Kosten der Verarbeitung als Einflußfaktor

„Consumers are subject to limitations in processing capacity. This means that detailed and complex calculations or comparisons among alternatives may be the exeption rather than the rule. Consumers may often use simple heuristics to make comparisons. These heuristics allow adaptation to the potentially complex choices consumers must make.“[1]

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht eine Entscheidungssituation. Eine Entscheidung setzt die Aus­wahlmög­lichkeit zwischen mehreren Alternativen voraus. Bevor eine sinnvolle Ent­scheidung zwischen diesen ge­troffen werden kann, die nicht nur vom Zufall abhängig ist, müssen Informationen über die Alternativen aufgenommen und verarbeitet werden. Selbst die Ent­scheidung zwischen zwei alternati­ven Handlungsmöglichkeiten, die sich stark unterschei­den, bei denen also die eine besonders vorteilhaft und die andere besonders unvorteilhaft erscheint, erfordert ein Minimum an Informationsverarbeitung. Je mehr Alternativen in der Entscheidungs­situation relevant sind und je ähnlicher diese bezüglich der relevanten Entschei­dungskrite­rien wahr­genommen werden, desto aufwendiger ist der Infor­mations­verarbei­tungsprozeß. Ein weiterer Faktor, der das Ausmaß der erforderlichen Informationsbe­schaf­fungs- und Informa­tionsver­arbei­tungs­maß­nahmen bedingt, ist das Maß an Sicherheit, das der Konsument im Au­genblick der Entscheidung haben möchte, um die optimale Alternative auszuwählen.[2] In der Kaufent­scheidungssituation kann der Kon­sument jederzeit die Kaufentscheidung treffen. Je nachdem wieviel Informationen er vor der Entscheidung beschafft und verarbeitet hat, ist es dann mehr oder weniger so, daß er die Entscheidung trifft, bevor alle möglichen Charakteristiken des Produktes verglichen wurden. Dadurch riskiert der Konsument, einen Fehler zu machen, indem er bezüglich be­stimmter Charakteristika des Produktes nicht die optimale Entscheidung trifft oder einen trade-off Prozeß nicht abgeschlossen hat. Der Konsument wird deshalb genauso lange die relevanten Alternativen bezüg­lich ihrer Charakteri­stika vergleichen, bis er den von ihm verlangten Sicherheitslevel erreicht hat.

Da die Informationsverarbeitungskapazität des Menschen begrenzt ist und die Auswahl­entschei­dung meist unter einem gewissen Zeitdruck getroffen werden muß, ist der Konsument darauf angewiesen, seine Informations­verarbeitungs­kapazitäten möglichst ökonomisch einzusetzen, um in der zur Verfügung stehenden Zeit den angestrebten Sicher­heitslevel zu erreichen. Je größer die Sicherheitsansprüche sind, desto größer sind die kognitiven Belastun­gen, weil in vorgegebe­ner Zeit mehr Informationen verarbeitet werden müssen. Wenn von Kosten der Verarbeitung gesprochen wird, sind damit sämtliche An­strengun­gen gemeint, die der Konsument auf sich nehmen muß, um den persönlichen Sicher­heitslevel zu errei­chen, bei dem er bereit ist eine Entscheidung zu treffen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die kogniti­ven Aktivitäten.

Hansen geht darauf ein, inwieweit der vom Konsumenten angestrebte Sicherheitslevel tatsäch­lich erreicht oder statt dessen eine Zwischenlösung angestrebt wird:

„If for a moment the attention is fixed on a problem, wether a solution will be found depends on the tolerable level of conflict. If this level is high, the choice process may terminate with a ‚commitment‘ to a solution that still is quite conflicting and does not resolve the complex co­gnitive structure by which the problem is represented. In such a case elements of the problem can be neglected and a semi-solution can be established, but the conflict is likely to be re­aroused. If, however, the tolerable amount of conflict is low, a considerable higher degree of consistency is required before a solution is deemed acceptable, which increases the likelyhood that the problem really is solved.“[3]

Dieses Zitat wirft eine weitere Frage auf: Verändert sich die Motivation, eine befriedigende Entscheidung zu treffen und damit die Motivation zur Informationsverarbeitung im Laufe des Informationsverarbei­tungsprozesses, also mit abnehmendem Konflikt?

Die Entscheidungssituation stellt den Konsumenten vor ein Informations­verarbeitungs­problem. Es gibt bestimmte Ziele, die durch die Entscheidung erreicht werden sollen und es existiert ein bestimmtes Maß an Unsicherheit, ob einzelne Produkte diese Ziele erfüllen. Gleichzeitig steht der Konsument unter Zeit­druck. Er wird Schritte einleiten, um die Unsicher­heit zu reduzieren und in der vorgegebenen Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen. Es gibt verschiedene Meinungen dazu, wie sich das Bedürfnis nach Information auf dem Weg bis zum angestrebten Sicherheitslevel entwickelt. Es geht also um folgende Frage: Verändert sich das Bedürfnis nach Information vom Beginn des Entscheidungs­prozesses bis hin zu dem Punkt, wo der Sicherheitslevel erreicht wird? Das Bedürfnis nach Information sollte logischerweise genauso stark sein wie das Bedürfnis, den Sicher­heitslevel zu erreichen, da es sich hieraus ableitet. Das Bedürfnis, diesen Sicherheitslevel zu erreichen, ist nichts anderes als das Konsi­stenzmotiv oder das Motiv nach Risikoreduktion, da es sich bei der Situation um eine inkonsi­stente oder eine Risikosituation handelt. Eine ungewisse Situation ist in­konsistent, weil die An­forderungen an eine zufrieden­stellende Entscheidung nicht mit der empfun­denen Ent­scheidungs­situation übereinstimmen. Der akzeptierte Unsicherheit­slevel ist nichts anderes als das gerade noch akzeptierte Maß an Inkonsistenz oder der Risikotoleranzlevel, wobei bei den letzten beiden die Bedeutung der Situation noch eine Rolle spielt. Eine größere Unsicherheit wird als inkonsistent empfunden, weil sie nicht mit den Sicher­heitsansprüchen übereinstimmt. Verstärkt wird das Konsistenzmo­tiv durch Informationen, die den inkonsistenten Zustand in ei­nen konsistenten überführen. Durch Informationsaufnahme steigt die Vertrautheit mit der Situation oder dem Produkt und damit wird die Inkonsistenz der Situation abgebaut.

Howard fordert in seiner Theorie des Kaufentscheidungsverhaltens, die auf den Zusammen­hang zwi­schen Produktvertrautheit und quantitativer Informations­beschaffung eingeht, daß der Informationsbedarf mit zunehmender Vertrautheit mit dem Produkt und dem Markt ab­nimmt.[4] Das bedeutet im Rückschluß, daß mit abnehmender Inkonsistenz, also je näher der angestrebte Sicherheitslevel rückt, die Neigung diese Inkonsistenz abzubauen, abnimmt.

Bettman und Park fordern dagegen einen Verlauf, der einer umgekehrten U-Kurve entspricht. Sie kommen zu der Überzeugung, daß Konsumenten mit mittlerer Produkt­vertrautheit informations­verarbeitungswil­liger sind, während wenig und sehr vertraute Konsumenten dazu neigen, Beurtei­lungsaufgaben zu verein­fachen. Sie verlassen sich auf solche Merkmale, die als „chunks“ be­zeichnet wurden.[5]

Insgesamt herrscht in der Literatur Uneinigkeit darüber, ob eine große Vertrautheit zu einem gesteigerten oder zu einem reduzierten Informationsbedarf führt und ob mittelmäßig vertraute Personen, wie Bettman und Park dies fordern, eher in der Lage sind, Informationen zu verarbei­ten, als die beiden anderen Gruppen.

Bettman[6] stellt fest, daß die Wahrscheinlichkeit einer intensiven kognitiven Beschäftigung mit den Alternativen von zwei Faktoren abhängig ist, nämlich von der Motivation, dies zu tun und von der Fähig­keit, sich mit diesen Daten auseinandersetzen zu können. Er konnte in seiner Studie feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit, sich intensiv mit den Alternativen auseinanderzu­setzen, bei einem mittleren Maß an Erfahrung mit der Marke am größten ist. Bei geringerer oder größe­rer Erfahrung ist diese Bereitschaft, also mehr kognitive Energie zu investieren, geringer. Im ersten Moment erscheint dieses Ergebnis den Erkenntnissen der Theorien des Such- und Ent­deckungsverhaltens zu widersprechen. Diese fordern, daß vor allem im unteren und im oberen Bereich der Vertrautheit das SEV zu beobachten ist. Trotzdem sind die Ergebnisse kompatibel. Bei zu geringer Gewöhnung äußert sich das SEV durch Markentreue und der Beschäftigung mit der Marke an sich. Der kognitive Aufwand ist entsprechend gering. Bei zu großer Gewöhnung setzt auch SEV ein. Dies äußert sich im Fall der Theorien des SEVs im Zusammenhang mit der Kaufentscheidung zum Beispiel durch Markenwechsel. Für Bettman ist der Punkt der großen Erfah­rung mit der Marke jedoch nicht dort, wo schon eine Sättigung eingesetzt hat. Das heißt, andere Marken werden noch nicht in Erwägung gezogen. Demnach betrachtet Bettman bei seiner Untersuchung nur den Bereich bis zum optimalen Punkt der Theorien des SEV. Der Punkt, den Bettman den Punkt mit großer Erfahrung nennt, liegt ungefähr im optimalen Aktivierungslevel, in dem aufgrund der Zufriedenheit die kognitive Aktivität gering ist.

Des weiteren ist die quantitative Nutzung von Informationen abhängig von der Anzahl der verfügbaren Merkmale. Mit steigender Anzahl verfügbarer Merkmale nimmt die Anzahl genutz­ter Informationen zwar zu, gemessen an der insgesamt zur Verfügung stehenden Informations­menge jedoch ab.[7]

Wie schon angedeutet wurde, ist reine Informationsverarbeitung nicht die einzige Möglich­keit, die Unsicherheit zu reduzieren. Es gibt andere Strategien, die ebenfalls in der Lage sind dies zu erreichen und zwar mit geringeren Verarbeitungskosten. Shugan führt drei Mög­lichkeiten an: „The cost of thinking can be reduced by (1) memory, (2) summary statistics, and (3) pro­babilistic sampling.“[8] Der erste Punkt macht sich im Rahmen des Kaufentscheidungsprozes­ses zum Beipiel durch Markentreue bemerkbar. Auch die Ent­scheidung für die Markentreue muß, wie schon ausgeführt, nicht zwangsläufig ohne jegliche Informationsverarbeitung abzulau­fen. Bettman[9] stellt insgesamt zehn verschiedene Auswahlheuristiken zusammen (z.B.: konjunktive, disjunktive, lexikografische usw.). Eine der dargestellten Heuristiken ist die „affekt referral“-Heuristik. „In affect referral, a consumer does not examine attributes or beliefs about alternatives, but simply elicits from memory a previously formed overall evaluation for each alternative. Thus the evaluation process is wholistic.“[10] Bei dieser Auswahlheuristik werden nicht einzelne Attribute des Produktes, sondern die mit der Alternative verbun­denen Affekte miteinander verglichen. Das Auswahlkriterium ist der Maximie­rungsgrundsatz, das heißt, die Alternative, die mit dem angenehmsten Affekt verbunden ist, wird ausgewählt. Dies scheint die angemessene Auswahlheuristik zu sein, um den Entscheidungspro­zeß bei Markentreue zu betrachten. Dieser Auswahlprozeß ist in der Lage, sehr komplexe Auswahlentscheidungen auf ein Minimum an kognitiver Anstrengung zu reduzieren. Der zweite Punkt von Shugan kann als die Hinzuziehung von Urtei­len, die auf den durchschnittlichen Urteilen einer breiten Mehrheit beruhen, interpretiert werden. Ein gutes Beispiel ist die Entschei­dungs­unterstützung durch die Zeitschrift „test“, die bei ihren Urteilen allgemein anerkannte Wertmaßstäbe zugrunde legt. Wenn die dritte Option angewendet wird, bedeutet dies, daß nur eine begrenzte Anzahl von Attributen der Marken verglichen werden. Dabei wird mit großer Wahrschein­lichkeit davon ausgegangen, daß sich von der Ausprägung dieser Attribute auf die gesamte Eignung der Marke schließen läßt.

Zu jedem Zeitpunkt, des Produktauswahlprozesses, existieren zwei Hand­lungsalternativen. Die erste Alternative besteht in der Auswahl des aktuell am attraktivsten erscheinenden Produktes. Die zweite Alternative besteht darin, weitere Überlegungen und Informationsbeschaffung zu betreiben. Wenn man in einem Koordinatensystem die Zeit auf der Abszisse und den wahrgenommenen Konflikt auf der Ordinate darstellt, bildet die erste Hand­lungsalternative eine fallende Kurve und die zweite Handlungsalternative eine steigende Kurve. Je nachdem, wie in der Entscheidungssituation das ursprüngliche Risikopotential war und wie hoch der Risikotoleranzlevel liegt, sind verschiedene Situationen vorstellbar (siehe Abb. 4). Wenn in Situation 1 davon ausgegangen wird, daß der Risikotoleranzlevel 1 gilt, dann kann bezogen auf Entscheidungssituation C die Entscheidung ohne jedes weitere SEV getroffen werden. Wenn in der gleichen Entscheidungs­situation allerdings Risiko­toleranz­level 2 gilt, dann muß in gewissem Maße SEV durchge­führt werden, bis das wahrgenommene Risiko gleich dem Risikotoleranzlevel ist (Situation 2). In der Ent­scheidungs­situation A wird zwar nach langer Zeit auch irgendwann der Risikotoleranzlevel erreicht, vorher ist jedoch der wahr­genommene Konflikt durch zusätzliches SEV so groß, daß dieser sogar den Konflikt durch das noch bestehende Risiko bei einer unmittelbaren Entscheidung übertrifft (Situation 3). Wenn der Konflikt aufgrund des wahrgenommenen Risikos gleich dem Konflikt aufgrund zusätzlichen SEV ist, dann wird die Entscheidung getroffen.[11]

Abb. 4 (Entscheidungsprozeß)
Abb. 4 (Entscheidungsprozeß)

Die Menge der notwendigen kognitiven Energie für die Informationsverarbeitung ist von dem wahrge­nommenen Risiko und der aufgrund dessen ausgewählten Auswahlheuristik[12] abhängig. „Consumer spend different amounts of energy on various choices, and these differences must be explained in terms of varying amounts of motivation at the time of the choice.“[13] Hansen schlägt vor, daß ein U-förmiger Zusammenhang zwischen dem Konflikt und der Komplexität des Auswahlprozesses besteht. Die geringste Komplexität liegt dann vor, wenn der Punkt des tolerierbaren Konfliktes erreicht ist. Mehr oder weniger Konflikt erfordern kom­plexere Auswahlprozesse, entweder auf der Suche nach Stimulation oder beim Problemlösen. Aller­dings steigt die Komplexität der Problemlösungsprozesse nicht monoton an. Vielmehr wird davon ausgegangen, daß Vermeidungsverhalten auftritt und das Komplexitäts­niveau spontan reduziert wird, wenn der wahrgenommene Konflikt ein bestimmtes Niveau übersteigt.[14]


[1] Bettmann, J.R., (1979), S. 176

[2] vgl.: Shugan, S. M., (1980), S. 101

[3] Hansen, F., (1972), S. 154

[4] vgl.: Howard, J.A., (1977)

[5] vgl.: Bleiker, U., (1983), S. 192f

[6] vgl.: Bettman, J. R.; Park, C. W., (1980), S. 244

[7] vgl.: Bleiker, U., (1983), S. 133ff

[8] Shugan, S. M., (1980), S. 109

[9] vgl.: Bettmann, J.R., (1979)

[10] Bettmann, J.R., (1979), S. 179

[11] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 155 ff

[12] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 158

[13] Hansen, F., (1972), S. 65

[14] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 160

Involvement als möglicher Erklärungsansatz

Involvement ist ein theoretisches Konstrukt, das erstmals 1965 von Krugman[1] im Zusammen­hang mit seiner Untersuchung über Werbewirkungen benutzt wurde. In den folgenden Jahren wurde die Bedeutung dieses Konstruktes erkannt und erfuhr Erweiterungen bezüglich des Anwendungsbereiches, der Operatio­nalisierung und der Wirkungsvariablen. Der allgemeine Konsens bezüglich der Bedeutung des Konstruk­tes kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Variable von verschiedenen Forschern unter­schiedlich interpretiert wird.[2]

Zwei Definitionen aus der Literatur sollen hier beispielhaft angeführt werden.

Kroeber-Riel:

„Unter Involvement versteht man die innere Beteiligung, das Engagement mit dem sich die Konsumenten der Kommunikation zuwenden.

…, daß das Involvement der Konsumenten durch persönliche, situative und reizabhängige Einflüsse bestimmt wird.“[3]

Bleiker definiert Involvement so:

„Zusammenfassend kann Involvement als eine Variable betrachtet werden, die das Ausmaß der Beziehung eines Stimulus zum Ego, zu zentralen persönlichen Werten angibt. Involvement drückt das Ausmaß der Beziehung zwischen einem Stimulus und dem individuellen Wertsystem aus“.[4]

Die Bedeutung des Involvements für diese Untersuchung wird durch die Ergebnisse einer Studie von Lastovicka und Gardner[5] deutlich. Sie stellt heraus, daß sich hoch und niedrig involvierte Personen bezüglich der Komplexität ihrer kognitiven Struktur unterscheiden. Dies bedeutet, daß hoch involvierte Personen eine größere Anzahl von Eigenschaften zur Bewertung eines Produktes heranziehen und diese Merkmale auch gleichgewichtiger verarbeiten als weni­ger involvierte Personen. Da der Rückgriff auf Markentreue gleichbedeutend ist mit einer drastischen Reduzierung der in den Entscheidungspro­zeß einbezogenen Informationen, könnte man sich von der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Involvement und Markentreue interessante Ergebnisse erhoffen.

Aufgrund der allgemeinen Unsicherheit über die Definition des Begriffs Involvement und weil schon die Bereiche Dissonanz und Risiko behandelt werden, wird der Zusammenhang zwischen Involvement und Markentreue nicht näher untersucht. Trotzdem wurde im Laufe dieser Arbeit eine Verwendung des Elaboration Likelyhood Model[6] in Betracht gezogen. Auch dieses Modell erschien zur Ergründung der Hin­tergründe für markentreues Verhalten sehr geeignet, wird jedoch aus Platzgründen nicht behandelt. Bei näherer Betrachtung erscheint es auch, daß die Konstrukte Dissonanz, Risiko und Involvement zu viel gemeinsam haben, als daß die ausführli­che Behandlung des letzteren notwendig erscheint. So sind die Faktoren, die die Stärke des Involvements bedingen vermutlich gleich den Kon­sequenzen und der Unsi­cherheit im Rahmen der Risikotheorie. Während Risiko und Dissonanz jedoch grund­sätzlich negative Aspekte beinhalten, ist dies beim Involvement nicht unbedingt notwendig.

Im Rahmen der Produktauswahl für die empirische Untersuchung wird nochmals auf das Kon­strukt Involvement eingegangen. Außerdem werden im Fragebogen Items zur Ermittlung des Involvements enthalten sein, um damit unter Umständen das Residuum zu reduzieren.

Im weiteren soll das Konstrukt Involvement wie folgt definiert sein:

Involvement ist ein Konstrukt, das darüber Auskunft gibt, inwieweit, die mit der Kaufent­scheidung zu treffenden Abwägungen für den Konsumenten von Bedeutung sind.


[1] vgl. Krugman, H. E., (1965), S. 349-356

[2] vgl. Bleiker, U., (1993), S. 139 ff

[3] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 89-90

[4] Bleiker, U., (1993), S. 143

[5] vgl. Lastovicka, J. L.; Gardner, D. M., (1979), S. 87-92

[6] vgl.: Petty, R. E.; Cacioppo, J. T.; Schumann, D., (1983) und Petty, R. E.; Cacioppo, J. T., (1986)

„Das Konzept“

Bevor ein Konfliktmodell für Markentreue, basierend auf der Aktivationstheorie, vorgestellt wird, werden nochmals kurz die dafür verwendeten Bestandteile der unterschiedlichen Konzep­te und Theorien zusam­mengefaßt um die wichtigsten Sachverhalte für das Konzept präsent zu haben.

Implikationen der Dissonanz- und Risikotheorie

Wahrgenommenes Risiko ist ein aversiver Reiz. Diesem Reiz steht das auf das Konsistenzmotiv zurückzu­führende Motiv nach Risikoreduktion gegenüber. Jede Hand­lung, die dazu geeignet ist, das wahrge­nommene Risiko zu reduzieren, wird daher verstärkt. Jeder Stimulus, bei dem das wahrge­nommene Risiko kleiner ist als bei einem anderen Stimulus, wird als weniger aversiv empfunden. Ebenso wird ein Stimulus oder eine Situation weniger aversiv empfunden, wenn es gelingt das mit ihr verbundene Risiko zu verringern.

Wahrgenommenes Risiko ist ein hypothetisches Konstrukt, das sich aus der Angst vor unange­nehmen zukünftigen Umweltzuständen ableitet. Es wird oft durch die erwarteten negativen Konsequenzen einer Handlung und der Unsicherheit, daß diese Konsequenzen eintreten, opera­tionalisiert. Konsequenzen werden in dieser Arbeit als die Folgen der Nicht-Realisierung ange­strebter Ziele durch die gekaufte Marke definiert. Die Unsicherheit leitet sich in erster Linie aus der wahrgenommenen Qualitätsvarianz innerhalb der Produkt­kategorie ab. In bezug auf die Nicht-Realisierung angestrebter Zielvorstellungen führt die Qualitätsvarianz dazu, daß der Konsument sich nicht sicher ist, ob es nicht Alternativen gibt, die genauso gut oder besser als die ausgewählte Marke sind.

Wenn sich das Risikoreduktionsmotiv aus dem Konsistenzmotiv ableitet, dann muß Risikover­hal­ten auch innerhalb der Konsistenztheorie zu erklären sein. Am Beispiel der Dissonanztheo­rie von Festinger wurde verdeutlicht, daß es eine solche Entsprechung gibt. Dissonanz ist wie die Risikoempfindung ein aversiver Reiz. Ein Sonderfall der Dissonanz ist die Dissonanz aufgrund antizipierter Nachkauf­dissonanz. Die Stärke der antizipierten Nachkaufdissonanz lei­tet sich wie das Risiko aus der Wichtigkeit der Konsequen­zen und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Konsequenzen ab. Dissonanz ist damit eine Möglich­keit, den aversiven Charakter der Risikosi­tuation zu erklären.

Der gesamte Bereich des Konsumverhaltens wird von Bauer als Risikoverhalten charakteri­siert.[1] In der Literatur werden eine ganze Reihe von Strategien angeführt, dieses Risiko zu reduzieren. Die wichtigste und immer wieder untersuchte Strategie ist die Aktivierung von Gedächtnisinhalten. Im Falle der Kaufent­scheidung führt diese Strategie meist zu Markentreue. Markentreue, also die wiederholte Konsumtion des gleichen Pro­duktes, führt – wiederum bedingt durch die gemachte Erfahrung – zu einer Veränderung des Gedächtnisinhaltes. Dadurch ändert sich die Effektivität des Gedächtnisinhaltes zur Reduktion des Risikos, weil die Quali­tätsvarianz für den Konsumenten transparenter und damit die Unsicherheit reduziert wird. So wird sich im Zeitablauf zuerst herausstellen müssen, inwieweit das Produkt wirklich das hält, was die Wer­bung verspricht. Außerdem sind dem Konsumenten meist seine Zielvor­stellun­gen, die er mit dem Kauf des Produktes verbindet, nicht bis ins Letzte klar und er wird für sich selber klären müssen, ob die Leistungen des Produktes und seine Zielvor­stellungen kompatibel sind. Erst nach einem längeren Zeitraum wird sich herausstellen, inwieweit die Marke Quali­tätsschwankungen unterliegt. Die drei genannten Faktoren bedingen die Entwicklung des wahr­ge­nommenen Risikos und hier vor allem des Faktors Unsicherheit im Zeitablauf, das heißt mit wiederholter Konsum­tion.

Wenn Risiko als antizipierte Nachkaufdissonanz verstanden wird, bietet sich die Marken­treue auch hier als Lösungsmöglichkeit an. Da die möglichen aus der Markentreue ent­stehen­den Dissonanzempfindun­gen weitgehend bekannt sind, kann die Markentreue dazu dienen, die antizipierte Dissonanz gering zu halten.

Darüber hinaus ist das wahrgenommene Risiko interpersonell sehr unterschiedlich, was auf einen unter­schiedlichen individuellen Risikotoleranz­level zurückzuführen ist, der wiederum mit einer großen Anzahl von anderen Persönlich­keits­merkmalen korreliert. Der Risiko­toleranz­level ist damit ein wichtiger Faktor, wenn es um die Beurteilung von Risikover­halten geht.


[1] vgl.: Bauer, R. A., (1967)

Implikationen durch das Abwechslungsmotiv

Abwechslung ist ein Verstärker. Der Mensch trägt in sich das Motiv, immer wieder neue Reize aufzunehmen. Eine Situation, die ganz frei von neuen, ungewöhnlichen und inkongruenten Reizen ist, wird als langweilig und damit als aversiv empfunden. Wenn der Mensch sich in einer solchen Situation befindet, wird die Aufnahme neuer und unge­wöhn­licher Reize als angenehm empfunden. Kroeber-Riel[1] geht davon aus, daß es ein optimales Niveau bei der Aufnahme von neuen und ungewöhnlichen Reizen gibt, ab dem die Aufnahme weiterer derartiger Reize als weniger angenehm oder sogar als unange­nehm empfunden wird. Da dieses Niveau im Rahmen der Konsumentenforschung nach seinen Worten nie erreicht wird, schon gar nicht im Bereich von alltäglichen Konsument­scheidungen, wird im weiteren von einem monoton ansteigenden Zusammenhang zwischen Neuartigkeit, Ungewöhnlichkeit und Inkongruenz auf der einen Seite und dem positiven Affekt auf der anderen Seite ausgegangen.

In diesem Bereich gibt es keine exakt ausformulierten Theorien, wie dies im Bereich der Konsi­stenz­theorien oder der Lerntheorien der Fall ist. Trotzdem herrscht Einigkeit, darüber, daß neue und ungewöhn­liche Reize nicht immer die Motivation nach deren Beseitigung hervorrufen, sondern deren Fehlen oft die Motivation nach dessen Erreichung provozieren.


[1] vgl.: Kroeber-Riel (1992), S. 77

Implikationen der Lerntheorie

Unter Zuhilfenahme des Gesetzes des relativen Effekts sind die Veränderungen der Kauf­wahr­scheinlich­keiten der verschiedenen Marken innerhalb einer Produktkategorie zu erklären. Das Verhalten des Wiederkaufs einer Marke wird gelernt. Die Wiederkauf­wahrschein­lich­keit einer Marke ist abhängig von den Verstärker­eigen­schaften derselben. Zwei Motive werden in diesem Zusammenhang betrachtet. Es muß untersucht werden, inwieweit die Marke in der Lage ist, auf der einen Seite das Motiv nach Risikoreduktion und auf der anderen Seite das Abwechs­lungsmotiv zu befriedigen. In dem Maße, in dem die Marke dazu geeignet ist, wird die Hand­lung sie zu kaufen verstärkt. Der Konsument lernt also inwieweit die Marke das richtige Mittel ist, diese beiden Motive zu befriedigen. Auf der anderen Seite muß er feststellen, daß sich durch die Auseinandersetzung mit der Marke und die darauf zurückzufüh­rende Lernerfahrungen die Verstärkereigenschaften in bezug auf diese beiden Motive verändern. Deshalb ändert sich auch die Wiederkaufwahr­schein­lichkeit im Zeitablauf.

Wichtig für die spätere Auswahl eines Produktes für die empirische Untersuchung ist, daß keine Produkte ausgewählt werden, bei denen die Kaufentscheidungen absolut habitualisiert sind, da sonst der Abwä­gungsprozeß nicht mehr stattfindet und die Veränderungen im Zeitablauf vermutlich gering sein werden. Zwar steht bei habitualisierten Kaufhandlungen die Einbringung von Gedächtnisinhalten und damit von Vorurteilen im Mittelpunkt, dafür werden jedoch andere Bedingungen, die an das Vorliegen einer marken­treuen Kaufentscheidung gestellt werden, nicht erfüllt.

Implikationen der Theorie des Such- und Entdeckungsverhaltens

Die Theorien des SEV gründen auf den Aktivationstheorien, die davon ausgehen, daß der Mensch ein optimales Erregungsniveau hat und jeder Erregung eine bestimmte affektive Bewer­tung zugeordnet ist. Wenn das optimale Erregungsniveau, bedingt durch externe oder interne Stimuli, verlassen wird, dann setzt das SEV ein, um wieder in diesen Punkt zurückzukehren. Viele Theorien gehen von einem Zusam­menhang in der Form einer ∩-Kurve aus. Auf der Abszisse wird dabei die zunehmende Erregung und auf der Ordinate die affektive Bewertung dieser Erregung abgetragen.

Such- und Entdeckungsverhalten kann sich in ganz unterschiedlicher Art und Weise mani­festieren. Zwei wichtige Verhaltensweisen in diesem Zusammenhang sind Markentreue und Markenwechsel. Markentreue wird aus zwei Gründen zum SEV gerechnet: Erstens weil der Konsument durch Markentreue die Möglich­keit hat, sich intensiver mit der Marke zu beschäfti­gen und zweitens weil er damit aversiven Erfahrungen mit anderen Marken aus dem Weg gehen kann. Markenwechsel dagegen ist eine Möglichkeit, andere als die schon bekannten Stimuli kennenzulernen. SEV hat damit vor allem zwei Eigenschaften: Die Erfor­schung eines bekann­ten Stimulus und die Suche nach einem neuen Stimulus. In der Kaufentschei­dungssituation hat der Konsument damit zwei Alternativen; entweder kauft er weiterhin die bewähr­te Marke oder er probiert eine neue Marke aus. Bevor die Kaufentscheidung getroffen wird, hat jede dieser beiden Entscheidungsalternativen eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zur Ausführung zu kom­men. Es wird davon ausgegangen, daß die Entscheidung für eine der beiden Alternativen von der affektiven Bewer­tung des Ergebnisses der Entscheidung abhängig ist. Die affektive Bewertung des Ergebnisses ist bei ausschließlicher Betrachtung der intrinsischen Faktoren von der Erregung abhängig, die durch das Er­gebnis der Entscheidung erreicht würde.

Wenn die mit einem häufigen Wiederkauf der gleichen Marke verbundene Erregung betrachtet wird, ist zu erwarten, daß mit zunehmender Vertrautheit mit der Marke die Erregung abnimmt. Dies ist dadurch zu erklären, daß die Marke zunächst neu, unge­wöhnlich, aufregend und vielleicht einigermaßen riskant ist, ebenso wie alle anderen sich auf dem Markt befindlichen Marken. Je mehr der Konsument sich mit der Marke ausein­andersetzt, desto weniger wird diese als neu, ungewöhnlich, aufregend und riskant emp­funden. Die sich verändernde Erregung wird entsprechend der dargestellten Konzepte affektiv bewertet. Diese sich ändernde affektive Bewertung hat Einfluß auf die Motivation, beim nächsten Mal wieder die gleiche Marke zu kaufen und damit auf die Wiederkauf­wahrscheinlichkeit. Entsprechend wird sich die Wieder­kaufwahr­scheinlichkeit vermutlich auch in der Form einer ∩-Kurve entwickeln. Eine zuneh­mende Wahr­scheinlichkeit des Wiederkaufs bedeutet gleichzeitig eine abnehmende Wahr­scheinlichkeit des Marken­wechsels und umgekehrt.

Die eindimensionale Betrachtungsweise, bei der eine einheitliche Erregung, entsprechend ihrer Stärke entweder positiv oder negativ bewertet wird, wird in Frage gestellt. Affekt kommt nach Schachter[1] durch die Erregung und die der Situation entsprechenden Bewertung dieser Erre­gung zustande. Viele Stimuli, so auch jede Marke, haben sowohl positiv als auch negativ bewer­tete Eigen­schaften. Gleichzeitig führen diese Eigenschaften zu einer Erregung. Die Stärke des mit der Marke verbundenen Affektes ist von der Ausprägung der Eigenschaften der Marke abhängig. Die Art des Affektes ist von der Art der Eigenschaften abhängig. Manche Eigenschaf­ten der Marke verstärken den Wiederkauf, weil sie mit einem positiven Affekt verbunden sind, und andere sind dazu geeignet, den Wiederkauf zu verhindern, weil sie mit einem negativen Affekt verbunden sind. Damit ist die Entscheidungssituation bezüglich dieser Marke eine Konflikt­ent­scheidung und das Ergebnis dieser Entscheidung wird entsprechend der Stärke und dem Verhältnis der positiven oder der negativen Eigenschaften der Marke bewertet.

Wenn von dieser zweidimensionalen (oder auch einer mehrdimensionalen) Sichtweise ausge­gan­gen wird, führt eine stärkere Erregung durch einen positiven Reiz zu einem immer stärker werdenden positiven Affekt, während eine immer stärker werdende Erregung durch einen negativen Reiz zu einem immer stärker werdenden negativen Affekt führt. Die Summe der beiden kann in einer ∩-Kurve resultieren, muß es aber nicht. Ob die ∩-Kurve zustande kommt, hängt von der tatsächlichen Lage der einzelnen Kurven zueinander ab.

Der optimale Erregungslevel ist nicht bei allen Menschen der gleiche, sondern wird bei ver­schie­denen Personen erst bei einem unterschiedlichen Erregungsniveau erreicht. Entsprechend ist auch die Tendenz zur Markentreue bei verschiedenen Menschen in der gleichen Situation un­terschied­lich.


[1] vgl.: Schachter S.; Singer, J. E, (1962)

Explikation des Konzeptes

Aus der Darstellung der gängigen Ansätze im Bereich der Markentreue und der wichtigsten Konzepte des Such- und Entdeckungsverhaltens wurde deutlich, daß keiner der Ansätze alleine in der Lage ist, die Entwicklung markentreuer Einstellungen gemäß der ursprüng­lichen Hypo­these umfassend darzustellen und vor allem zu erklären. Das folgende Konzept wird alle Aspekte der ursprünglichen Hypothese erfassen. Das Konzept wird im Anschluß durch eine empirische Untersu­chung getestet.

Wie schon aus der ursprünglichen Hypothese hervorgeht, und im Laufe der Arbeit immer wieder anklang, handelt es sich bei den Gründen, die zur Markentreue führen, vermutlich um zwei getrennte Motivationen. Wenn dies so ist, dann hängt die Entscheidung ganz wesentlich von der Stärke der Motivationen ab. Wie oben definiert, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Stärke der Motivation und der Stärke der damit einhergehenden Erregung. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Beschäftigung mit der Erregung weitere Aufschlüsse über die Lö­sung dieses Konfliktes bringen. Wenn wir die verschiedenen Ansätze der Theorien des SEV vergleichen, stellen wir fest, daß das Konzept von Berlyne[1] einige interessante Bestand­teile ent­hält, die im Sinne der Grundhypothese sinn­voll erscheinen. Zwei Bestand­teile aus dem Konzept von Berlyne werden deshalb über­nommen. Erstens betrachten wir im weiteren das von Berlyne vorgeschlagene Erregungs­potential als den Auslöser und Maßstab der Erregung. Dies erscheint deshalb sinnvoll, weil dieser Begriff mehr als alle anderen, die in den Konzepten als unabhän­gige Variable benutzt wurden, Interpretationsspielräume offen läßt. Zweitens soll der Unterscheidung Berlynes, von intrinsischem und extrinsischem SEV gefolgt werden. Diese Unterscheidung zog sich schon durch die gesamte bisherige Arbeit und ist notwendig, um von der Erfüllung der funktionellen Zielvorstel­lungen zu abstrahieren, durch die die extrinsischen Motivationen zu erklären sind. Ein Punkt, in dem nicht dem Konzept von Berlyne gefolgt wird, ist die Verbindung von Erregung und Affekt. Nach Berlyne gibt es keinen Erregungszustand, der die Ursache für positiven Affekt ist. Diese Annahme ist jedoch, wie oben schon diskutiert wurde, nicht sinnvoll. Außerdem ist der Ansatz von Berlyne nicht in der Lage zu unterscheiden, ob ein Erregungspo­tential, das oberhalb des optimalen Punktes liegt zu einer Beschäftigung mit der Marke oder zur Abkehr von dieser führt. Um diesen beiden Unzulänglichkeiten aus dem Wege zu gehen, wird für die Erklärung des Zusam­men­hanges zwischen Stimulation und Affekt statt dessen der An­satz von Streufert und Driver[2] angewendet. Dieser Ansatz erlaubt sowohl positive als auch negative Affekte. Positive und negative Affekte sind laut Definition nichts anderes als positive und negative Emotionen, aus denen sich dann wiederum die Motivationen nach Abwendung und Zuwendung ableiten. Damit liegen in diesem Bereich die Vorausset­zungen vor, die für die Erklärung der Wahrschein­lichkeit von Markentreue und Markenwechsel benötigt werden. Unser Konzept wird also im Bereich des SEV Bestandtei­le aus dem Konzept von Berlyne und dem Konzept von Driver und Streufert übernehmen. Damit wird dem Vorschlag von Raju und Venkatesan gefolgt, die eine Kombination der Ansätze von Berlyne sowie Streufert und Driver als geeignet für die Konsumenten­forschung ansehen.[3]

In Abweichung zu Berlyne, soll das Erregungspotential in zwei Komponenten zerlegt werden. Damit wird die unabhängige Variable gegenüber dem Konzept von Berlyne nicht geändert, sondern nur die vielen Faktoren, die nach Berlyne Bestandteil des Erregungs­potentials sein können, in zwei Gruppen geordnet. Der eine Faktor enthält alle positiven und erstrebenswerten Bestandteile des Erregungspotentials, wie Neuartigkeit, Unge­wöhn­lich­keit, Spannung etc. Die­ser Teil soll Abwechslungspotential heißen. Der positive Affekt, der mit diesen Bestandtei­len des Abwechslungspotentials verbunden ist, ist durch das Abwechslungsmotiv zu erklären, dessen Befriedigung als angenehm empfunden wird. Die Stärke der mit dem Abwechslungspo­tential verbundenen Erregung und damit die Stärke des positiven Affektes hängt von der Neuartigkeit des Stimulus und dem persönlichen Reizbedürfnis, also dem Abwechslungsmotiv ab. Je größer das persönliche Reizbedürfnis ist, desto weniger positiv ist tendenziell der mit einem bestimmten Abwechslungspotential verbundene Affekt.

Der andere Faktor enthält alle negativen Bestandtei­le des Erregungs­potentials, also vor allem solche Faktoren, die zu einer Risikowahrnehmung wie Unsicherheit und Mehrdeutigkeit führen. Dieser Teil soll Risiko­potential heißen. Der mit den Bestandteilen des Risikopotentials verbundene Affekt läßt sich auf das Motiv nach Risikore­duktion zurückführen, wobei dieses Motiv sich wiederum vermutlich auf dem Konsistenzmotiv gründet. Die Stärke der Erregung ergibt sich zum einen daraus, inwieweit die Bestandteile des Risikopotentials die Unsicherheit über die Folgen einer Entscheidung fördern und zum anderen wie groß die zu erwartenden Konsequenzen sind. Die affektive Bewertung kommt dadurch zustande, daß das Motiv auf die Beseitigung dieses Risikopotentials gerichtet ist und damit ein bestehendes Potential als negativ bewertet wird. Je stärker das Motiv ausgeprägt ist, sprich je geringer der Risikotoleranzlevel ist, desto negativer ist tendenziell der mit einem bestimmten Risikopotential verbundene Affekt. Damit wird ein sehr analytisches Vorgehen eingeschlagen. Das führt dazu, daß zum Beispiel Begriffe wie Komplexität nicht eindeutig einem der beiden Potentiale zuge­ordnet werden können, sondern in positiv und in negativ bewertete Bestandteile zerlegt werden müssen. Je nach Situation wird Komplexität eher mit positivem oder eher mit negativem Affekt verbunden.

Die Zerlegung des Erregungspotentials in zwei Faktoren hat den Vorteil, daß unter­schiedliche Stimuli auch unterschiedlich betrachtet werden können. Dies ist mit keinem der bisherigen Ansätze im Bereich des SEV möglich. So kann es sein, daß zwei Stimuli das gleiche Erregungs­potential haben. Während der eine Stimulus jedoch ein großes Abwechslungspotential und ein geringes Risikopo­tential hat, ist dies bei dem anderen Stimulus genau anders herum. Mit den oben dargestellten Theorien würden beide Stimuli gleich behandelt werden, weil der Affekt alleine aufgrund der Summe der Erregung theoretisch ermittelt würde. Beide bekämen theore­tisch das gleiche Erregungsniveau und damit den gleiche Affekt zugeordnet. Gleich­zeitig wären in der Realität aber unterschiedliche affektive Bewertungen der Stimuli zu beobachten. Diese Beobachtung könnte mit keiner der etablierten Theorien erklärt werden. Mit diesem neuen Ansatz ist eine differenziertere Betrach­tung der Zusammenhänge möglich.

Die Zerlegung des Erregungspotentials hat noch einen weiteren theoretischen Vorteil. So ermöglicht die Trennung der Erregungsgrundlagen in diese beiden Komponenten eine Erklärung des Verhaltens ohne Rückgriff auf die Aktivationstheorien und deren Versuch der Erklärung der affektiven Bewertung, alleine durch etablierte Motive, nämlich dem Konsistenzmotiv oder dem Motiv nach Risikoreduktion und dem Abwechslungsmotiv. Durch einen Stimulus werden diese beiden Motive immer in bestimm­tem Umfang befriedigt oder nicht.

Die Entscheidung für oder gegen einen Stimulus stellt sich unter diesen Voraussetzungen als ein klassi­scher Fall eines Appetenz-Aversions-Konfliktes dar. Durch die Marke sind die positiv und die negativ bewerteten Eigenschaften unverbrüchlich miteinander verbunden. Aufgrund der Motive wird von einer Aversion gegenüber dem Risikopotential und einer Appetenz gegenüber dem Abwechslungspotential ausgegangen.

Raju schlägt vor, die Gesamt-Präferenz für einen Stimulus aus der Summe der einzelnen Präfe­renzen oder Affekte abzuleiten.[4] Eine Unterstützung dieses Standpunktes kann aus dem bei Herkner dargestell­ten Einstellungskonzept von Rosenberg abgeleitet werden. „Die Gesamtbe­wer­tung von Einstellungsobjek­ten ist eine Art Mittelwert aller mit dem Einstellungsobjekt verbun­denen Meinun­gen.“[5] Meinung ist jede konkrete Relation zwischen zwei Einstellungs­objekten. Dieser Gesamt-Präfe­renzwert ist ein Verstärker in bezug auf die Handlung „Kauf der Marke“. Damit kann der Markenkauf oder auch Markenwiederkauf lerntheoretisch interpretiert werden.

Wir gehen davon aus, daß die Eigenschaften, die die beiden Erregungspotentiale bedingen, weitgehend unabhängig voneinander sind. Unter dieser Voraussetzung kann man sowohl für das Abwechslungspo­tential, als auch für das Risikopotential theoretisch eine Präferenzfunktion bil­den. Eine solche Präferenz­funktion soll aussagen, welche Ausprägung dieser Faktoren mit welchem Affekt verbunden ist. An dieser theoretischen Präferenzfunktion alleine kann das tatsächliche Handeln nicht abgelesen werden, da sich die Motivation für bestimmte Handlungen aus der Summation aller mit dem Stimulus verbundenen Affekte ergibt.

Es wird davon ausgegangen, daß zwischen dem Abwechslungs­poten­tial und dem positiven Affekt grundsätzlich ein positiv orientierter Zusammenhang besteht. Auch zwischen dem Risikopotential und dem negativen Affekt besteht ein positiver Zusammenhang. Das bedeutet, je größer das Risikopotential ist, desto größer ist der negative Affekt. Grundsätzlich ist der mit dem Risikopotential verbundene Affekt immer negativ. Im Gegensatz dazu ist das Abwechs­lungspo­tential nicht grundsätzlich mit positiven Affekten verbunden. Wenn das Abwechslungs­potential eines Stimulus so gering ist, daß Langeweile auftritt, sind mit dem Stimulus sogar negative Affekte verbunden. Es wäre möglich, eine weitere analytische Trennung zwischen dem positiven und dem negativen Affekt, der mit dem Abwechs­lungspotential verbunden ist, vorzunehmen. Darauf soll aus Gründen der Vereinfachung verzichtet wer­den. Damit sind die Orientierungen der Präferenzfunktionen festgelegt. Es wird sich bei den Präfe­renz­funktionen vermutlich nicht um Geraden handeln. Zu Beginn dieser Arbeit wurde die Studie von Bawa[6] erwähnt, der einen Zusammenhang zwischen der Vertrautheit mit einer Marke und dem damit verbundenen Nutzen in Form eines umgedrehten Us feststellte. Da Vertrautheit mit einer Marke nichts anderes ist als die Abnahme der durch die Marke hervorgerufenen Erregung, geht es bei Bawa auch um den Zusammenhang zwischen Erregung und Affekt.[7] Wenn wir von der Validität dieser Untersuchung ausgehen, wie müßten die Zusammenhänge zwischen dem Risiko­po­tential bzw. dem Abwechslungspo­tential und dem entsprechenden Affekt algebraisch gestaltet sein, damit die Summe der beiden eine entspre­chende Kurve ergibt? Die Voraus­setzungen können zum einen aus dem Aufsatz von Coombs und Avrunin[8] und auf der anderen Seite aus den oben angestellten Überlegungen über die Entwicklung der Affekte aufgrund von Motivbe­friedigung im Zeitablauf abgeleitet werden. Damit aus der Summation der beiden Präferenzfunk­tionen eine Funktion in Form eines umgedrehten Us entsteht, muß die erste parti­elle Ableitung der Appetenz­funktion nach dem Abwechslungspotential positiv und die zweite partielle Ableitung negativ sein. Eine Funktion, die diese Bedingungen erfüllt ist zum Beispiel die log-Funktion. Dagegen müssen sowohl die erste, als auch die zweite Ableitung der Aversions­funktion negativ sein. Diese Bedingung wird zum Beispiel von der Funktion f(x)=-x2 erfüllt. Für die näheren mathematischen Spezifikationen und Bedingungen der Eingipflig­keit sei der interessierte Leser auf den Aufsatz von Coombs und Avrunin: „Single-Peaked Functions and the Theory of Preference.“[9] verwiesen. Eine weitere Ausführung in dieser Arbeit würde zum einen den Rahmen sprengen und zum anderen ist nicht zu erwarten, daß übertriebene mathematische Spezifikationen in der empiri­schen Untersuchung nach­gewiesen werden können.

Zusätzlich zu diesen Bedingungen wollen wir davon ausgehen, daß die Appetenz­funktion gegen einen Grenzwert konvergiert oder eine log-Funktion ist und die erste Ableitung der Aversions­funktion mindestens zweiten Grades oder eine Exponentialfunktion sein muß.

Diese Annahmen über die reale Entwicklung der Erregungspotentiale, ergeben sich aus den theoretischen Vorarbeiten. So ist nachzuvollziehen, daß nicht jeder zusätzliche Neuartigkeits­aspekt eines Stimulus als gleich positiv empfunden wird. Irgendwann tragen zusätzliche neue Aspekte nicht mehr dazu bei, den Stimulus als noch positiver erscheinen zu lassen oder die Veränderung geht nur sehr langsam von­statten, weil das Motiv immer mehr befriedigt ist. Es gibt einen Sättigungswert bezüglich des Abwechs­lungspoten­tials. Vermutlich wird ab einem be­stimmten Niveau ein zusätzliches Abwechslungspotential sogar als negativ und das kumulierte Abwechs­lungs­potential deshalb als weniger angenehm empfun­den. In dieser Frage soll dem schon erwähnten Zi­tat von Kroeber-Riel[10] gefolgt werden, daß der Schei­telpunkt in der Konsumenten­forschung mit üblichen Mitteln nie erreicht wird. Da der Bereich nach dem Scheitelpunkt nicht mehr interes­sant ist, reicht die oben getroffene mathematische Spezifikation aus.

Abb. 5 (Das Konzept)
Abb. 5 (Das Konzept)
Auch bezüglich der Risikoaversion sind die mathematischen Vorgaben durchaus plausibel und ergeben sich aus den theoretischen Vorarbeiten. So wird ein geringes Maß an Risikopotential nicht sonderlich starke negative Affekte hervorrufen. Je größer dieses Risikopotential jedoch wird, desto stärker wird der damit verbundene Konflikt. Die mathematischen Forderungen an die Aversionskurve, führen dazu, daß diese einen Knick hat. Ab diesem Knick führt eine Zunahme des Risikopotentials zu einer über­proportionalen Zunahme der negativen Affek­te. Damit kann der oben getroffenen Drei­teilung des Risiko­potentials gefolgt werden.

Wenn die Präferenzen den obigen Bedingun­gen folgen, entsteht die in der Literatur gefor­derte ∩-Kurve. Aus der Abbildung 5 wird deutlich, daß aus diesem Konzept nicht die ∩-Kurve von Berlyne[11], sondern die von Streufert und Driver[12] resultiert, da positive Affekte möglich sind.

Es können zwei Störeinflüsse auftreten, die dazu führen, daß die ∩ – Kurve nicht zustande kommt. Zum einen führt ein unterschiedlich starkes Abwechslungs­bedürfnis und eine unter­schiedlich starke Risikoto­leranz zu einer vertikalen Verschiebung der zwei Kurven. Zum anderen können produktspezifi­sche Risiko- oder Abwechslungseigenschaften der Marke zu ei­ner horizon­talen Verschiebung der Kurve führen.

An dieser Stelle wollen wir auf Berlynes[13] Unterscheidung in intrinsische und extrinsische Motive zurückkommen. Die bisher behandelten Erregungspotentiale fallen nach dieser Katego­ri­sierung unter die intrinsischen Motive. Neben Abwechslungssuche und Risikovermeidung gibt es jedoch noch andere Faktoren, die die Wiederkaufwahr­schein­lich­keit einer Marke bedingen. Gemeint ist der Bereich, in dem bestimmte Produkte die Lösung für Probleme des Konsumenten sind. Dieser Bereich der Antriebe fällt in die Kategorie der extrinsischen Motive. Der Affekt gegenüber der Marke, der sich aus einem solchen Motiv ergibt, kann von entschei­dender Bedeu­tung sein. Ein besonders starkes extrinsisches Motiv kann einen Konsumenten dazu veranlassen, eine Marke weiterhin zu kaufen, obwohl sie langweilig oder zu riskant ist. Solche Motive sind meist relativ stabil über die Zeit, weil es sich um Einstellungen gegenüber der Marke handelt. An dieser Stabilität ändert eine lediglich veränderte Vertrautheit nichts. Es sei denn, durch diese Vertrautheit werden neue Informationen bekannt, die die Einstellung des Konsumenten ge­genü­ber der Marke ändern. Die extrinsischen Aspekte werden bei diesem Konzept vollkommen ausge­klammert. Untersucht wird nur der dahinter verborgene Prozeß, der auf den intrinsischen Motivationen beruht. Bei der Untersuchung ist deshalb darauf zu achten, daß keine Produkte ausgewählt werden, bei denen extrinsische Motivationen im Vor­dergrund stehen.

Wenn die extrinsischen Motivationen außer Betracht gelassen werden, sind die oben dargestell­ten Zusammenhänge in der Lage, die Grundhypothese zu erklären. Zunächst sind bei einer neuen Marke sowohl das Abwechslungspotential, als auch das Risikopotential tendenziell hoch. Wenn die Marke immer wieder gekauft wird, werden beide im Laufe der Zeit langsam abneh­men. Da die wichtigsten Risikofaktoren annahmegemäß sehr schnell abgebaut werden, wird das Risikopotential schnell abnehmen. Die Reduktion des Abwechslungspotentials geht gemäß der Annahmen nicht so schnell vonstatten. Damit wird die affektive Bewertung und damit die Wahrscheinlichkeit der Markentreue zunächst steigen. Nach und nach wird das Risikopotential bei wiederholter Konsumtion immer geringer werden. Das Gefälle ist allerdings gering. Demge­genüber nimmt die Abnahme des Abwechslungspotentials immer mehr zu. Damit beginnt die affektive Bewertung der Marke schlechter zu werden, wodurch die Wiederkaufwahr­scheinlich­keit sinkt. Irgendwann wird der Gesamtaffekt negativ werden, was zu einer Wiederkaufwahr­scheinlichkeit von etwa null aufgrund von Langeweile führt, sofern nicht extrinsische Gründe dagegen sprechen. Bei all diesen Aussagen ist das Gesetz des relativen Effektes zu beachten. Aus diesem Grunde ist die Wiederkaufwahrscheinlichkeit nicht alleine von der betrachteten Marke, sondern auch von allen anderen Marken abhängig. Außerdem hat die Veränderung der Wiederkaufwahrscheinlichkeit der aktuellen Marke Einfluß auf die Kaufwahr­schein­lichkeit der anderen Marken.


[1] vgl.: Berlyne, D. E., (1960, 1963, 1970)

[2] vgl.: Streufert, S.; Driver, M. J., (1971)

[3] vgl.: Raju, P. S.; Venkatesan, M., (1980), S. 5

[4] vgl.: Raju, P. S., (1981)

[5] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 182

[6] vgl.: Bawa, K., (1990)

[7] Nutzen ist bei Bawa im Sinne von Affekt gemeint.

[8] vgl.: Coombs, C. H.; Avrunin, G. S., (1977)

[9] vgl.: Coombs, C. H.; Avrunin, G. S., (1977)

[10] vgl.: Kroeber-Riel (1992), S. 77

[11] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[12] vgl.: Streufert, S.; Driver, M. J., (1971)

[13] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

Zusammenfassung der Hypothesen

Die im letzten Abschnitt geäußerten Überlegungen werden an einigen Beispielen ver­deutlicht, um die Komplexität der Hypothesen zu reduzieren.

Jeder Stimulus hat sowohl ein Abwechslungspotential als auch ein Risikopotential. Die Größe der beiden Potentiale ist unterschiedlich und wie schon gesagt, fordern wir Unabhängigkeit zwischen den beiden Potentialen. Beide sind im Zeitablauf einer Veränderung unterworfen. Beide Poten­tiale verlieren an dem mit ihnen verbundenem Affekt (entweder negativem oder positivem) je häufiger das Individuum ihnen ausge­setzt ist, das heißt je häufiger die Marke gekauft und benutzt wird.

Die Höhe des jeweiligen Potentials am Anfang der Betrachtung ist entscheidend für die Ent­wick­lung des gesamten Affektes im Laufe mehrerer Konsumtionen. Da sowohl Abwechs­lungspotential als auch Risikopotential aufgrund einer subjektiven Wahrnehmung definiert werden, sind darüber hinaus persönliche Prädispositionen, wie Risikotoleranz und Abwechslungsbedürfnis entscheidend für die Wahrnehmung der Höhe der Potentiale. Um dennoch die Möglichkeit zu haben, die ∩-Kurve nachzuweisen, müssen die Effekte, die eine Verschiebung der Präferenzfunktion bedingen, eleminiert werden. Zu diesem Zweck werden entsprechende Hypothesen formuliert und die dazu benötigten Daten erhoben.

Unter den oben genannten Voraussetzungen sind in der Realität verschiedene Situationen denkbar:

Anfangssituation: hohes Abwechslungspotential, hohes Risikopotential (siehe Abb. 6)

Abb. 6 (Entwicklung der Affekte, wenn beide Potentiale zu Beginn hoch sind)
Abb. 6 (Entwicklung der Affekte, wenn beide Potentiale zu Beginn hoch sind)

Beide Potentiale und die mit ihnen verbundenen Affekte werden im Laufe mehrerer Konsumtio­nen ab­nehmen. Irgendwann wird es zu Lan­geweile kommen. Die Summe der Affekte wird dem Verlauf der Kurve in Abbildung 6 folgen und damit genau dem Konzept entsprechen, das ja auch von hohen Potentialen zu Beginn ausgeht.

Anfangssituation: niedriges Abwechslungspotential, hohes Risikopotential (siehe Abb. 7)

Abb. 7 (Entwicklung der Affekte, wenn nur der Risikoaffekt zu Beginn hoch ist.)
Abb. 7 (Entwicklung der Affekte, wenn nur der Risikoaffekt zu Beginn hoch ist.)

Die Entwicklung des Gesamtaffektes hängt zumindest zu Anfang hauptsächlich von der Entwick­lung des Risikopotentials ab. Unter der Voraussetzung, daß das Abwechslungs­poten­tial zu Beginn zumindest noch so groß ist, daß es noch positiven Affekt erzeugt, steigt mit abnehmen­dem Risikopotential der positive Gesamtaffekt oder nimmt der negative zumin­dest ab. Dieser Trend schwächt sich jedoch aufgrund der Annahmen über die Entwicklung des mit dem Risiko­potential verbundenen Affektes sehr schnell ab. Wenn zusätzlich das Abwechslungspotential in den Bereich des negativen Affektes eintritt, wird der Gesamtaffekt immer negativer.

Anfangssituation: hohes Abwechslungspotential, niedriges Risikopotential (siehe Abb. 8 )

Abb. 8 (Entwicklung der Affekte, wenn der Abwechslungsaffekt zu Beginn hoch ist)
Abb. 8 (Entwicklung der Affekte, wenn der Abwechslungsaffekt zu Beginn hoch ist)

Der negative Affekt, der durch die Risikokom­ponente beigesteuert wird, ist relativ gering und verändert sich kaum. Die Entwicklung des Gesamtaffektes hängt deshalb hauptsächlich von der Entwicklung des Abwechslungspoten­tials ab. Dies bedeutet, daß der Gesamtaffekt im Laufe mehrerer Konsumtionen immer weiter sinkt, bis der Zustand der Langeweile erreicht ist.

Anfangssituation: niedriges Abwechslungspotential, niedriges Risikopotential (siehe Abb. 9)

Abb. 9 (Entwicklung der Affekte, wenn beide Affekte zu Beginn niedrig sind)
Abb. 9 (Entwicklung der Affekte, wenn beide Affekte zu Beginn niedrig sind)

Da in dieser Situation die negativen Affekte aufgrund des Risikopotentials relativ gering und gleichblei­bend sind und die mit dem Abwechs­lungspotential verbundenen Affekte mit starkem Gefälle von schwa­chem positiven Affekt in den Bereich des negativen Affektes überwech­seln, ist mit folgender Situation zu rechnen: Der Gesamtaffekt wird nicht oder nur sehr wenig positiv sein und mit weiteren Konsumtionen schnell in den negativen Bereich absinken.

Aus den hier angeführten Beispielen wird schon deutlich, daß die Auswahl der Produktkategorie für die Untersuchung vermutlich einen großen Einfluß auf die Ergebnisse haben wird.

Formulierung des Hypothesensystems:

1. Je größer die Gewöhnung an das Produkt ist, desto geringer ist der Abwechslungsaffekt.

2. Die Abhängigkeit des Abwechslungsaffekts von der Gewöhnung, kann durch eine log­arithmische Kurve beschrieben werden.

3. Je größer die Gewöhnung an das Produkt ist, desto geringer ist der Risikoaffekt.

4. Die Abhängigkeit des Risikoaffektes von der Gewöhnung, kann durch eine Kurve zweiten Grades mit negativem Vorzeichen annähernd beschrieben werden.

5. Je größer die Summe der beiden Einzelaffekte (Abwechslungsaffekt und Risikoaffekt), desto größer ist der Gesamtaffekt.

6. Je größer der Gesamtaffekt, desto größer ist die Wiederkaufwahrscheinlichkeit.

Folgende Faktoren haben einen Einfluß auf die Stärke der empfundenen Affekte:

7. Je stärker der Risikoaffekt beim ersten Kauf war, desto stärker ist dieser während der ge­samten Zeit der Markentreue. Es besteht also ein positiver Zusammenhang zwischen dem Risikoaffekt beim ersten Kauf und dem aktuellen Risikoaffekt.

8. Je stärker der Abwechslungsaffekt beim ersten Kauf war, desto stärker ist dieser während der ge­samten Zeit der Markentreue. Es besteht also ein positiver Zusammenhang zwischen dem Abwechslungsaffekt beim ersten Kauf und dem aktuellen Abwechslungsaf­fekt.

9. Je größer die Risikotoleranz, desto schwächer ist der Risikoaffekt ausgebildet.

10. Je größer das Reizbedürfnis, desto schwächer ist der Abwechlungsaffekt ausge­bildet.

11. Die Summe des Abwechslungsaffektes und des Risikoaffektes bilden eine Kurve, die in bezug auf die Gewöhnung einen umgekehrt U-förmigen Verlauf hat.

Abb. 10 (Zusammenhänge zwischen den Variablen)
Abb. 10 (Zusammenhänge zwischen den Variablen)