Stellung der Arbeit in der Markentreueforschung

Die Vereinigten Staaten waren und sind der Mittelpunkt der Erforschung markentreuen Verhal­tens. Der Begriff „brand-loyalty“ tauchte dort erstmals 1942 auf.[1] Ausführlicher behandelte dann zehn Jahre später Brown dieses Thema in einer Aufsatzserie in der Zeit­schrift Advertising Age.[2] Danach rissen die Veröf­fentlichungen nicht mehr ab. Heute ist die Zahl der Bücher, Auf­sät­ze und Untersuchungen über die Markentreue vor allem im englisch­sprachigen Raum nicht mehr über­schaubar. Im deutschsprachigen Raum wird dieses Thema selten intensiv behandelt.

Zum ersten Mal erwähnt wurde das Phänomen schon in den zwanziger Jahren. Copeland nennt es jedoch „brand insistence“ und nicht „brand loyalty“.[3] Zwischen 1923 und 1952 wurden die verschiedensten Methoden und Ansätze zur Erklärung von Markentreue getestet.

Churchill schlug 1942 die Verwendung von Panels vor, um das langfristige Kaufverhalten besser erfassen zu können.[4] Brown versuchte als erster neben dem Verhalten auch die Einstel­lungen in die Überlegung mit einzubeziehen. Cunningham entwickelte diesen Ansatz weiter, maß die Marken­treue jedoch haupt­sächlich auf der Grundlage des Marktanteils und damit rein behaviori­stisch. Markentreue war für ihn nicht mehr als „the proportion of total purchases represented by the largest single brand used“.[5] Ein Konsument ist also der Marke gegenüber loyal, die er prozentual am häufigsten erwirbt. Pessemier entwickelte die Untersuchungsformen weiter. Er führte Experi­mente zum Kaufverhalten durch und be­schränkte sich nicht darauf, Markentreue festzustellen, sondern versuchte auch, den Grad der Markentreue zu ermitteln.[6]

Großen Einfluß auf die weitere Untersuchung des Phänomens der Markentreue hatten die Arbeiten von Kuehn und Lipstein. Beide waren daran interessiert, die mathematischen Fort­schritte in der Lerntheorie zu benutzen, um stochastische Modelle aufzustellen. Von Kuehn stammt das immer wieder aufgegriffene „linear-learning model of brand loyalty“.[7] Lipstein führte aus, wie das Prinzip der Markov-Ketten auf Markentreue und Markenwechsel angewen­det werden kann.[8] In den folgenden Jahren wurden immer wieder neue Modelle entwickelt, die teilweise neue Aspekte einarbeiteten, aber auch immer wieder die alten Annahmen aufgriffen.[9] In den späten sechziger Jahren sank die Popularität der stochastischen Modelle und es begann ei­ne verstärkte Suche nach den „wahren“ Hintergründen für Marken­treue. Trotzdem be­schränkten sich diese Untersuchungen immer noch hauptsächlich auf quantitative Faktoren, wie die Länge der „runs“[10], was wiederum wenig mit der Suche nach den „wahren“ Beweggründen zu tun hatte. Es wurde zum Beispiel nicht unterschieden zwischen Markentreue-Verhalten und Markentreue-Einstellung. Diese Unter­scheidung wurde erst von Jacoby vorangetrieben. „Brand loyal behavior is defined as the overt act of selective repeat purchasing based on evaluative psychological decision processes, while brand loyal attitudes are the underlying predispositions to behave in such a selective fashion“.[11] Trotz­dem wurden bis heute die motivationalen Hintergründe der Markentreue nicht systema­tisch ergründet.

Nolte überprüfte verschiedene sozialpsychologische Theorien auf ihre Eignung als Erklärungs­ansatz für Markentreue. Er kam zu dem Ergebnis, daß vor allem die Lerntheorie, die Theorie der kognitiven Dissonanz und die Risiko­theorie aufgrund ihrer Konzeption und ihres Entwicklungsstandes geeignet sind, die Erkenntnisse über die Hintergründe der Markentreue fortzuentwickeln.[12]

Das Markentreue-Modell von Bawa[13] faßt einige interessante Aspekte zusammen und war Anstoß für diese Arbeit. „Das Meßmodell von Bawa kann aufgrund des Datums seiner Entwicklung und auf­grund der teilweisen Inte­gration von Bestandteilen aus Vorgänger-Modellen als der letzte Stand der Entwicklung angesehen werden.“[14] Er beschäftigte sich in einer behavioristisch angelegten Unter­suchung mit dem Thema Mar­kentreue. Zwar vermutete er einen Zusammen­hang zwischen Markentreue und dem aktuellen Erregungs­niveau, unterläßt es aber, näher auf die psychologi­schen Hintergründe der Markentreue einzugehen und beschränkte sich darauf Paneldaten auszu­werten. Aus der Auswertung der Paneldaten konnte er einen kurvilinearen Zusammenhang zwi­schen Vertrautheit und Wahrscheinlichkeit der Markentreue ableiten. Aufgrund der Form dieses Zusammenhanges (umgekehrtes U) schloß er darauf, hier den gleichen Zu­sammenhang gefunden zu haben, den auch Berlyne[15] im Rahmen seiner Untersu­chung zum optimalen Erre­gungsniveau gefunden hatte. Er geht nicht weiter auf die psychologi­schen Faktoren ein, die zu ei­nem derartigen Verhalten führen könnten.

An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an und versucht die Motivationen aufzuklären, die hinter einem solchen Verhalten verborgen liegen.


[1] vgl.: Churchill, H., (1942)

[2] vgl.: Brown, G. H., (1952/1953)

[3] vgl.: Copeland, M. T., (1923)

[4] vgl.: Churchill, H., (1942)

[5] Cunningham, R. M., (1956), S. 118

[6] vgl.: Pessemier, E. A., (1959)

[7] vgl.: Kuehn, A. A., (1962)

[8] vgl.: Lipstein, B., (1959)

[9] Eine gute Zusammenfassung findet man bei Jacoby, J.; Chestnut, R. W., (1978), S. 10-27.

[10] Ein „run“ ist die Anzahl der ununterbrochenen Wiederkäufe der gleichen Marke.

[11] Jacoby, J., (1971), S. 26

[12] vgl. Nolte, H., (1976), S. 197

[13] vgl.: Bawa, K., (1990)

[14] Gierl, H.; Marcks, M., (1993), S. 105

[15] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)