Der Begriff Markentreue soll hier nicht nur als leere Worthülse des Marketings genutzt , sondern wissenschaftlich durchleuchtet werden. Unser alltägliches Entscheidungsverhalten ist geprägt von intraindividuellen Konflikten. Solche Konflikte treten in den verschiedensten Situationen und dann in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Eine mögliche Ausprägung ist der Appetenz-Aversions Konflikt, der sich dadurch auszeichnet, daß das erwartete Ergebnis einer Handlung sowohl mit positiv, als auch mit negativ bewerteten Folgen behaftet ist. Auch Kaufentscheidungen sind immer mit Appetenz-Aversions Konflikten verschiedenster Art verbunden. Einer dieser Appetenz-Aversions-Konflikte im Rahmen der Kaufentscheidung ist die Tatsache, daß der Konsument auf der einen Seite das Kaufrisiko so gering wie möglich halten möchte und auf der anderen Seite ein Bedürfnis nach Abwechslung hat. Der Konflikt entsteht dadurch, daß Abwechslung meist Risikosituationen unausweichlich macht. In der Kaufsituation steht der Konsument vor der Entscheidung, entweder durch den Kauf einer bekannten Marke, das Risiko zu reduzieren oder aber durch den Kauf einer neuen Marke Abwechslung in sein Konsumverhalten zu bringen, dadurch aber ein erhöhtes Risiko zu akzeptieren. Dieser Konflikt, seine Hintergründe und seine Auswirkungen sind Thema dieser Arbeit und sollen den Begriff Markentreue für Marketint-Strategien greifbarer machen.
Das diesen Konflikt auslösende Entscheidungsproblem wird meist unter dem Stichwort der Markentreue behandelt, wobei die Konfliktsituation, die damit angesprochen wird, oft von den Autoren nicht realisiert wird. Eine markentreue Entscheidung liegt – grob zusammengefaßt – dann vor, wenn die Wahl zugunsten der Risikoreduktion ausfällt, wobei Lernerfahrungen eine wichtige Rolle spielen. Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit diesem Phänomen. Nicht alleine Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen versuchen ihren Teil zum Erkenntnisfortschritt beizutragen, auch Soziologen, Mathematiker und Statistiker sind im Dienste dieses für die wirtschaftliche Praxis so wichtigen Phänomens tätig, indem sie neue und immer aufwendigere Modelle entwickeln, um markentreues Verhalten vorherzusagen.
Um das markentreue Verhalten als Konfliktverhalten näher betrachten zu können, müssen zunächst die einzelnen Determinanten dieser Verhaltensweise verdeutlicht werden.
Übereinstimmung herrscht in der Literatur weitgehend darüber, daß es einen Zusammenhang zwischen der Markentreue und dem mit der Kaufentscheidung verbundenen Risiko gibt. Große Beachtung haben in diesem Kontext die Arbeiten der Mitglieder der Havard University gefunden, die den Begriff des wahrgenommenen Risikos in der Konsumentenforschung etablierten.[1]
Die Risikotheorie ist geeignet, markentreues Verhalten zu erklären. Ungeeignet ist sie, wenn es darum geht, das gegenteilige Verhalten, also den Markenwechsel, zu ergründen. Voraussetzung ist, daß man davon ausgeht, daß Markenwechsel nicht alleine durch das Nachlassen des Risikos zu erklären ist. Hier erwiesen sich verschiedene aktivationstheoretische Ansätze als fruchtbar. Der wohl bekannteste Ansatz in diesem Forschungsfeld ist der von Berlyne.[2] Die aktivationstheoretischen Ansätze reichen alleine jedoch nicht aus, Abwechslungsverhalten zu erklären. Aus diesem Grunde sind Überlegungen zu einem Abwechslungsmotiv notwendig. Ein Blick in die Literatur zeigt, daß es sich bei der Frage nach der Existenz eines Abwechslungsmotivs um ein kontrovers diskutiertes Thema handelt, das auch im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend behandelt werden kann.
Es herrscht kaum noch Zweifel darüber, daß sowohl das Streben nach Risikoreduktion, als auch das Streben nach Abwechslung einen Einfluß auf die Wiederkaufentscheidung einer Marke haben. Im Rahmen einer umfangreichen Literaturrecherche konnte jedoch kein konzeptioneller Rahmen ausgemacht werden, der das Streben nach Risikoreduktion und das Streben nach Abwechslung, als zwei getrennte Antriebe in ihrer Wirkung auf markentreue Einstellung untersucht. Deshalb ist es Ziel dieser Arbeit, ein sozialpsychologisch fundiertes Konzept aufzustellen, das die Wirkung dieser beiden Antriebe auf die Wahrscheinlichkeit der markentreuen Einstellung aufzeigt. Bei dieser Aufgabe erweisen sich Beiträge aus dem Bereich der Lerntheorie und der Dissonanztheorie als hilfreich.
[1] z.B.: Cox, F. D., (1967)
[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)