Bedeutung für die theoretische Diskussion

Diese Untersuchung kann zum Fortschritt bei der Aufdeckung der Gründe für Markentreue beitragen. Zum einen wurde der Einfluß von Abwechslungs- und Risikopotential aufgezeigt. Zum anderen wurden diese Einflüsse in einen aktivationstheoretischen Kontext gebracht. Damit ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Hintergründe von Markentreue gelungen. Das hier aufgestellte Konzept von Markentreue, hat nichts mehr mit den stochastischen Markentreue-Modellen zu tun, die in der Literatur durchgängig als Definition angeführt werden. Während diese Modelle darstellen, wie Markentreue zu erkennen ist und aufgrund dieser Einsicht ableiten, in welchem Umfang die Markentreue in der Zukunft auftreten wird, macht das hier bestätigte Konzept Aussagen darüber, warum Markentreue auftritt. Wenn die Ursachen der Markentreue bekannt sind, dann können auch auf diesem Wege Voraussagen abgeleitet werden. An verschiedenen Stellen wurde schon auf die Bedeutung der extrinsischen Motivatio­nen hingewiesen. Die in dieser Arbeit abgeleiteten Zusammenhänge beziehen sich zunächst ausschließlich auf intrinsische Motivationen. Da die extrinsischen Motivationen eine große Bedeutung für das Markenauswahlverhalten haben, ist es für das umfassende Verständnis des Phänomens Markentreue notwendig, auch diese Motivationen und deren Wechselwirkungen mit den intrinsischen Motivationen zu ergründen.

Diese Untersuchung soll auch dazu anregen, die aktivationstheoretischen Ansätze, also die Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens, kritisch zu betrachten. Diese sprechen immer nur von einer einheitlichen, unabhängigen Variablen, die eine ∩-Kurve bedingt. Zu überprüfen wäre, ob hier nicht zumindest zwei Faktoren vorliegen, die in einem Konfliktver­hältnis stehen und in einer entsprechenden Kurve resultieren.

Neben den sehr naheliegenden Übertragungen der Erkenntnisse auf andere Produktkategorien und Dienstleistungen, wäre eine Übertragung des Konzeptes auf Probleme der zwischen­menschlichen Partnerschaft, also dem Begriff der „Treue“ im engeren Sinne, vorstellbar und sicher fruchtbar. Auch hier ist ein Drang nach Abwechslung nicht zu verleugnen und auch hier birgt jede Untreue Risiken der verschiedensten Art in sich. Auch in der Partnerschaft sind das Bedürfnis nach Abwechslung und die Angst vor Bedrohungen oder Risiken im Zeitablauf einem Wandel unterworfen.

Zuletzt sei kurz darauf hingewiesen, daß in dieser Arbeit von zwei getrennten Motiven, einem Konsistenzmotiv und einem Motiv nach Abwechslung ausgegangen wurde und damit keine Probleme auftraten. Dies sei als Anstoß zu weiterer Forschung zu der Frage eines eigenständi­gen Abwechslungsmotivs zu verstehen.

Bedeutung für die Markenpolitik

Abwechslungspotential und Risikopotential haben sich als zwei wichtige Determinanten der Markentreue erwiesen. Damit hat die Markenpolitik zwei Angriffspunkte, an denen sie ansetzen kann um das Verhalten der Konsumenten gezielt zu beeinflussen. Das Ziel der Markenpolitik ist es den Konsumenten an die Marke zu binden. Die Rezepte, wie dies erreicht werden kann, können relativ einfach aus dieser Untersuchung abgeleitet werden. Wie diese Rezepte dann psychologisch effektiv in die Realität umgesetzt werden können, ist eine andere Frage.

Das erste Rezept lautet: „Sorge dafür, daß Deine Marke nie langweilig wird.“ Dabei sollte die Markenpolitik sich zunächst nicht an der ∩-Kurve orientieren, da diese Kurve, wie sie zum Beispiel bei Berlyne[1] abgeleitet ist, das gesamte Erregungspotential, inklusive dem Risikopo­tential enthält. Anders verhält es sich mit den Aussagen von Kroeber-Riel[2] über den Zusam­menhang von Affekt und Neuartigkeit. Er macht klare Aussagen über den Zusammenhang zwischen Abwechslungsaffekt und Reizintensität und darüber, daß es einen Scheitelpunkt gibt. Er sagt aber im weiteren, daß dieser Scheitelpunkt in der Konsumentenforschung normaler­weise nicht erreicht wird. Die Markenpolitik kann also zunächst ohne Rücksicht auf negative Affekte das Abwechslungspotential der Marke erhöhen. Selbstverständlich können Probleme in anderen Bereichen, wie zum Beispiel Wiederer­kennungsvermögen oder Mißfallen der Neue­rung an sich auftreten, diese sind jedoch nicht Inhalt dieser Untersuchung, da es sich dabei um extrinsische Motivationen handelt.

Zweites Rezept ist, das Risikopotential der eigenen Marke möglichst niedrig zu halten und das Risikopotential der anderen Marken oder eines Wechsels möglichst groß darzustellen. Gerade im Bereich der Risikoreduktion beim eigenen Produkt, gibt es im Marketing eine ganze Reihe von Standardinstrumenten wie Gratisproben, Umtausch- oder Rückgabegarantie, Mei­nungsführerwerbung usw.

Bei beiden Rezepten ist zu beachten, daß die Markenpolitik nur die Möglichkeit hat, das aktuelle Bild der Marke zu beeinflussen. Sie hat weder die Möglichkeit nachträglich das ur­sprüngliche Abwechslungspotential, noch das ursprüngliche Risikopotential zu verändern. Außerdem kann sie kaum Einfluß auf das Reizbedürfnis und die Risikotoleranz des einzelnen nehmen.

Bisher wurde mehr oder weniger explizit immer nur von Produkten gesprochen. Sicher ist es möglich die hier gefundenen Erkenntnisse auch auf Dienstleistungen zu übertragen. Ob aller­dings Markentreue eine übliche Risikoreduktionsstrategie im Bereich der Dienstleistungen ist, bleibt zu klären. Guseman kam zumindest zu folgendem Schluß: „…it was found that services, as a whole, were percei­ved as beeing more risky than products…. that consumers use diffe­rent risk reduction strategies for services than they do for products.“[3] Aufgrund des größeren wahrgenommenen Risikos und der hohen Wahrscheinlichkeit der Markentreue als Risikoreduk­tionsstrategie im Produktbereich ist es nicht unwahrscheinlich, daß Markentreue auch eine angemessene Strategie im Dienstleistungsbereich ist.

Generell können die gefundenen Ergebnisse nicht ungetestet auf andere Länder übertragen werden. Wie schon Verhage[4] in seiner Untersuchung feststellte, gibt es erhebliche nationale Unterschiede bezüglich der Risikowahrnehmung und dem Zusammenhang zwischen wahrge­nommenem Risiko und Markentreue. Es wäre unter Umständen möglich, daß diese Unterschie­de auf einen Unter­schied, bezüg­lich der in dem dargestellten Konzept verwandten intervenie­renden Variablen insbesondere der Risikotoleranz und dem Reizbedürfnis zurückzuführen ist. Diese Hypothese scheint durchaus plausibel, da die Risikotoleranz und das Reizbedürfnis sicher in einem engen Zusammenhang mit dem Temperament stehen. Tempera­ment variiert stark zwischen verschiedenen Nationalitäten. Dazu muß jedoch zunächst generell, in weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen, der Einfluß der beiden Persönlichkeitsdeterminanten geklärt werden.


[1] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[2] vgl.: Kroeber-Riel, W., (1992), S. 77

[3] Guseman S. D., (1981), abstract

[4] vgl.: Verhage, Bronislaw J., (1990)

Fazit und Ausblick

Die Untersuchung kann trotz der ausgeführten Probleme und Fehler als erfolgreich bezeichnet werden, weil die aus theoretischen Vorarbeiten abgeleiteten Hypothesen zu einem großen Teil bestätigt werden konnten.

Markentreue konnte, in bezug auf die intrinsischen Motivationen, als das Ergebnis eines intraindividuellen Konfliktes bestätigt werden. Die vermuteten Einflußfaktoren Abwechslungs­appetenz und Risikoaversion zeigten eine große Erklärungskraft für die Entwicklung der Markentreue, bei sich verändernder Erregung aufgrund der wahrgenommenen Eigenschaften des Produktes. Damit konnte ein Beitrag zur Aufklärung des Phänomens Markentreue geleistet werden. Die naive Ausgangshypothese, wie sie zu Beginn des theoretischen Teils dargestellt wurde, kann darüber hinaus als bestätigt angesehen werden. Neben der Bestätigung wurde jedoch auch klargestellt, warum diese Hypothese richtig ist. Gleichzeitig wurde das Phänomen Markentreue in den aktivationstheoretischen Rahmen eingeordnet. Außerdem wurde Marken­treue vor allem unter lerntheoretischen und konsistenz­theoretischen Hintergründen betrachtet, um daraus die theoretische Fundierung für das Konzept zu ziehen. Die Bestätigung des Kon­zeptes kann gleichzeitig auch als Nachweis für die richtige Zuordnung der theoretischen Zusammenhänge gewertet werden.

Nachdem das Konzept im Rahmen dieser Untersuchung mit vergleichsweise geringem Zeitauf­wand getestet wurde, erscheint es nach dessen weitgehender Bestätigung sinnvoll, mit dem gleichen Konzept eine Längsschnittuntersuchung durchzuführen. Das explizierte Konzept eignet sich in besonderem Maße dazu, im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung geprüft zu werden. Die im Rahmen dieser Untersuchung vorgenommene Operationa­lisierung, leitet sich aus der Notwendigkeit ab, die Untersuchung in einem sehr begrenzten Zeitraum durchführen zu müssen. Aus diesem Grunde reichte es nicht aus, die aktuellen Einstellungen abzufragen, sondern es waren immer auch Aussagen über die Vergangenheit und die Zukunft nötig. Solche Aussagen können jedoch durch die verschiedensten Einflüsse verfälscht werden. Erstrebenswert wäre es den Risikoaffekt und den Abwechslungs­affekt einzelner Personen über einen längeren Zeitraum zu erfassen. Das Konzept an sich braucht für eine Längsschnittuntersuchung nicht ge­ändert zu werden. Die Variable Gewöhnung für die Vielzahl der Befragten braucht nur durch Nutzungszeit oder Konsumtionen bei einem einzelnen Individuum ersetzt zu werden. Damit verlieren auch die Variablen Risikotoleranz und Reizbedürfnis an Bedeutung, da nicht jeder Punkt der erwarteten Kurve von einer anderen Person kommt, sondern alle Punkte von der gleichen Person.