„The propensities of consumers to adopt novel products, wether they are ideas, goods, or services, can play an important role in theories of brand loyalty,….. If there were no such characteristics as innovativeness, consumer behavior would consist of a series of routinized buying responses to a static set of products.“[1]
„Die ‚Macht der Gewohnheit‘ hat einen gewichtigen Gegenspieler: das Bedürfnis nach Abwechslung, manchmal auch das Neugiermotiv.“[2]
„Nutzen nicht aufgrund der neuen Marke, sondern aufgrund des Wechsels selbst.“[3]
Das im folgenden behandelte Thema ist in der Literatur von Widersprüchen gekennzeichnet, was schon aus den Zitaten hervorgeht. So ist aus den obigen Aussagen abzulesen, daß die Existenz eines Bedürfnisses nach Abwechslung und eines Neugiermotivs weitgehend akzeptiert ist.[4] Uneinigkeit herrscht aber darüber, ob das Abwechslungsmotiv ein eigenständiges Motiv ist oder ob es auf andere Motive zurückzuführen ist.
Abwechslung und neue Situationen führen, wie schon dargelegt wurde, zu Inkonsistenzen. Es herrscht weitgehend Einvernehmen darüber, daß es ein Konsistenz-Motiv gibt und welche Folgerungen sich für eine inkonsistente Situation aus diesem ableiten lassen. Über das Zustandekommen eines Inkonsistenz- oder Abwechslungsmotivs dagegen gibt es unterschiedliche Meinungen, von denen einige im folgenden kurz angerissen werden.
Die einen gehen davon aus, daß es dieses Motiv überhaupt nicht gibt, die anderen sind von einem eigenständigen Motiv überzeugt. Dazwischen gibt es noch eine ganze Reihe von Standpunkten, die das Abwechslungsmotiv mehr oder weniger mit dem Konsistenzmotiv verbunden sehen.[5]
Maddi[6] geht zum Beispiel davon aus, daß ein Zusammenspiel des Konsistenzmotivs und des Abwechslungsmotivs am befriedigendsten wäre. Er leitet dies aus der Überlegung ab, daß Abwechslung unterhaltsam und Konsistenz beruhigend sei, eine Kombination dieser beiden Faktoren müsse ideal sein. Er geht jedoch nicht näher darauf ein, ob es sich um primäre Motive handelt oder nicht und welcher Art die Interaktionen zwischen den beiden Motiven sind.
Berlyne[7] geht in der ursprünglichen Version seines Konzeptes, implizit nur von einem einzigen Motiv, nämlich dem Konsistenz-Motiv aus. Er sieht sowohl den Zustand eines zu geringen Aktivierungspotentials als auch den Zustand eines zu hohen Aktivierungspotentials als inkonsistente Zustände an, die den Antrieb nach Beseitigung in sich führen. Den positiven Anreiz des Neuen oder Ungewöhnlichen kennt er in seinem 1960 veröffentlichten Konzept noch nicht. Später hat er sich dann eingehender mit dem positiven Anreiz durch das Neue und Ungewöhliche beschäftigt.[8] In einer Studie stellte er fest: „Both pleasingness and interestingness appear to increase with novelty.“[9] In einer weiteren Untersuchung ermittelte er den „hedonic value“ verschiedener Reize mit unterschiedlicher Komplexität. Hedonic value definiert er selber als: „a term meant provisionally to cover both reward value, as judged by the capacity of a stimulus to reinforce an instrumental response, and preference or pleasure, which is reflected in verbal evaluations“.[10] Er konnte feststellen, daß der hedonic value sehr komplexer Stimuli stieg, wenn sie durch wiederholte Darbietung als immer weniger komplex wahrgenommen wurden, während sehr einfache Stimuli mit steigender Komplexität attraktiver wurden. Berlyne vermutete, daß es zwei entgegengesetzte Faktoren gebe, die aber miteinander in Interaktion stehen und von denen einer auf die Aufnahme neuer und ungewöhnlicher Reize gerichtet sei. Dieser Gedanke wird durch folgende Ergebnisse unterstützt. Sowohl die Neuigkeit, als auch die Komplexität gehören zu den von Berlyne erwähnten „collative variables“. Während steigende Neuartigkeit fast uneingeschränkt als positiv empfunden wird, ist das Bild bei Komplexität geteilt. Man könnte daraus schließen, daß das Ungewohnte und Unbekannte an sich einen positiven Affekt auslöst, solange damit keine Gefahren verbunden sind. Zwar geht er in dieser Untersuchung expliziter auf die Motivation, Neues oder Ungewöhnliches aufzunehmen, ein, letztendlich ist in seinen Überlegungen jedoch wieder die Annahme eines optimalen Niveaus zu erkennen, ohne eine Differenzierung in verschiedene Einflußfaktoren vorzunehmen.
Als alternativer Ansatz kann das Konzept des Vergleichsniveaus von Thibaut und Kelley[11] zur Erklärung der Verstärkereigenschaften von neuen und ungewöhnlichen Reizen dienen. Danach werden die Konsequenzen einer Situation an den Konsequenzen in anderen ähnlichen Situationen gemessen. Auf diesen Standard haben alle zurückliegenden Erfahrungen einen Einfluß, wobei die aktuellsten Erfahrungen das größte Gewicht erlangen. Wenn die Konsequenzen in der aktuellen Situation diesem Maßstab entsprechen, werden sie neutral bewertet. Wenn der Standard übertroffen wird, werden sie positiv und wenn er unterschritten wird, werden sie negativ bewertet. Wenn man nun davon ausgeht, daß der Mensch ein bestimmtes Reizniveau für eine spezifische Situation als Vergleichsniveau hat, wird er jede darüber hinausgehende Stimulation als angenehm empfinden.
Es bleibt zu klären, ob das unter Umständen existierende Abwechslungs- oder Neugiermotiv ein primäres oder ein sekundäres Motiv ist.
Irle[12] macht die Eigenschaft des primären Motivs daran fest, ob eine Deprivation zur Zerstörung des physischen Organismus führt. Zwar ist dies im Fall des Neugier- oder Abwechslungsmotivs nicht unmittelbar der Fall, vermutlich wird jedoch, so Irle, die psychische Existenz zerstört werden. Auch daraus könnte ein Hinweis auf ein primäres Motiv abgeleitet werden. Trotzdem ist damit noch nicht sichergestellt, daß die Notwendigkeit „Einsicht zu gewinnen“, „Probleme zu lösen“ oder „aus inkongruenten Informationen kongruente zu machen“ primäre Verstärker sind und nicht als gelernte Verstärker auf primären Verstärkern aufbauen. Irle hält bezogen auf sozialpsychologische Fragestellungen die Entscheidung für ein primäres oder sekundäres Neugier- oder Abwechslungsmotiv für irrelevant.
Hirschman[13] führt eine Studie an, bei der Säuglingen zwei optische Reize angeboten wurden, von denen einer vertraut und einer neu wahr. Die Säuglinge wählten in den meisten Fällen den neuen Stimulus aus. Sie leitet daraus ab, daß das Bedürfnis nach Neuem angeboren, also ein primäres Motiv ist. Den entwicklungsgeschichtlichen Sinn für dieses Bedürfnis sieht sie vor allem in zwei Gründen. Zum einen versucht sich das Individuum durch die Aufnahme vieler neuer unbekannter Reize ein Reservoir an möglicherweise einmal hilfreichem Wissen anzulegen und zum anderen werden durch die Beschäftigung mit diesen neuen und ungewöhnlichen Reizen die Konfliktlösungseigenschaften trainiert.
Vermutlich beruhen weite Bereiche unseres Fortschritts auf der Neugierde und dem Bedürfnis des Menschen nach Abwechslung. Deshalb könnten weitere Hinweise unter Umständen aus der Sozio-Biologie zu erwarten sein, denn ein bestimmtes Maß an Neugierde kann durchaus als Selektionskriterium im Rahmen der Evolution dienen. Nur wer neugierig ist, kann neue Möglichkeiten entdecken. Dies kann ein Indiz dafür sein, daß wir Menschen ein primäres Neugiermotiv in uns haben.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß niemand eine Motivation zur Aufnahme neuer Reize in bestimmten Situationen bestreiten kann. Jeder, der dies bestreiten wollte, müßte die Freude der Menschen an neuen Dingen oder an der Informationsaufnahme in Frage stellen. Im weiteren wird von der Existenz des Neugier-, Abwechslungs- oder Inkonsistenzmotivs ausgegangen.
Nachdem die Festlegung getätigt worden ist, daß es eine solche Motivation zu Neuem, Ungewöhnlichem und Unbekanntem gibt, bleibt die Frage offen, wie sie einzuordnen ist. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Der Mangel an Ungewöhnlichem und Unbekanntem könnte einen inkonsistenten Zustand auslösen, der dann aufgrund der Aussagen, die die Konsistenztheorien machen, beseitigt werden muß. Die Theorien der kognitiven Dissonanz und die Theorie der Neugiermotivation beziehungsweise die Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens sind sich nach Irle[14] in ihrer Struktur sehr ähnlich, was auf einen gemeinsamen Ursprung hindeuten könnte. Auf die Möglichkeit, daß sich das Streben nach Abwechslung aus anderen grundlegenden Motiven ableitet, soll nicht näher eingegangen werden, weil dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß die Motivation Neues und Unbekanntes aufzunehmen, aus einem eigenständigen Motiv abzuleiten ist. Diese wäre dann ähnlich einzuordnen wie der Sexualtrieb oder der Trieb nach Nahrung. Oder vielleicht sogar noch darüber? Die Diskussion soll nicht fortgeführt werden, da diese Fragen nur durch empirische Untersuchungen zu klären sind. Außerdem verliert diese Auseinandersetzung an Erheblichkeit, wenn man nur die Markentreueeinstellung betrachtet. Dann interessiert nur noch der Gesamteffekt beider Motive, also dem Motiv nach Konsistenz und dem Motiv nach Inkonsistenz. Der resultierende Effekt wird der sein, wie er in den oben beschriebenen Konzepten beobachtet wurde.
Die Annahme eines vom Konsistenzmotiv unabhängigen Motivs macht jedoch noch keine Aussagen über die unter Umständen zugrundeliegenden Motive. Ohne diese Annahme validiert zu haben, soll davon ausgegangen werden, daß das Streben nach Konsistenz und das Streben nach Inkonsistenz weitgehend unabhängig voneinander sind, jedoch beide auf einem übergeordneten Motiv beruhen. Ein solcher Ausgangspunkt läßt alle möglichen Interpretationen offen und ist gleichzeitig ausreichend konkret für das weitere Vorgehen.
[1] Hirschmann, E. C., (1980), S. 283
[2] Wiswede, G., (1991), S. 320
[3] Gierl, H. et al., (1993), S. 104
[4] Im weiteren soll nicht zwischen dem Abwechslungsmotiv und dem Neugiermotiv unterschieden werden.
[5] vgl.: Streufert, S.; Streufert, S. C., (1978), S. 131 ff
[6] vgl.: Maddi, S. R., (1968)
[7] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)
[8] vgl.: Berlyne, D. E., (1970)
[9] Berlyne, D. E., (1970), S. 280
[10] Berlyne, D. E., (1970), S. 284
[11] vgl.: Thibaut, J. W.; Kelley, H. H., (1959)
[12] vgl.: Irle, M., (1975), S. 184
[13] vgl.: Hirschmann, E. C., (1980), S. 284
[14] vgl.: Irle, M., (1975), S. 185