Fiske und Maddi: Variety Seeking Framework

Die Theorie von Fiske und Maddi[1] wurde relativ bald nach Erscheinen der Theorie von Berlyne entwickelt und weist viele Ähnlichkeiten mit dieser auf.

Fiske und Maddi benutzen den Begriff der Aktivierung und gehen von einem optimalen Level der Aktivierung aus. Aktivierung kommt durch Veränderung, Stärke und Mehrdeutigkeit des Stimulus zustan­de. Wenn die Aktivierung zu gering ist, setzt ein Suchverhalten ein, das darauf gerichtet ist, Stimuli zu finden, die näher am optimalen Aktivierungslevel liegen. Wenn dagegen die Aktivierung zu groß ist, zieht der Organismus sich von dem Stimulus zurück.

Während Berlyne davon ausgeht, daß ein Minimum an Erregung am angenehmsten ist, gehen Fiske und Maddi davon aus, daß ein bestimmtes Maß an Erregung, welches ungleich Null ist, am ange­nehmsten ist.

Fiske und Maddi machen in bezug auf die mit verschiedenen Stärken der Stimulation verbunde­nen Affekte nur die Aussage, daß starke Abweichungen vom optimalen Niveau mit negativen Affekten verbun­den sind.


[1] vgl.: Fiske, D. W.; Maddi, S. R., (1961)

Hunt: Incongruity Concept

Im Gegensatz zu den anderen Konzepten, die das SEV auf Triebe zurückführen, ist das Kon­zept von Hunt[1] eher kognitiver Natur und geht davon aus, daß der Organismus einen optimalen Level der Nicht-Über­einstimmung (incongruity) zwischen seinen Erwartungen und der Wahrneh­mung seiner Umwelt hat. Der Antrieb, den optimalen Level zu erreichen, ist nicht physiologisch bedingt, sondern eine intrinsische kognitive Motivation. Die Abweichung im Konzept von Hunt ist umfassender zu verstehen als der ähnli­che Begriff bei Berlyne. Während Berlyne mit „Abweichung“ nur einen möglichen Erregungsgrund meint, ist „Abweichung“ bei Hunt ein übergeordneter Begriff für alle Erregungsgrundlagen. Ob das Konzept von Hunt ganz ohne einen intrinsischen Antrieb auskommt, soll hier nicht diskutiert werden.

Hunt unterscheidet zwischen zwei Situationen. Wenn die Abweichung zwischen Erwartung und Wahr­nehmung eher klein ist und deshalb unter dem optimalen Punkt liegt, wird es als ange­nehm empfunden, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Wenn die Abweichung zwischen der Erwartung und der Wahrneh­mung eher groß ist und deshalb oberhalb des optimalen Punktes liegt, wird es als unangenehm empfun­den, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. In dem zweiten Fall kann es sogar zu einem kompletten Rückzug von dem Stimulus führen.


[1] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

Driver und Streufert: GIAL Hypothesis

Abb. 2 (Driver & Streufert)
Abb. 2 (Driver & Streufert)
GIAL[1] bedeutet „General Incongruity Adaptation Level“. Das Konzept geht davon aus, daß der Mensch sich im Laufe seines Lebens an ein ganz individuelles Maß der Überein­stimmung zwischen Erwartung und Wahrnehmung gewöhnt. Auch Driver und Streufert benutzen als unabhängige Variable die Nicht-Über­einstimmung (incongruity). Im Laufe seines Lebens macht der Mensch in seiner Umgebung Erfah­rungen mit einem bestimmten Maß an Nicht-Überein­stimmung. Es entwickelt sich dadurch ein Maß an Abwei­chung, das er für angemessen hält und im Rahmen eines Generalisierungpro­zesses auf andere Situatio­nen überträgt. Dieses erwartete Maß an Nicht-Übereinstimmung wird der „General Incongruity Adaptation Level“ (GIAL) genannt. Wenn dieses Maß in bestimm­ten Situationen über- oder unterschritten wird, reagiert der Mensch in ganz unterschiedlicher Art und Weise, um wieder zu dem GIAL zurückzukehren. Driver und Streufert unter­scheiden zwei Maße der Abweichung vom GIAL (siehe Abb. 2 [2]). Wenn die Abwei­chung sowohl nach oben, als auch nach unten nur gering ist, wird ein Suchverhalten gezeigt. Dies manifestiert sich bei zu geringer Erregung (Region 2) entweder durch die Suche nach neuen Stimuli oder dadurch, daß an dem existierenden Stimulus neue ungewöhnliche Aspekte gesucht werden und bei zu hoher Erregung (Region 3) durch die Erforschung des Stimulus nach Aspekten, die doch mit den Erwartungen verein­bar sind. Wenn die Abweichungen zwischen Erwartungen und Wahrneh­mung jedoch zu groß werden, ist dieses Suchverhal­ten eher nicht zu beobachten. Statt dessen ist sowohl bei extrem hoher (Region 4), als auch bei extrem niedriger Erregung (Region 1) eine Abkehr von der Wahrneh­mungssituation wahrscheinlicher. Erregung spielt in der Theorie von Driver und Streufert kaum eine Rolle. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sie sich eher dem Konzept der intrinsischen kognitiven Motivation von Hunt[3] anschließen. Entsprechend gilt auch hier der Hinweis, daß es fraglich ist, daß dieses Modell ohne Bezug auf Erregung aus­kommt.

Streufert und Driver fordern einen Zusammenhang zwischen Stimulation und Affekt, den sie „Model 3“ nennen.[4] Nach diesem Modell sind mäßig starke Abweichungen vom GIAL durch positive Affekte geprägt (Region 2 und Region 3), während bei starken Abweichungen vom GIAL negative Gefühle auftreten (Region 1 und Region 4).


[1] vgl.: Driver, M. J., Streufert, S., (1965)

[2] vgl.: Driver, M. J., Streufert, S., (1965)

[3] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

[4] vgl.: Streufert, S.; Driver, M. J., (1971)

Vergleich der Konzepte

Der wichtigste Punkt, in dem sich die Konzepte unterscheiden, ist die affektive Bewertung der Ausprägun­gen der unabhängigen Variable und die daraus abzuleitenden Verhaltensweisen. Ein weiterer Unterschied zwischen den Konzepten ist die Größe der Erregung, die von verschiede­nen Stimuli theoretisch ausgelöst wird, sofern sie überhaupt darauf eingehen. Während der erste Punkt zu einer vertikal unterschiedlichen Lage der Kurven in den verschiedenen Konzepten führt, bedingt der zweite Punkt eine horizontale Ver­schiebung bei gleichen Sachverhalten (siehe Abb. 3). So geht Berlyne davon aus, daß im opti­malen Punkt die Erregung gleich Null ist, während die anderen Konzepte von einer Erregung in die­sem Punkt ausgehen. Dabei sei, alleine aus Grün­den der besseren Vergleichbarkeit unterstellt, daß es auch bei Hunt auf der einen Seite und Driver und Streufert auf der anderen Seite, eine Erregung gibt, die proportional zu der Nicht-Über­einstim­mung ist.

Abb. 3 (Vergleich der Konzepte)
Abb. 3 (Vergleich der Konzepte)
Die Theorie von Berlyne versagt im Gegen­satz zu der von Driver und Streufert, wenn es darum geht, die Freude an Neuem zu erklären. Im Konzept von Driver und Streufert führt ein Wechsel von einem langwei­ligen Stimulus zu einem, der mehr Nicht-Übereinstimmung bietet, zu einem Übergang vom negativen zu einem positi­ven Affekt.

Bei Berlyne gibt es nur eine Art von Verhal­tensweisen, die aus einer Abwei­chung von dem optimalen Niveau resultiert, das SEV. Berlyne schließt in seinem Kon­zept die spontane Abkehr von einem Stimu­lus nicht mit ein. Die anderen dargestellten Konzepte haben dagegen angemessene Erklärungen für dieses Verhalten. Fiske und Maddi[1] kritisieren ausdrücklich Ber­lynes[2] Behauptung bezüglich der „specific exploration“. Sie stellen in Frage, daß sich jemand in eine Situation begibt, die für ihn Konflikt bedeutet, vor allem, wenn er diesen durch eine Abkehr vom Stimulus beseitigen könnte. Dieser Standpunkt ist kompatibel mit den Aussagen der Disson­anztheorie. Berlyne[3] antwortet auf diesen Angriff, daß der Mensch es meist nicht ertragen könne, ungelöste Konflikte oder etwas Verunsicherndes bestehen zu lassen. Der Mensch wird sich deshalb erst wieder wohl fühlen, wenn er sich dem Konflikt gestellt und ihn gelöst hat. Auch diesen Standpunkt kann man bis zu einem gewis­sen Grad auf die Konsistenztheorien zu­rückführen. Es wird jedoch vermutlich eine Grenze geben, wo es nicht mehr nur das Bedürfnis nach Dissonanzreduktion ist, das den Men­schen dazu veranlaßt, sich mit der konfliktären Situation auseinanderzusetzen. Es muß auch nach einem Trieb gesucht werden, der die Auseinandersetzung mit solchen Kon­flikten sucht.

Der Ansatz von Fiske und Maddi findet sich weitgehend im Konzept von Hunt[4] wieder. Dieser geht davon aus, daß der optimale Punkt die angenehme Suche nach Stimulation von dem unange­nehmen Rückzug vom Stimulus trennt. Der wichtig­ste Unterschied zwischen den beiden Kon­zep­ten besteht darin, daß Hunt im Gegen­satz zu Fiske und Maddi von einer kogniti­ven Steuerung des Prozesses ausgeht.

Streufert und Driver erklären als einzige die Wahrscheinlichkeit für die Entscheidung zwischen dem SEV und einem Rückzug von dem Stimulus, sowohl bei zu hoher, als auch bei zu geringer Erregung durch die mit dem Stimulus verbundenen Affekte. Wenn die Affekte positiv sind, ist die Wahrscheinlichkeit des SEV größer. Wenn die Affekte negativ sind, ist die Wahrscheinlich­keit des Rückzuges größer. Anders ausge­drückt, je größer der Abstand vom GIAL ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Abwendung vom Stimulus.

Keiner der o.a. Autoren geht explizit auf eine Operationalisierung seiner unabhängigen Variable ein, mag sie nun Aktivierung, Erregungspotential, oder Nicht-Übereinstimmung heißen.

In einem Punkt besteht weitgehend Einvernehmen zwischen den Konzepten: Der optimale Stimulations­level ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Er ist nicht angeboren, sondern wird von kulturel­len Faktoren, dem psychologischen Zustand und Lernerfahrungen beeinflußt. Selbstverständlich spielen auch andere angeborene Persönlichkeits­merkmale eine Rolle bei der Entwicklung des otimalen Levels, sie agieren jedoch nur als intervenierende Varia­blen. Die Lernerfahrung kann sich zum Beispiel in der Weise manifestieren, daß der Konsument weiß, daß in einer vorgegebenen Situation ein bestimmter sehr hoher Erregungslevel für ihn optimal ist und ihn deshalb in dieser Situation akzeptiert.[5] Vor allem bei den folgenden Persönlichkeits­merkmalen konnte in verschiedenen Studien eine Korrelation zu der Höhe des optimalen Stimulationslevel nachgewiesen werden:[6] Intoleranz gegenüber Mehrdeutig­keit, Komplexität und Flexibilität, Alter, Ausbildung, Motiva­tion etwas zu erreichen, sozialer Status, Selbstvertrauen, Risikotoleranz, Involvement, Innovativi­tät, Häufigkeit des Markenwechsels, Informationsbedürfnis.

Der einzige situationale Faktor, der in der Literatur eindeutig identifiziert werden konnte, einen Einfluß auf die Höhe des optimalen Erregungslevel zu haben, ist die Vertrautheit mit der Situa­tion.[7]

Hansen faßt die Erkenntnisse zum optimalen Stimulationslevel wie folgt zusammen:

„The optimal level reflects that level which the individual has learned will be appropriate under the given circumstances. Thus, it depends on accumulated previous experiences. When an individual has learned, that a relatively high amount of arousal is optimal for him under some specific circumstances, he is willing to accept considerable complexity and conflict. On the other hand, when the individual has a low optimal level of arousal, only little complexity and conflict is tolerable. Berlyne (1960) suggests that the optimal level of arousal depends on a diversity of factors: We can expect personality factors, cultural factors, learning and psycho­lo­gical states all to play their parts in determining the level at which arousal tonus is maintained. Consequently, the rate of arousal potential that is optimal can be presumed to vary widely from individual to individual and from occasion to occasion.“[8]

Keines der vier Konzepte kann nach dem derzeitigen Stand der Forschung ausgeschlossen werden. Es sprechen jedoch viele Punkte dafür, daß das von Streufert und Driver das logischste und für die Konsu­mentenforschung geeignetste ist.[9] Verschiedene Vor- und Nachteile werden in Anbetracht des später darzustellenden Konzep­tes noch deutlich werden.


[1] vgl.: Fiske, D. W.; Maddi, S. R., (1961)

[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[3] vgl.: Berlyne, D. E., (1963), S. 3

[4] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

[5] vgl. Berlyne, D. E., (1960), S. 211

[6] vgl.: McAlister, L.; Pessemier, E., (1982)

[7] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 155

[8] Hansen, F., (1972), S. 81

[9] vgl.: Raju, P. S., (1981), S. 230

Kritische Anmerkungen zum Konzept des optimalen Erregungsniveaus und dessen Anwendbarkeit und Erklärungsgehalt für die Markentreue

Aufgrund einer Reihe von Untersuchungen behauptet Kroeber-Riel, daß die Aktivierung im Bereich der Konsumen­ten­forschung meist im Bereich der normalen Aktivierung liegen und den optimalen Level wohl nie überschreiten wird.[1] Das würde bedeuten, daß im weiteren der abfallende Teil der ∩-Kurve außer Betracht bleiben könnte.

Auf der anderen Seite ist die Untersuchung von Bawa[2] nicht von der Hand zu weisen, in der er einen kurvilinearen Zusammenhang in Form einer ∩-Kurve im Konsumentenverhalten nachweisen konnte. Diese Differenz könnte dadurch zu erklären sein, daß die Untersuchungen, auf die sich Kroeber-Riel bei seinen Aussagen stützt, Werbe­wirkungsmessungen waren, während Bawa effektive Kaufhandlungen untersuchte. Im Rahmen der Unter­suchungen von Kroeber-Riel wurde das Maß der Aktivierung und die affektive Beurteilung dieser Aktivier­ung ermittelt. Dabei dürfte es kaum gelungen sein, in den Konsumenten ein Gefühl des Risikos aufgrund der Betrachtung der Werbeanzeigen hervor­zurufen. Vielmehr wird die Aktivierung einzig und alleine auf die Neuartigkeit und Ungewöhn­lichkeit der Werbemittel zurückzuführen gewesen sein. In bezug auf diese Art der Aktivierung ist es nachvollziehbar, daß eine Überakti­vierung durch Werbeanzeigen nur sehr schwer zu erreichen ist. So würde eine Überaktivierung nach dem Konzept von Fiske und Maddi dazu führen, daß der Betrachter sich von der Werbe­anzeige abwendet. Dies ist bei Werbeanzeigen nur in sehr extre­men Fällen zu erwarten.[3] Demgegenüber kam die Aktivierung in der Untersuchung von Bawa sowohl durch Aspekte der Neuartigkeit, als auch durch den Aspekt des Risikos zustande. Aus diesem Grund wird im weiteren davon ausgegangen, daß im Konsumbereich die gesamte ∩-Kurve relevant ist.

Der Scheitelpunkt, dem in allen Konzepten der positivste Affekt zugeordnet ist, kommt wie noch gezeigt wird, nicht alleine durch die Überaktivierung durch eine bestimmte Eigen­schaft des Stimulus zustande. Vielmehr wird sich hier die Theorie von Coombs und Avrunin[4] bewahrhei­ten. Diese gehen davon aus, daß die meisten ∩-Kurven auf zwei getrennte Faktoren zurückzufüh­ren sind. Wenn ∩-Kurven in der Sozialpsychologie auftauchen, liegt nach Coombs und Avrun­in[5] meist ein irgendwie gearteter Konflikt vor. Am einfachsten läßt sich die ∩-Kurve erklären, wenn es sich um einen Appetentz-Aversions-Konflikt handelt. Nach dem Prinzip: „Good things satiate and bad things escalate.“[6] ist es unter der Vorausset­zung, daß bestimmte Nebenbedin­gungen erfüllt sind, unausweichlich, daß sich eine ∩-Kurve ergibt. Dies bedeutet: Besitzt ein Stimulus sowohl positiv als auch negativ bewertete Eigenschaften, dann führt jede zusätzliche Einheit des Stimulus dazu, daß der Rezipient sowohl den positiven, als auch den negati­ven Eigenschaften ausgesetzt wird. Bezüglich des Stimulus stehen sich damit ein Appetenztrieb und ein Aversionstrieb gegenüber. Eine immer weiter ansteigende Menge der positiven Eigenschaften führt jedoch irgendwann zu einem Sättigungseffekt. Eine immer weiter ansteigende Menge der negativen Eigenschaften wird dagegen als zunehmend unangenehm emp­funden. Das Verhalten dem Stimulus gegenüber ergibt sich aus der Resultierenden der beiden Antriebe. Coombs und Avrunin streiten nicht die Existenz von ∩-Kurven ab, sondern behaupten nur, daß sie sich aus anderen Funktionen zusammensetzen.[7] Selbst Berlyne, der von einer ∩-Kurve ausgeht, räumt ein, daß der Gesamteffekt vermutlich durch das Zusam­menwirken zweier Faktoren zustandekommt.[8] Auch bei dem Phänomen der Markentreue lassen sich ein positiver und ein negativer Reiz ausmachen. Der positive Reiz ist die Neuartigkeit einer Marke und der negative Reiz das mit ihr verbundene Risiko. In diesem Zusammenhang wird sich auch zeigen, daß die Form der Kurve als umgedrehtes U nur ein möglicher Fall ist und daß die Resultierende der zwei Faktoren ganz unterschiedliche Formen haben kann.

Der Zusammenhang in Form eines umgedrehten Us ist in der Lage, widersprüchliche Aussagen darüber, ob Vertrautheit die Attraktivität eines Stimulus steigert oder senkt, zu erklären. Aus diesem Grund ist dieser Zusammenhang auch in der Lage, unterschiedliche empirische Ergeb­nisse über den Zusammenhang zwischen neuen oder riskanten Marken und Markentreue zu erklären. Denn es ist zu vermuten, daß je nachdem ob ein ansteigender oder ein abfallender Zusammenhang zwischen der Vertrautheit und der Markentreue gefunden wurde, der Konsument sich in einem spezifi­schen Teil der ∩-Kurve befindet. Oft ist das Ergebnis auf die Auswahl des bei der Befragung verwendeten Produktes zurückzuführen. So wird Kuehn und seiner linearen Lern­theorie vorge­worfen, daß er nur deshalb einen kontinuierlich ansteigenden Zusammenhang gefunden habe, weil sich sein Produkt zu der damaligen Zeit in der Wahr­nehmung der meisten Konsumenten in dem ansteigenden Teil der ∩-Kurve befunden habe. Er hatte die Untersuchung mit gefrorenem Orangensaft durchgeführt, der erst kurz vorher auf dem amerikanischen Markt eingeführt worden war.

Wenn eine Marke während eines längeren Zeitraums nicht gekauft wird, führt dies dazu, daß zumindest ein Teil des Erregungspotentials wieder zurückgewonnen wird und damit eine Bewegung auf der ∩-Kurve stattfindet. „… a period of non-exposure to an already familiar stimulus can cause it to regain some of the lost arousal potential.“[9] Dieser Sachverhalt ist in der Lage, ein stetiges Wechseln zwischen zwei oder mehreren ver­schiedenen Marken zu erklären. Wenn ein Konsu­ment zum Beispiel immer wieder die Marke A kauft, wird diese irgendwann langweilig, weil ihr Erregungspotential sinkt. Er könnte dann zu einer Marke B wechseln, da diese auf Grund ihrer Neuigkeit näher am optimalen Erregungspotential liegt. Nachdem dieser Wechsel stattgefunden hat, sinkt nun das Erregungspotential der Marke B und das Erregungspotential der Marke A steigt wieder. Es könnte nun passieren, daß nach einiger Zeit das Erre­gungspotential von A wieder höher ist als das von B. Diesen Gedankengang kann man auch mit mehr als zwei Marken durch­spielen und damit ein ständiges Wechseln zwischen verschiedenen Marken erklä­ren.[10] Der Leser möge sich erinnern, daß die gleichen Abhängig­keiten zuvor lerntheoretisch interpretiert wurden (siehe Kapitel: Gesetz des relativen Effekts).

Wie oben dargestellt, unterteilen Driver und Streufert den Bereich der Nicht-Überein­stimmung in vier Bereiche. Sie gehen des weiteren davon aus, daß die Bereiche, in denen die Abweichung vom GIAL nicht so groß ist, eher positive Affekte hervorrufen und die Bereiche, in denen die Abweichung größer ist, eher negative Affekte provozieren. Raju und Venkatesan interpretieren dieses Konzept im Zusammenhang mit dem Wiederkauf einer Marke wie folgt:[11] Wenn eine Marke zu neuartig oder zu abweichend von den bestehen­den Vorstellungen ist, ist sie mit negativen Affekten gekoppelt. Die Abweichung vom optimalen Niveau ist hier so groß, daß das Individuum davon ausgeht, daß das optimale Niveau nicht innerhalb einer angemessenen Frist erreicht werden kann. In dieser Situation ist es wahrscheinlicher, daß sich das Individuum von dem derzeitigen Stimulus, sprich der neuen Marke abwendet und einen angemesseneren Stimu­lus, das heißt eine nicht ganz so neuartige Marke, sucht. Wenn diese Abweichung dagegen nicht ganz so groß ist, entsteht eine klassische Dissonanzsituation. Der Konsument kauft die Marke und muß dann später feststellen, daß sie nicht seinen Vorstellungen entspricht oder ihm zu neuartig ist. Trotz dieser Enttäuschung ist die dadurch entstehende Erregung mit positivem Affekt verbunden. Durch SEV versucht der Konsument die mit der aktuellen Marke verbun­dene Erre­gung zu reduzieren. Dies kann zum Beispiel durch Markentreue und eine intensive Beschäftigung mit der Marke geschehen. In einer solchen Situation ist der Konsument emp­fänglich für Informa­tionen über andere Marken, die näher an seinem optimalen Erregungsni­veau liegen. Er wird allerdings nicht aktiv nach einer neuen Marke, also einem neuen Stimulus suchen, da die aktuelle Marke ja immer noch mit einem positiven Affekt gekoppelt ist. Ähnlich verhält es sich, wenn der Konsument die Marke schon einige Male gekauft hat und diese anfängt ihn zu langweilen. Die Marke ist dann immer noch mit einem positiven Affekt gekop­pelt, erreicht jedoch nicht das optimale Erregungsniveau. Der Konsument fängt nun an, die Erregung durch diese Marke zu erhöhen, indem er vorher nicht beachtete Dimensionen unter­sucht oder bewußter negative Konkurrenzinformatio­nen zu seiner bewährten Marke aufnimmt. Er sucht nicht aktiv eine Alternative zu seiner aktuellen Marke. Wenn durch permanente Dar­bietung die Erregung durch den Stimulus weiter abnimmt und einen be­stimmten Punkt unter­schreitet, kommt es zu Lange­weile. Langeweile ist mit negativen Affekten verbun­den. In dieser Situation ist die Entfernung zum optimalen Level dermaßen groß, daß das Individuum es als sinnvoller ansieht, sich vom aktuellen Stimulus abzuwenden und einen neuen Stimulus zu suchen. Einen neuen Stimulus zu suchen, ist nichts anderes, als eine neue Marke zu suchen, also Markenwechsel.

Die von Person zu Person unterschiedliche Veranlagung, die Marke zu wechseln, ist mit dem optima­len Stimulationslevel zu erklären. Mittelstaedt, Grossbart, Curtis und Devere untersuch­ten den Zusam­menhang zwischen der Höhe des optimalen Stimulationslevels und dem Entscheidungs­prozeß, neue Produkte oder Dienstleistungen auszuprobieren.[12] Sie fanden heraus, daß Perso­nen mit einem eher hohen Level schneller zu einem neuen Produkt wechseln als Personen mit einem eher niedrigen optima­len Stimulationslevel. Personen mit einem niedrigen Level sind also markentreuer. Dies bedeutet eigent­lich nichts anderes, als daß die individuellen Kurven horizontal unterschiedlich liegen können. Personen mit einem eher hohen optimalen Level werden durch eine Kurve abgebildet, die eher weiter weg vom Ursprung der Abszisse zu finden ist. Bei Perso­nen mit niedrigem optimalen Level liegt die Kurve dagegen näher am Ursprung. Keine Aussage wird darüber gemacht, wie die vertikale Lage der Kurve ist.


[1] vgl.: Kroeber-Riel, W., (1992), S. 77

[2] vgl.: Bawa, K., (1990)

[3] Bei der Kampagne von Benneton zum Beispiel, wäre es denkbar, daß sie solche Reaktionen hervorruft.

[4] vgl.: Coomb, C. H.; Avrunin, G.S., (1977)

[5] vgl.: Coomb, C. H.; Avrunin, G.S., (1977)

[6] Coomb, C. H.; Avrunin, G.S., (1977), S. 224

[7] vgl.: Coomb, C. H.; Avrunin, G.S., (1977), S. 228

[8] vgl.: Berlyne, D. E., (1970), S.284

[9] vgl.: Raju, P. S.; Venkatesan, M., (1980), S. 4

[10] vgl.: Raju, P. S., (1981), S. 238-239

[11] vgl.: Raju, P. S.; Venkatesan, M., (1980), S. 4

[12] vgl.: Mittelstaedt, R. A.; Grossbart, S. L.; Curtis, W. W.; Devere, S. P., (1976)

Kontroverse Standpunkte in bezug auf das Abwechslungsmotiv

„The propensities of consumers to adopt novel products, wether they are ideas, goods, or services, can play an important role in theories of brand loyalty,….. If there were no such cha­racteristics as innovative­ness, consumer behavior would consist of a series of routinized buying responses to a static set of products.“[1]

„Die ‚Macht der Gewohnheit‘ hat einen gewichtigen Gegenspieler: das Bedürfnis nach Ab­wechslung, manchmal auch das Neugiermotiv.“[2]

„Nutzen nicht aufgrund der neuen Marke, sondern aufgrund des Wechsels selbst.“[3]

Das im folgenden behandelte Thema ist in der Literatur von Widersprüchen gekennzeichnet, was schon aus den Zitaten hervorgeht. So ist aus den obigen Aussagen abzulesen, daß die Existenz eines Bedürfnisses nach Abwechs­lung und eines Neugiermotivs weitgehend akzep­tiert ist.[4] Uneinigkeit herrscht aber darüber, ob das Abwechs­lungsmo­tiv ein eigenständiges Motiv ist oder ob es auf andere Motive zurückzu­führen ist.

Abwechslung und neue Situationen führen, wie schon dargelegt wurde, zu Inkonsistenzen. Es herrscht weitgehend Einvernehmen darüber, daß es ein Konsistenz-Motiv gibt und welche Folgerungen sich für eine inkonsistente Situation aus diesem ableiten lassen. Über das Zustan­dekommen eines Inkonsistenz- oder Abwechslungs­motivs dagegen gibt es unterschiedliche Meinungen, von denen einige im folgenden kurz angerissen werden.

Die einen gehen davon aus, daß es dieses Motiv überhaupt nicht gibt, die anderen sind von einem eigenständigen Motiv überzeugt. Dazwischen gibt es noch eine ganze Reihe von Stand­punkten, die das Abwechslungsmotiv mehr oder weniger mit dem Konsistenzmotiv verbunden sehen.[5]

Maddi[6] geht zum Beispiel davon aus, daß ein Zusammenspiel des Konsistenzmotivs und des Abwechs­lungsmotivs am befriedigendsten wäre. Er leitet dies aus der Überlegung ab, daß Ab­wechslung unter­haltsam und Konsistenz beruhigend sei, eine Kombination dieser beiden Fakto­ren müsse ideal sein. Er geht jedoch nicht näher darauf ein, ob es sich um primäre Motive handelt oder nicht und welcher Art die Interaktionen zwischen den beiden Motiven sind.

Berlyne[7] geht in der ursprünglichen Version seines Konzeptes, implizit nur von einem einzigen Motiv, nämlich dem Konsistenz-Motiv aus. Er sieht sowohl den Zustand eines zu geringen Aktivierungspotenti­als als auch den Zustand eines zu hohen Aktivierungs­potentials als inkonsi­stente Zustände an, die den Antrieb nach Beseitigung in sich führen. Den positiven Anreiz des Neuen oder Ungewöhnlichen kennt er in seinem 1960 veröffentlichten Konzept noch nicht. Später hat er sich dann eingehender mit dem positi­ven Anreiz durch das Neue und Ungewöhliche beschäftigt.[8] In einer Studie stellte er fest: „Both plea­singness and in­terestingness appear to increase with novelty.“[9] In einer weiteren Untersuchung ermit­telte er den „hedonic value“ verschiedener Reize mit unterschiedlicher Komplexität. Hedonic value definiert er selber als: „a term meant provisionally to cover both reward value, as judged by the capacity of a stimulus to reinforce an instrumental response, and preference or pleasure, which is reflected in verbal evaluations“.[10] Er konnte feststellen, daß der hedonic value sehr komplexer Stimuli stieg, wenn sie durch wiederholte Darbietung als immer weniger komplex wahrgenommen wurden, während sehr einfache Stimuli mit steigender Komplexität attraktiver wurden. Berlyne vermutete, daß es zwei entge­gengesetzte Faktoren gebe, die aber miteinander in Interaktion stehen und von denen einer auf die Aufnahme neuer und ungewöhnli­cher Reize gerichtet sei. Dieser Gedanke wird durch folgen­de Ergebnisse unterstützt. Sowohl die Neuigkeit, als auch die Komplexität gehören zu den von Berlyne erwähnten „collative variables“. Während steigende Neuartigkeit fast uneingeschränkt als positiv empfun­den wird, ist das Bild bei Komplexität geteilt. Man könnte daraus schließen, daß das Ungewohnte und Unbekannte an sich einen positiven Affekt auslöst, solange damit keine Gefahren verbunden sind. Zwar geht er in dieser Untersuchung expliziter auf die Motivation, Neues oder Unge­wöhnliches aufzunehmen, ein, letz­tendlich ist in seinen Überlegungen jedoch wieder die Annahme eines optimalen Niveaus zu erkennen, ohne eine Differenzierung in verschiedene Einflußfaktoren vorzunehmen.

Als alternativer Ansatz kann das Konzept des Vergleichsniveaus von Thibaut und Kelley[11] zur Erklärung der Verstärkereigenschaften von neuen und ungewöhnlichen Reizen dienen. Danach werden die Konse­quenzen einer Situation an den Konsequenzen in anderen ähnlichen Situatio­nen gemessen. Auf diesen Standard haben alle zurückliegenden Er­fahrungen einen Einfluß, wobei die aktuellsten Erfahrungen das größte Gewicht erlangen. Wenn die Konsequenzen in der aktuel­len Situation diesem Maßstab entspre­chen, werden sie neutral bewertet. Wenn der Standard übertroffen wird, werden sie positiv und wenn er unterschritten wird, werden sie negativ bewer­tet. Wenn man nun davon ausgeht, daß der Mensch ein bestimmtes Reizniveau für eine spezifi­sche Situation als Vergleichsniveau hat, wird er jede darüber hinausgehende Stimulation als angenehm empfinden.

Es bleibt zu klären, ob das unter Umständen existierende Abwechslungs- oder Neugier­motiv ein primä­res oder ein sekundäres Motiv ist.

Irle[12] macht die Eigenschaft des primären Motivs daran fest, ob eine Deprivation zur Zerstö­rung des physischen Organismus führt. Zwar ist dies im Fall des Neugier- oder Abwechslungs­motivs nicht unmit­telbar der Fall, vermutlich wird jedoch, so Irle, die psychische Existenz zerstört werden. Auch daraus könnte ein Hinweis auf ein primäres Motiv abgeleitet werden. Trotzdem ist damit noch nicht sichergestellt, daß die Notwendigkeit „Einsicht zu gewinnen“, „Probleme zu lösen“ oder „aus inkongruenten Informatio­nen kongruente zu machen“ primäre Verstärker sind und nicht als gelernte Verstärker auf primären Ver­stärkern aufbauen. Irle hält bezogen auf sozialpsycho­logische Fragestellungen die Entscheidung für ein primäres oder sekundäres Neugier- oder Abwechslungsmotiv für irrelevant.

Hirschman[13] führt eine Studie an, bei der Säuglingen zwei optische Reize angeboten wurden, von denen einer vertraut und einer neu wahr. Die Säuglinge wählten in den meisten Fällen den neuen Stimulus aus. Sie leitet daraus ab, daß das Bedürfnis nach Neuem angeboren, also ein primäres Motiv ist. Den entwick­lungs­geschichtlichen Sinn für dieses Bedürfnis sieht sie vor allem in zwei Gründen. Zum einen versucht sich das Individuum durch die Aufnahme vieler neuer unbekannter Reize ein Reservoir an möglicherweise einmal hilfreichem Wissen anzulegen und zum anderen werden durch die Beschäftigung mit diesen neuen und ungewöhnlichen Reizen die Kon­flikt­lösungseigenschaften trainiert.

Vermutlich beruhen weite Bereiche unseres Fortschritts auf der Neugierde und dem Bedürfnis des Menschen nach Abwechslung. Deshalb könnten weitere Hinweise unter Umständen aus der Sozio-Biolo­gie zu erwarten sein, denn ein bestimmtes Maß an Neugierde kann durchaus als Selektionskriterium im Rahmen der Evolution dienen. Nur wer neugierig ist, kann neue Mög­lich­keiten entdecken. Dies kann ein Indiz dafür sein, daß wir Menschen ein primäres Neugier­motiv in uns haben.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß niemand eine Motivation zur Aufnahme neuer Reize in be­stimmten Situationen bestreiten kann. Jeder, der dies bestreiten wollte, müßte die Freude der Menschen an neuen Dingen oder an der Informationsaufnahme in Frage stellen. Im weiteren wird von der Existenz des Neugier-, Abwechslungs- oder Inkonsistenzmotivs ausgegangen.

Nachdem die Festlegung getätigt worden ist, daß es eine solche Motivation zu Neuem, Unge­wöhnlichem und Unbekanntem gibt, bleibt die Frage offen, wie sie einzuordnen ist. Grundsätz­lich gibt es zwei Mög­lichkeiten: Der Mangel an Unge­wöhn­lichem und Unbekanntem könnte einen inkonsistenten Zustand auslösen, der dann aufgrund der Aussagen, die die Konsistenz­theorien machen, beseitigt werden muß. Die Theorien der kognitiven Dissonanz und die Theorie der Neugiermotivation beziehungsweise die Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens sind sich nach Irle[14] in ihrer Struktur sehr ähnlich, was auf einen gemeinsamen Ursprung hindeuten könnte. Auf die Möglichkeit, daß sich das Streben nach Abwechslung aus anderen grundlegenden Motiven ableitet, soll nicht näher eingegangen werden, weil dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß die Motivation Neues und Unbekanntes aufzunehmen, aus einem eigenständigen Motiv abzuleiten ist. Diese wäre dann ähnlich einzuordnen wie der Sexualtrieb oder der Trieb nach Nahrung. Oder vielleicht sogar noch darüber? Die Diskussion soll nicht fortgeführt werden, da diese Fragen nur durch empirische Untersuchungen zu klären sind. Außerdem verliert diese Auseinandersetzung an Erheblichkeit, wenn man nur die Markentreueeinstellung betrachtet. Dann interessiert nur noch der Gesamt­effekt beider Motive, also dem Motiv nach Konsistenz und dem Motiv nach Inkonsistenz. Der resultierende Effekt wird der sein, wie er in den oben beschriebe­nen Konzepten beobachtet wurde.

Die Annahme eines vom Konsistenzmotiv unabhängigen Motivs macht jedoch noch keine Aussagen über die unter Umständen zugrundeliegenden Motive. Ohne diese Annahme validiert zu haben, soll davon ausgegangen werden, daß das Streben nach Konsistenz und das Streben nach Inkonsi­stenz weitgehend unabhängig voneinander sind, jedoch beide auf einem überge­ordneten Motiv beruhen. Ein solcher Ausgangspunkt läßt alle möglichen Inter­pretationen offen und ist gleichzei­tig ausreichend konkret für das weitere Vorgehen.


[1] Hirschmann, E. C., (1980), S. 283

[2] Wiswede, G., (1991), S. 320

[3] Gierl, H. et al., (1993), S. 104

[4] Im weiteren soll nicht zwischen dem Abwechslungsmotiv und dem Neugiermotiv unterschieden werden.

[5] vgl.: Streufert, S.; Streufert, S. C., (1978), S. 131 ff

[6] vgl.: Maddi, S. R., (1968)

[7] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[8] vgl.: Berlyne, D. E., (1970)

[9] Berlyne, D. E., (1970), S. 280

[10] Berlyne, D. E., (1970), S. 284

[11] vgl.: Thibaut, J. W.; Kelley, H. H., (1959)

[12] vgl.: Irle, M., (1975), S. 184

[13] vgl.: Hirschmann, E. C., (1980), S. 284

[14] vgl.: Irle, M., (1975), S. 185

Kosten der Verarbeitung als Einflußfaktor

„Consumers are subject to limitations in processing capacity. This means that detailed and complex calculations or comparisons among alternatives may be the exeption rather than the rule. Consumers may often use simple heuristics to make comparisons. These heuristics allow adaptation to the potentially complex choices consumers must make.“[1]

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht eine Entscheidungssituation. Eine Entscheidung setzt die Aus­wahlmög­lichkeit zwischen mehreren Alternativen voraus. Bevor eine sinnvolle Ent­scheidung zwischen diesen ge­troffen werden kann, die nicht nur vom Zufall abhängig ist, müssen Informationen über die Alternativen aufgenommen und verarbeitet werden. Selbst die Ent­scheidung zwischen zwei alternati­ven Handlungsmöglichkeiten, die sich stark unterschei­den, bei denen also die eine besonders vorteilhaft und die andere besonders unvorteilhaft erscheint, erfordert ein Minimum an Informationsverarbeitung. Je mehr Alternativen in der Entscheidungs­situation relevant sind und je ähnlicher diese bezüglich der relevanten Entschei­dungskrite­rien wahr­genommen werden, desto aufwendiger ist der Infor­mations­verarbei­tungsprozeß. Ein weiterer Faktor, der das Ausmaß der erforderlichen Informationsbe­schaf­fungs- und Informa­tionsver­arbei­tungs­maß­nahmen bedingt, ist das Maß an Sicherheit, das der Konsument im Au­genblick der Entscheidung haben möchte, um die optimale Alternative auszuwählen.[2] In der Kaufent­scheidungssituation kann der Kon­sument jederzeit die Kaufentscheidung treffen. Je nachdem wieviel Informationen er vor der Entscheidung beschafft und verarbeitet hat, ist es dann mehr oder weniger so, daß er die Entscheidung trifft, bevor alle möglichen Charakteristiken des Produktes verglichen wurden. Dadurch riskiert der Konsument, einen Fehler zu machen, indem er bezüglich be­stimmter Charakteristika des Produktes nicht die optimale Entscheidung trifft oder einen trade-off Prozeß nicht abgeschlossen hat. Der Konsument wird deshalb genauso lange die relevanten Alternativen bezüg­lich ihrer Charakteri­stika vergleichen, bis er den von ihm verlangten Sicherheitslevel erreicht hat.

Da die Informationsverarbeitungskapazität des Menschen begrenzt ist und die Auswahl­entschei­dung meist unter einem gewissen Zeitdruck getroffen werden muß, ist der Konsument darauf angewiesen, seine Informations­verarbeitungs­kapazitäten möglichst ökonomisch einzusetzen, um in der zur Verfügung stehenden Zeit den angestrebten Sicher­heitslevel zu erreichen. Je größer die Sicherheitsansprüche sind, desto größer sind die kognitiven Belastun­gen, weil in vorgegebe­ner Zeit mehr Informationen verarbeitet werden müssen. Wenn von Kosten der Verarbeitung gesprochen wird, sind damit sämtliche An­strengun­gen gemeint, die der Konsument auf sich nehmen muß, um den persönlichen Sicher­heitslevel zu errei­chen, bei dem er bereit ist eine Entscheidung zu treffen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die kogniti­ven Aktivitäten.

Hansen geht darauf ein, inwieweit der vom Konsumenten angestrebte Sicherheitslevel tatsäch­lich erreicht oder statt dessen eine Zwischenlösung angestrebt wird:

„If for a moment the attention is fixed on a problem, wether a solution will be found depends on the tolerable level of conflict. If this level is high, the choice process may terminate with a ‚commitment‘ to a solution that still is quite conflicting and does not resolve the complex co­gnitive structure by which the problem is represented. In such a case elements of the problem can be neglected and a semi-solution can be established, but the conflict is likely to be re­aroused. If, however, the tolerable amount of conflict is low, a considerable higher degree of consistency is required before a solution is deemed acceptable, which increases the likelyhood that the problem really is solved.“[3]

Dieses Zitat wirft eine weitere Frage auf: Verändert sich die Motivation, eine befriedigende Entscheidung zu treffen und damit die Motivation zur Informationsverarbeitung im Laufe des Informationsverarbei­tungsprozesses, also mit abnehmendem Konflikt?

Die Entscheidungssituation stellt den Konsumenten vor ein Informations­verarbeitungs­problem. Es gibt bestimmte Ziele, die durch die Entscheidung erreicht werden sollen und es existiert ein bestimmtes Maß an Unsicherheit, ob einzelne Produkte diese Ziele erfüllen. Gleichzeitig steht der Konsument unter Zeit­druck. Er wird Schritte einleiten, um die Unsicher­heit zu reduzieren und in der vorgegebenen Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen. Es gibt verschiedene Meinungen dazu, wie sich das Bedürfnis nach Information auf dem Weg bis zum angestrebten Sicherheitslevel entwickelt. Es geht also um folgende Frage: Verändert sich das Bedürfnis nach Information vom Beginn des Entscheidungs­prozesses bis hin zu dem Punkt, wo der Sicherheitslevel erreicht wird? Das Bedürfnis nach Information sollte logischerweise genauso stark sein wie das Bedürfnis, den Sicher­heitslevel zu erreichen, da es sich hieraus ableitet. Das Bedürfnis, diesen Sicherheitslevel zu erreichen, ist nichts anderes als das Konsi­stenzmotiv oder das Motiv nach Risikoreduktion, da es sich bei der Situation um eine inkonsi­stente oder eine Risikosituation handelt. Eine ungewisse Situation ist in­konsistent, weil die An­forderungen an eine zufrieden­stellende Entscheidung nicht mit der empfun­denen Ent­scheidungs­situation übereinstimmen. Der akzeptierte Unsicherheit­slevel ist nichts anderes als das gerade noch akzeptierte Maß an Inkonsistenz oder der Risikotoleranzlevel, wobei bei den letzten beiden die Bedeutung der Situation noch eine Rolle spielt. Eine größere Unsicherheit wird als inkonsistent empfunden, weil sie nicht mit den Sicher­heitsansprüchen übereinstimmt. Verstärkt wird das Konsistenzmo­tiv durch Informationen, die den inkonsistenten Zustand in ei­nen konsistenten überführen. Durch Informationsaufnahme steigt die Vertrautheit mit der Situation oder dem Produkt und damit wird die Inkonsistenz der Situation abgebaut.

Howard fordert in seiner Theorie des Kaufentscheidungsverhaltens, die auf den Zusammen­hang zwi­schen Produktvertrautheit und quantitativer Informations­beschaffung eingeht, daß der Informationsbedarf mit zunehmender Vertrautheit mit dem Produkt und dem Markt ab­nimmt.[4] Das bedeutet im Rückschluß, daß mit abnehmender Inkonsistenz, also je näher der angestrebte Sicherheitslevel rückt, die Neigung diese Inkonsistenz abzubauen, abnimmt.

Bettman und Park fordern dagegen einen Verlauf, der einer umgekehrten U-Kurve entspricht. Sie kommen zu der Überzeugung, daß Konsumenten mit mittlerer Produkt­vertrautheit informations­verarbeitungswil­liger sind, während wenig und sehr vertraute Konsumenten dazu neigen, Beurtei­lungsaufgaben zu verein­fachen. Sie verlassen sich auf solche Merkmale, die als „chunks“ be­zeichnet wurden.[5]

Insgesamt herrscht in der Literatur Uneinigkeit darüber, ob eine große Vertrautheit zu einem gesteigerten oder zu einem reduzierten Informationsbedarf führt und ob mittelmäßig vertraute Personen, wie Bettman und Park dies fordern, eher in der Lage sind, Informationen zu verarbei­ten, als die beiden anderen Gruppen.

Bettman[6] stellt fest, daß die Wahrscheinlichkeit einer intensiven kognitiven Beschäftigung mit den Alternativen von zwei Faktoren abhängig ist, nämlich von der Motivation, dies zu tun und von der Fähig­keit, sich mit diesen Daten auseinandersetzen zu können. Er konnte in seiner Studie feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit, sich intensiv mit den Alternativen auseinanderzu­setzen, bei einem mittleren Maß an Erfahrung mit der Marke am größten ist. Bei geringerer oder größe­rer Erfahrung ist diese Bereitschaft, also mehr kognitive Energie zu investieren, geringer. Im ersten Moment erscheint dieses Ergebnis den Erkenntnissen der Theorien des Such- und Ent­deckungsverhaltens zu widersprechen. Diese fordern, daß vor allem im unteren und im oberen Bereich der Vertrautheit das SEV zu beobachten ist. Trotzdem sind die Ergebnisse kompatibel. Bei zu geringer Gewöhnung äußert sich das SEV durch Markentreue und der Beschäftigung mit der Marke an sich. Der kognitive Aufwand ist entsprechend gering. Bei zu großer Gewöhnung setzt auch SEV ein. Dies äußert sich im Fall der Theorien des SEVs im Zusammenhang mit der Kaufentscheidung zum Beispiel durch Markenwechsel. Für Bettman ist der Punkt der großen Erfah­rung mit der Marke jedoch nicht dort, wo schon eine Sättigung eingesetzt hat. Das heißt, andere Marken werden noch nicht in Erwägung gezogen. Demnach betrachtet Bettman bei seiner Untersuchung nur den Bereich bis zum optimalen Punkt der Theorien des SEV. Der Punkt, den Bettman den Punkt mit großer Erfahrung nennt, liegt ungefähr im optimalen Aktivierungslevel, in dem aufgrund der Zufriedenheit die kognitive Aktivität gering ist.

Des weiteren ist die quantitative Nutzung von Informationen abhängig von der Anzahl der verfügbaren Merkmale. Mit steigender Anzahl verfügbarer Merkmale nimmt die Anzahl genutz­ter Informationen zwar zu, gemessen an der insgesamt zur Verfügung stehenden Informations­menge jedoch ab.[7]

Wie schon angedeutet wurde, ist reine Informationsverarbeitung nicht die einzige Möglich­keit, die Unsicherheit zu reduzieren. Es gibt andere Strategien, die ebenfalls in der Lage sind dies zu erreichen und zwar mit geringeren Verarbeitungskosten. Shugan führt drei Mög­lichkeiten an: „The cost of thinking can be reduced by (1) memory, (2) summary statistics, and (3) pro­babilistic sampling.“[8] Der erste Punkt macht sich im Rahmen des Kaufentscheidungsprozes­ses zum Beipiel durch Markentreue bemerkbar. Auch die Ent­scheidung für die Markentreue muß, wie schon ausgeführt, nicht zwangsläufig ohne jegliche Informationsverarbeitung abzulau­fen. Bettman[9] stellt insgesamt zehn verschiedene Auswahlheuristiken zusammen (z.B.: konjunktive, disjunktive, lexikografische usw.). Eine der dargestellten Heuristiken ist die „affekt referral“-Heuristik. „In affect referral, a consumer does not examine attributes or beliefs about alternatives, but simply elicits from memory a previously formed overall evaluation for each alternative. Thus the evaluation process is wholistic.“[10] Bei dieser Auswahlheuristik werden nicht einzelne Attribute des Produktes, sondern die mit der Alternative verbun­denen Affekte miteinander verglichen. Das Auswahlkriterium ist der Maximie­rungsgrundsatz, das heißt, die Alternative, die mit dem angenehmsten Affekt verbunden ist, wird ausgewählt. Dies scheint die angemessene Auswahlheuristik zu sein, um den Entscheidungspro­zeß bei Markentreue zu betrachten. Dieser Auswahlprozeß ist in der Lage, sehr komplexe Auswahlentscheidungen auf ein Minimum an kognitiver Anstrengung zu reduzieren. Der zweite Punkt von Shugan kann als die Hinzuziehung von Urtei­len, die auf den durchschnittlichen Urteilen einer breiten Mehrheit beruhen, interpretiert werden. Ein gutes Beispiel ist die Entschei­dungs­unterstützung durch die Zeitschrift „test“, die bei ihren Urteilen allgemein anerkannte Wertmaßstäbe zugrunde legt. Wenn die dritte Option angewendet wird, bedeutet dies, daß nur eine begrenzte Anzahl von Attributen der Marken verglichen werden. Dabei wird mit großer Wahrschein­lichkeit davon ausgegangen, daß sich von der Ausprägung dieser Attribute auf die gesamte Eignung der Marke schließen läßt.

Zu jedem Zeitpunkt, des Produktauswahlprozesses, existieren zwei Hand­lungsalternativen. Die erste Alternative besteht in der Auswahl des aktuell am attraktivsten erscheinenden Produktes. Die zweite Alternative besteht darin, weitere Überlegungen und Informationsbeschaffung zu betreiben. Wenn man in einem Koordinatensystem die Zeit auf der Abszisse und den wahrgenommenen Konflikt auf der Ordinate darstellt, bildet die erste Hand­lungsalternative eine fallende Kurve und die zweite Handlungsalternative eine steigende Kurve. Je nachdem, wie in der Entscheidungssituation das ursprüngliche Risikopotential war und wie hoch der Risikotoleranzlevel liegt, sind verschiedene Situationen vorstellbar (siehe Abb. 4). Wenn in Situation 1 davon ausgegangen wird, daß der Risikotoleranzlevel 1 gilt, dann kann bezogen auf Entscheidungssituation C die Entscheidung ohne jedes weitere SEV getroffen werden. Wenn in der gleichen Entscheidungs­situation allerdings Risiko­toleranz­level 2 gilt, dann muß in gewissem Maße SEV durchge­führt werden, bis das wahrgenommene Risiko gleich dem Risikotoleranzlevel ist (Situation 2). In der Ent­scheidungs­situation A wird zwar nach langer Zeit auch irgendwann der Risikotoleranzlevel erreicht, vorher ist jedoch der wahr­genommene Konflikt durch zusätzliches SEV so groß, daß dieser sogar den Konflikt durch das noch bestehende Risiko bei einer unmittelbaren Entscheidung übertrifft (Situation 3). Wenn der Konflikt aufgrund des wahrgenommenen Risikos gleich dem Konflikt aufgrund zusätzlichen SEV ist, dann wird die Entscheidung getroffen.[11]

Abb. 4 (Entscheidungsprozeß)
Abb. 4 (Entscheidungsprozeß)

Die Menge der notwendigen kognitiven Energie für die Informationsverarbeitung ist von dem wahrge­nommenen Risiko und der aufgrund dessen ausgewählten Auswahlheuristik[12] abhängig. „Consumer spend different amounts of energy on various choices, and these differences must be explained in terms of varying amounts of motivation at the time of the choice.“[13] Hansen schlägt vor, daß ein U-förmiger Zusammenhang zwischen dem Konflikt und der Komplexität des Auswahlprozesses besteht. Die geringste Komplexität liegt dann vor, wenn der Punkt des tolerierbaren Konfliktes erreicht ist. Mehr oder weniger Konflikt erfordern kom­plexere Auswahlprozesse, entweder auf der Suche nach Stimulation oder beim Problemlösen. Aller­dings steigt die Komplexität der Problemlösungsprozesse nicht monoton an. Vielmehr wird davon ausgegangen, daß Vermeidungsverhalten auftritt und das Komplexitäts­niveau spontan reduziert wird, wenn der wahrgenommene Konflikt ein bestimmtes Niveau übersteigt.[14]


[1] Bettmann, J.R., (1979), S. 176

[2] vgl.: Shugan, S. M., (1980), S. 101

[3] Hansen, F., (1972), S. 154

[4] vgl.: Howard, J.A., (1977)

[5] vgl.: Bleiker, U., (1983), S. 192f

[6] vgl.: Bettman, J. R.; Park, C. W., (1980), S. 244

[7] vgl.: Bleiker, U., (1983), S. 133ff

[8] Shugan, S. M., (1980), S. 109

[9] vgl.: Bettmann, J.R., (1979)

[10] Bettmann, J.R., (1979), S. 179

[11] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 155 ff

[12] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 158

[13] Hansen, F., (1972), S. 65

[14] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 160

Involvement als möglicher Erklärungsansatz

Involvement ist ein theoretisches Konstrukt, das erstmals 1965 von Krugman[1] im Zusammen­hang mit seiner Untersuchung über Werbewirkungen benutzt wurde. In den folgenden Jahren wurde die Bedeutung dieses Konstruktes erkannt und erfuhr Erweiterungen bezüglich des Anwendungsbereiches, der Operatio­nalisierung und der Wirkungsvariablen. Der allgemeine Konsens bezüglich der Bedeutung des Konstruk­tes kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Variable von verschiedenen Forschern unter­schiedlich interpretiert wird.[2]

Zwei Definitionen aus der Literatur sollen hier beispielhaft angeführt werden.

Kroeber-Riel:

„Unter Involvement versteht man die innere Beteiligung, das Engagement mit dem sich die Konsumenten der Kommunikation zuwenden.

…, daß das Involvement der Konsumenten durch persönliche, situative und reizabhängige Einflüsse bestimmt wird.“[3]

Bleiker definiert Involvement so:

„Zusammenfassend kann Involvement als eine Variable betrachtet werden, die das Ausmaß der Beziehung eines Stimulus zum Ego, zu zentralen persönlichen Werten angibt. Involvement drückt das Ausmaß der Beziehung zwischen einem Stimulus und dem individuellen Wertsystem aus“.[4]

Die Bedeutung des Involvements für diese Untersuchung wird durch die Ergebnisse einer Studie von Lastovicka und Gardner[5] deutlich. Sie stellt heraus, daß sich hoch und niedrig involvierte Personen bezüglich der Komplexität ihrer kognitiven Struktur unterscheiden. Dies bedeutet, daß hoch involvierte Personen eine größere Anzahl von Eigenschaften zur Bewertung eines Produktes heranziehen und diese Merkmale auch gleichgewichtiger verarbeiten als weni­ger involvierte Personen. Da der Rückgriff auf Markentreue gleichbedeutend ist mit einer drastischen Reduzierung der in den Entscheidungspro­zeß einbezogenen Informationen, könnte man sich von der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Involvement und Markentreue interessante Ergebnisse erhoffen.

Aufgrund der allgemeinen Unsicherheit über die Definition des Begriffs Involvement und weil schon die Bereiche Dissonanz und Risiko behandelt werden, wird der Zusammenhang zwischen Involvement und Markentreue nicht näher untersucht. Trotzdem wurde im Laufe dieser Arbeit eine Verwendung des Elaboration Likelyhood Model[6] in Betracht gezogen. Auch dieses Modell erschien zur Ergründung der Hin­tergründe für markentreues Verhalten sehr geeignet, wird jedoch aus Platzgründen nicht behandelt. Bei näherer Betrachtung erscheint es auch, daß die Konstrukte Dissonanz, Risiko und Involvement zu viel gemeinsam haben, als daß die ausführli­che Behandlung des letzteren notwendig erscheint. So sind die Faktoren, die die Stärke des Involvements bedingen vermutlich gleich den Kon­sequenzen und der Unsi­cherheit im Rahmen der Risikotheorie. Während Risiko und Dissonanz jedoch grund­sätzlich negative Aspekte beinhalten, ist dies beim Involvement nicht unbedingt notwendig.

Im Rahmen der Produktauswahl für die empirische Untersuchung wird nochmals auf das Kon­strukt Involvement eingegangen. Außerdem werden im Fragebogen Items zur Ermittlung des Involvements enthalten sein, um damit unter Umständen das Residuum zu reduzieren.

Im weiteren soll das Konstrukt Involvement wie folgt definiert sein:

Involvement ist ein Konstrukt, das darüber Auskunft gibt, inwieweit, die mit der Kaufent­scheidung zu treffenden Abwägungen für den Konsumenten von Bedeutung sind.


[1] vgl. Krugman, H. E., (1965), S. 349-356

[2] vgl. Bleiker, U., (1993), S. 139 ff

[3] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 89-90

[4] Bleiker, U., (1993), S. 143

[5] vgl. Lastovicka, J. L.; Gardner, D. M., (1979), S. 87-92

[6] vgl.: Petty, R. E.; Cacioppo, J. T.; Schumann, D., (1983) und Petty, R. E.; Cacioppo, J. T., (1986)

„Das Konzept“

Bevor ein Konfliktmodell für Markentreue, basierend auf der Aktivationstheorie, vorgestellt wird, werden nochmals kurz die dafür verwendeten Bestandteile der unterschiedlichen Konzep­te und Theorien zusam­mengefaßt um die wichtigsten Sachverhalte für das Konzept präsent zu haben.

Implikationen der Dissonanz- und Risikotheorie

Wahrgenommenes Risiko ist ein aversiver Reiz. Diesem Reiz steht das auf das Konsistenzmotiv zurückzu­führende Motiv nach Risikoreduktion gegenüber. Jede Hand­lung, die dazu geeignet ist, das wahrge­nommene Risiko zu reduzieren, wird daher verstärkt. Jeder Stimulus, bei dem das wahrge­nommene Risiko kleiner ist als bei einem anderen Stimulus, wird als weniger aversiv empfunden. Ebenso wird ein Stimulus oder eine Situation weniger aversiv empfunden, wenn es gelingt das mit ihr verbundene Risiko zu verringern.

Wahrgenommenes Risiko ist ein hypothetisches Konstrukt, das sich aus der Angst vor unange­nehmen zukünftigen Umweltzuständen ableitet. Es wird oft durch die erwarteten negativen Konsequenzen einer Handlung und der Unsicherheit, daß diese Konsequenzen eintreten, opera­tionalisiert. Konsequenzen werden in dieser Arbeit als die Folgen der Nicht-Realisierung ange­strebter Ziele durch die gekaufte Marke definiert. Die Unsicherheit leitet sich in erster Linie aus der wahrgenommenen Qualitätsvarianz innerhalb der Produkt­kategorie ab. In bezug auf die Nicht-Realisierung angestrebter Zielvorstellungen führt die Qualitätsvarianz dazu, daß der Konsument sich nicht sicher ist, ob es nicht Alternativen gibt, die genauso gut oder besser als die ausgewählte Marke sind.

Wenn sich das Risikoreduktionsmotiv aus dem Konsistenzmotiv ableitet, dann muß Risikover­hal­ten auch innerhalb der Konsistenztheorie zu erklären sein. Am Beispiel der Dissonanztheo­rie von Festinger wurde verdeutlicht, daß es eine solche Entsprechung gibt. Dissonanz ist wie die Risikoempfindung ein aversiver Reiz. Ein Sonderfall der Dissonanz ist die Dissonanz aufgrund antizipierter Nachkauf­dissonanz. Die Stärke der antizipierten Nachkaufdissonanz lei­tet sich wie das Risiko aus der Wichtigkeit der Konsequen­zen und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Konsequenzen ab. Dissonanz ist damit eine Möglich­keit, den aversiven Charakter der Risikosi­tuation zu erklären.

Der gesamte Bereich des Konsumverhaltens wird von Bauer als Risikoverhalten charakteri­siert.[1] In der Literatur werden eine ganze Reihe von Strategien angeführt, dieses Risiko zu reduzieren. Die wichtigste und immer wieder untersuchte Strategie ist die Aktivierung von Gedächtnisinhalten. Im Falle der Kaufent­scheidung führt diese Strategie meist zu Markentreue. Markentreue, also die wiederholte Konsumtion des gleichen Pro­duktes, führt – wiederum bedingt durch die gemachte Erfahrung – zu einer Veränderung des Gedächtnisinhaltes. Dadurch ändert sich die Effektivität des Gedächtnisinhaltes zur Reduktion des Risikos, weil die Quali­tätsvarianz für den Konsumenten transparenter und damit die Unsicherheit reduziert wird. So wird sich im Zeitablauf zuerst herausstellen müssen, inwieweit das Produkt wirklich das hält, was die Wer­bung verspricht. Außerdem sind dem Konsumenten meist seine Zielvor­stellun­gen, die er mit dem Kauf des Produktes verbindet, nicht bis ins Letzte klar und er wird für sich selber klären müssen, ob die Leistungen des Produktes und seine Zielvor­stellungen kompatibel sind. Erst nach einem längeren Zeitraum wird sich herausstellen, inwieweit die Marke Quali­tätsschwankungen unterliegt. Die drei genannten Faktoren bedingen die Entwicklung des wahr­ge­nommenen Risikos und hier vor allem des Faktors Unsicherheit im Zeitablauf, das heißt mit wiederholter Konsum­tion.

Wenn Risiko als antizipierte Nachkaufdissonanz verstanden wird, bietet sich die Marken­treue auch hier als Lösungsmöglichkeit an. Da die möglichen aus der Markentreue ent­stehen­den Dissonanzempfindun­gen weitgehend bekannt sind, kann die Markentreue dazu dienen, die antizipierte Dissonanz gering zu halten.

Darüber hinaus ist das wahrgenommene Risiko interpersonell sehr unterschiedlich, was auf einen unter­schiedlichen individuellen Risikotoleranz­level zurückzuführen ist, der wiederum mit einer großen Anzahl von anderen Persönlich­keits­merkmalen korreliert. Der Risiko­toleranz­level ist damit ein wichtiger Faktor, wenn es um die Beurteilung von Risikover­halten geht.


[1] vgl.: Bauer, R. A., (1967)