Implikationen der Theorie des Such- und Entdeckungsverhaltens

Die Theorien des SEV gründen auf den Aktivationstheorien, die davon ausgehen, daß der Mensch ein optimales Erregungsniveau hat und jeder Erregung eine bestimmte affektive Bewer­tung zugeordnet ist. Wenn das optimale Erregungsniveau, bedingt durch externe oder interne Stimuli, verlassen wird, dann setzt das SEV ein, um wieder in diesen Punkt zurückzukehren. Viele Theorien gehen von einem Zusam­menhang in der Form einer ∩-Kurve aus. Auf der Abszisse wird dabei die zunehmende Erregung und auf der Ordinate die affektive Bewertung dieser Erregung abgetragen.

Such- und Entdeckungsverhalten kann sich in ganz unterschiedlicher Art und Weise mani­festieren. Zwei wichtige Verhaltensweisen in diesem Zusammenhang sind Markentreue und Markenwechsel. Markentreue wird aus zwei Gründen zum SEV gerechnet: Erstens weil der Konsument durch Markentreue die Möglich­keit hat, sich intensiver mit der Marke zu beschäfti­gen und zweitens weil er damit aversiven Erfahrungen mit anderen Marken aus dem Weg gehen kann. Markenwechsel dagegen ist eine Möglichkeit, andere als die schon bekannten Stimuli kennenzulernen. SEV hat damit vor allem zwei Eigenschaften: Die Erfor­schung eines bekann­ten Stimulus und die Suche nach einem neuen Stimulus. In der Kaufentschei­dungssituation hat der Konsument damit zwei Alternativen; entweder kauft er weiterhin die bewähr­te Marke oder er probiert eine neue Marke aus. Bevor die Kaufentscheidung getroffen wird, hat jede dieser beiden Entscheidungsalternativen eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zur Ausführung zu kom­men. Es wird davon ausgegangen, daß die Entscheidung für eine der beiden Alternativen von der affektiven Bewer­tung des Ergebnisses der Entscheidung abhängig ist. Die affektive Bewertung des Ergebnisses ist bei ausschließlicher Betrachtung der intrinsischen Faktoren von der Erregung abhängig, die durch das Er­gebnis der Entscheidung erreicht würde.

Wenn die mit einem häufigen Wiederkauf der gleichen Marke verbundene Erregung betrachtet wird, ist zu erwarten, daß mit zunehmender Vertrautheit mit der Marke die Erregung abnimmt. Dies ist dadurch zu erklären, daß die Marke zunächst neu, unge­wöhnlich, aufregend und vielleicht einigermaßen riskant ist, ebenso wie alle anderen sich auf dem Markt befindlichen Marken. Je mehr der Konsument sich mit der Marke ausein­andersetzt, desto weniger wird diese als neu, ungewöhnlich, aufregend und riskant emp­funden. Die sich verändernde Erregung wird entsprechend der dargestellten Konzepte affektiv bewertet. Diese sich ändernde affektive Bewertung hat Einfluß auf die Motivation, beim nächsten Mal wieder die gleiche Marke zu kaufen und damit auf die Wiederkauf­wahrscheinlichkeit. Entsprechend wird sich die Wieder­kaufwahr­scheinlichkeit vermutlich auch in der Form einer ∩-Kurve entwickeln. Eine zuneh­mende Wahr­scheinlichkeit des Wiederkaufs bedeutet gleichzeitig eine abnehmende Wahr­scheinlichkeit des Marken­wechsels und umgekehrt.

Die eindimensionale Betrachtungsweise, bei der eine einheitliche Erregung, entsprechend ihrer Stärke entweder positiv oder negativ bewertet wird, wird in Frage gestellt. Affekt kommt nach Schachter[1] durch die Erregung und die der Situation entsprechenden Bewertung dieser Erre­gung zustande. Viele Stimuli, so auch jede Marke, haben sowohl positiv als auch negativ bewer­tete Eigen­schaften. Gleichzeitig führen diese Eigenschaften zu einer Erregung. Die Stärke des mit der Marke verbundenen Affektes ist von der Ausprägung der Eigenschaften der Marke abhängig. Die Art des Affektes ist von der Art der Eigenschaften abhängig. Manche Eigenschaf­ten der Marke verstärken den Wiederkauf, weil sie mit einem positiven Affekt verbunden sind, und andere sind dazu geeignet, den Wiederkauf zu verhindern, weil sie mit einem negativen Affekt verbunden sind. Damit ist die Entscheidungssituation bezüglich dieser Marke eine Konflikt­ent­scheidung und das Ergebnis dieser Entscheidung wird entsprechend der Stärke und dem Verhältnis der positiven oder der negativen Eigenschaften der Marke bewertet.

Wenn von dieser zweidimensionalen (oder auch einer mehrdimensionalen) Sichtweise ausge­gan­gen wird, führt eine stärkere Erregung durch einen positiven Reiz zu einem immer stärker werdenden positiven Affekt, während eine immer stärker werdende Erregung durch einen negativen Reiz zu einem immer stärker werdenden negativen Affekt führt. Die Summe der beiden kann in einer ∩-Kurve resultieren, muß es aber nicht. Ob die ∩-Kurve zustande kommt, hängt von der tatsächlichen Lage der einzelnen Kurven zueinander ab.

Der optimale Erregungslevel ist nicht bei allen Menschen der gleiche, sondern wird bei ver­schie­denen Personen erst bei einem unterschiedlichen Erregungsniveau erreicht. Entsprechend ist auch die Tendenz zur Markentreue bei verschiedenen Menschen in der gleichen Situation un­terschied­lich.


[1] vgl.: Schachter S.; Singer, J. E, (1962)