Vergleich der Konzepte

Der wichtigste Punkt, in dem sich die Konzepte unterscheiden, ist die affektive Bewertung der Ausprägun­gen der unabhängigen Variable und die daraus abzuleitenden Verhaltensweisen. Ein weiterer Unterschied zwischen den Konzepten ist die Größe der Erregung, die von verschiede­nen Stimuli theoretisch ausgelöst wird, sofern sie überhaupt darauf eingehen. Während der erste Punkt zu einer vertikal unterschiedlichen Lage der Kurven in den verschiedenen Konzepten führt, bedingt der zweite Punkt eine horizontale Ver­schiebung bei gleichen Sachverhalten (siehe Abb. 3). So geht Berlyne davon aus, daß im opti­malen Punkt die Erregung gleich Null ist, während die anderen Konzepte von einer Erregung in die­sem Punkt ausgehen. Dabei sei, alleine aus Grün­den der besseren Vergleichbarkeit unterstellt, daß es auch bei Hunt auf der einen Seite und Driver und Streufert auf der anderen Seite, eine Erregung gibt, die proportional zu der Nicht-Über­einstim­mung ist.

Abb. 3 (Vergleich der Konzepte)
Abb. 3 (Vergleich der Konzepte)
Die Theorie von Berlyne versagt im Gegen­satz zu der von Driver und Streufert, wenn es darum geht, die Freude an Neuem zu erklären. Im Konzept von Driver und Streufert führt ein Wechsel von einem langwei­ligen Stimulus zu einem, der mehr Nicht-Übereinstimmung bietet, zu einem Übergang vom negativen zu einem positi­ven Affekt.

Bei Berlyne gibt es nur eine Art von Verhal­tensweisen, die aus einer Abwei­chung von dem optimalen Niveau resultiert, das SEV. Berlyne schließt in seinem Kon­zept die spontane Abkehr von einem Stimu­lus nicht mit ein. Die anderen dargestellten Konzepte haben dagegen angemessene Erklärungen für dieses Verhalten. Fiske und Maddi[1] kritisieren ausdrücklich Ber­lynes[2] Behauptung bezüglich der „specific exploration“. Sie stellen in Frage, daß sich jemand in eine Situation begibt, die für ihn Konflikt bedeutet, vor allem, wenn er diesen durch eine Abkehr vom Stimulus beseitigen könnte. Dieser Standpunkt ist kompatibel mit den Aussagen der Disson­anztheorie. Berlyne[3] antwortet auf diesen Angriff, daß der Mensch es meist nicht ertragen könne, ungelöste Konflikte oder etwas Verunsicherndes bestehen zu lassen. Der Mensch wird sich deshalb erst wieder wohl fühlen, wenn er sich dem Konflikt gestellt und ihn gelöst hat. Auch diesen Standpunkt kann man bis zu einem gewis­sen Grad auf die Konsistenztheorien zu­rückführen. Es wird jedoch vermutlich eine Grenze geben, wo es nicht mehr nur das Bedürfnis nach Dissonanzreduktion ist, das den Men­schen dazu veranlaßt, sich mit der konfliktären Situation auseinanderzusetzen. Es muß auch nach einem Trieb gesucht werden, der die Auseinandersetzung mit solchen Kon­flikten sucht.

Der Ansatz von Fiske und Maddi findet sich weitgehend im Konzept von Hunt[4] wieder. Dieser geht davon aus, daß der optimale Punkt die angenehme Suche nach Stimulation von dem unange­nehmen Rückzug vom Stimulus trennt. Der wichtig­ste Unterschied zwischen den beiden Kon­zep­ten besteht darin, daß Hunt im Gegen­satz zu Fiske und Maddi von einer kogniti­ven Steuerung des Prozesses ausgeht.

Streufert und Driver erklären als einzige die Wahrscheinlichkeit für die Entscheidung zwischen dem SEV und einem Rückzug von dem Stimulus, sowohl bei zu hoher, als auch bei zu geringer Erregung durch die mit dem Stimulus verbundenen Affekte. Wenn die Affekte positiv sind, ist die Wahrscheinlichkeit des SEV größer. Wenn die Affekte negativ sind, ist die Wahrscheinlich­keit des Rückzuges größer. Anders ausge­drückt, je größer der Abstand vom GIAL ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Abwendung vom Stimulus.

Keiner der o.a. Autoren geht explizit auf eine Operationalisierung seiner unabhängigen Variable ein, mag sie nun Aktivierung, Erregungspotential, oder Nicht-Übereinstimmung heißen.

In einem Punkt besteht weitgehend Einvernehmen zwischen den Konzepten: Der optimale Stimulations­level ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Er ist nicht angeboren, sondern wird von kulturel­len Faktoren, dem psychologischen Zustand und Lernerfahrungen beeinflußt. Selbstverständlich spielen auch andere angeborene Persönlichkeits­merkmale eine Rolle bei der Entwicklung des otimalen Levels, sie agieren jedoch nur als intervenierende Varia­blen. Die Lernerfahrung kann sich zum Beispiel in der Weise manifestieren, daß der Konsument weiß, daß in einer vorgegebenen Situation ein bestimmter sehr hoher Erregungslevel für ihn optimal ist und ihn deshalb in dieser Situation akzeptiert.[5] Vor allem bei den folgenden Persönlichkeits­merkmalen konnte in verschiedenen Studien eine Korrelation zu der Höhe des optimalen Stimulationslevel nachgewiesen werden:[6] Intoleranz gegenüber Mehrdeutig­keit, Komplexität und Flexibilität, Alter, Ausbildung, Motiva­tion etwas zu erreichen, sozialer Status, Selbstvertrauen, Risikotoleranz, Involvement, Innovativi­tät, Häufigkeit des Markenwechsels, Informationsbedürfnis.

Der einzige situationale Faktor, der in der Literatur eindeutig identifiziert werden konnte, einen Einfluß auf die Höhe des optimalen Erregungslevel zu haben, ist die Vertrautheit mit der Situa­tion.[7]

Hansen faßt die Erkenntnisse zum optimalen Stimulationslevel wie folgt zusammen:

„The optimal level reflects that level which the individual has learned will be appropriate under the given circumstances. Thus, it depends on accumulated previous experiences. When an individual has learned, that a relatively high amount of arousal is optimal for him under some specific circumstances, he is willing to accept considerable complexity and conflict. On the other hand, when the individual has a low optimal level of arousal, only little complexity and conflict is tolerable. Berlyne (1960) suggests that the optimal level of arousal depends on a diversity of factors: We can expect personality factors, cultural factors, learning and psycho­lo­gical states all to play their parts in determining the level at which arousal tonus is maintained. Consequently, the rate of arousal potential that is optimal can be presumed to vary widely from individual to individual and from occasion to occasion.“[8]

Keines der vier Konzepte kann nach dem derzeitigen Stand der Forschung ausgeschlossen werden. Es sprechen jedoch viele Punkte dafür, daß das von Streufert und Driver das logischste und für die Konsu­mentenforschung geeignetste ist.[9] Verschiedene Vor- und Nachteile werden in Anbetracht des später darzustellenden Konzep­tes noch deutlich werden.


[1] vgl.: Fiske, D. W.; Maddi, S. R., (1961)

[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[3] vgl.: Berlyne, D. E., (1963), S. 3

[4] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

[5] vgl. Berlyne, D. E., (1960), S. 211

[6] vgl.: McAlister, L.; Pessemier, E., (1982)

[7] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 155

[8] Hansen, F., (1972), S. 81

[9] vgl.: Raju, P. S., (1981), S. 230