspotential sogar als negativ und das kumulierte Abwechs­lungs­potential deshalb als weniger angenehm empfun­den. In dieser Frage soll dem schon erwähnten Zi­tat von Kroeber-Riel[10] gefolgt werden, daß der Schei­telpunkt in der Konsumenten­forschung mit üblichen Mitteln nie erreicht wird. Da der Bereich nach dem Scheitelpunkt nicht mehr interes­sant ist, reicht die oben getroffene mathematische Spezifikation aus.

Abb. 5 (Das Konzept)
Abb. 5 (Das Konzept)
Auch bezüglich der Risikoaversion sind die mathematischen Vorgaben durchaus plausibel und ergeben sich aus den theoretischen Vorarbeiten. So wird ein geringes Maß an Risikopotential nicht sonderlich starke negative Affekte hervorrufen. Je größer dieses Risikopotential jedoch wird, desto stärker wird der damit verbundene Konflikt. Die mathematischen Forderungen an die Aversionskurve, führen dazu, daß diese einen Knick hat. Ab diesem Knick führt eine Zunahme des Risikopotentials zu einer über­proportionalen Zunahme der negativen Affek­te. Damit kann der oben getroffenen Drei­teilung des Risiko­potentials gefolgt werden.

Wenn die Präferenzen den obigen Bedingun­gen folgen, entsteht die in der Literatur gefor­derte ∩-Kurve. Aus der Abbildung 5 wird deutlich, daß aus diesem Konzept nicht die ∩-Kurve von Berlyne[11], sondern die von Streufert und Driver[12] resultiert, da positive Affekte möglich sind.

Es können zwei Störeinflüsse auftreten, die dazu führen, daß die ∩ – Kurve nicht zustande kommt. Zum einen führt ein unterschiedlich starkes Abwechslungs­bedürfnis und eine unter­schiedlich starke Risikoto­leranz zu einer vertikalen Verschiebung der zwei Kurven. Zum anderen können produktspezifi­sche Risiko- oder Abwechslungseigenschaften der Marke zu ei­ner horizon­talen Verschiebung der Kurve führen.

An dieser Stelle wollen wir auf Berlynes[13] Unterscheidung in intrinsische und extrinsische Motive zurückkommen. Die bisher behandelten Erregungspotentiale fallen nach dieser Katego­ri­sierung unter die intrinsischen Motive. Neben Abwechslungssuche und Risikovermeidung gibt es jedoch noch andere Faktoren, die die Wiederkaufwahr­schein­lich­keit einer Marke bedingen. Gemeint ist der Bereich, in dem bestimmte Produkte die Lösung für Probleme des Konsumenten sind. Dieser Bereich der Antriebe fällt in die Kategorie der extrinsischen Motive. Der Affekt gegenüber der Marke, der sich aus einem solchen Motiv ergibt, kann von entschei­dender Bedeu­tung sein. Ein besonders starkes extrinsisches Motiv kann einen Konsumenten dazu veranlassen, eine Marke weiterhin zu kaufen, obwohl sie langweilig oder zu riskant ist. Solche Motive sind meist relativ stabil über die Zeit, weil es sich um Einstellungen gegenüber der Marke handelt. An dieser Stabilität ändert eine lediglich veränderte Vertrautheit nichts. Es sei denn, durch diese Vertrautheit werden neue Informationen bekannt, die die Einstellung des Konsumenten ge­genü­ber der Marke ändern. Die extrinsischen Aspekte werden bei diesem Konzept vollkommen ausge­klammert. Untersucht wird nur der dahinter verborgene Prozeß, der auf den intrinsischen Motivationen beruht. Bei der Untersuchung ist deshalb darauf zu achten, daß keine Produkte ausgewählt werden, bei denen extrinsische Motivationen im Vor­dergrund stehen.

Wenn die extrinsischen Motivationen außer Betracht gelassen werden, sind die oben dargestell­ten Zusammenhänge in der Lage, die Grundhypothese zu erklären. Zunächst sind bei einer neuen Marke sowohl das Abwechslungspotential, als auch das Risikopotential tendenziell hoch. Wenn die Marke immer wieder gekauft wird, werden beide im Laufe der Zeit langsam abneh­men. Da die wichtigsten Risikofaktoren annahmegemäß sehr schnell abgebaut werden, wird das Risikopotential schnell abnehmen. Die Reduktion des Abwechslungspotentials geht gemäß der Annahmen nicht so schnell vonstatten. Damit wird die affektive Bewertung und damit die Wahrscheinlichkeit der Markentreue zunächst steigen. Nach und nach wird das Risikopotential bei wiederholter Konsumtion immer geringer werden. Das Gefälle ist allerdings gering. Demge­genüber nimmt die Abnahme des Abwechslungspotentials immer mehr zu. Damit beginnt die affektive Bewertung der Marke schlechter zu werden, wodurch die Wiederkaufwahr­scheinlich­keit sinkt. Irgendwann wird der Gesamtaffekt negativ werden, was zu einer Wiederkaufwahr­scheinlichkeit von etwa null aufgrund von Langeweile führt, sofern nicht extrinsische Gründe dagegen sprechen. Bei all diesen Aussagen ist das Gesetz des relativen Effektes zu beachten. Aus diesem Grunde ist die Wiederkaufwahrscheinlichkeit nicht alleine von der betrachteten Marke, sondern auch von allen anderen Marken abhängig. Außerdem hat die Veränderung der Wiederkaufwahrscheinlichkeit der aktuellen Marke Einfluß auf die Kaufwahr­schein­lichkeit der anderen Marken.


[1] vgl.: Berlyne, D. E., (1960, 1963, 1970)

[2] vgl.: Streufert, S.; Driver, M. J., (1971)

[3] vgl.: Raju, P. S.; Venkatesan, M., (1980), S. 5

[4] vgl.: Raju, P. S., (1981)

[5] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 182

[6] vgl.: Bawa, K., (1990)

[7] Nutzen ist bei Bawa im Sinne von Affekt gemeint.

[8] vgl.: Coombs, C. H.; Avrunin, G. S., (1977)

[9] vgl.: Coombs, C. H.; Avrunin, G. S., (1977)

[10] vgl.: Kroeber-Riel (1992), S. 77

[11] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[12] vgl.: Streufert, S.; Driver, M. J., (1971)

[13] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)