Die im letzten Abschnitt geäußerten Überlegungen werden an einigen Beispielen verdeutlicht, um die Komplexität der Hypothesen zu reduzieren.
Jeder Stimulus hat sowohl ein Abwechslungspotential als auch ein Risikopotential. Die Größe der beiden Potentiale ist unterschiedlich und wie schon gesagt, fordern wir Unabhängigkeit zwischen den beiden Potentialen. Beide sind im Zeitablauf einer Veränderung unterworfen. Beide Potentiale verlieren an dem mit ihnen verbundenem Affekt (entweder negativem oder positivem) je häufiger das Individuum ihnen ausgesetzt ist, das heißt je häufiger die Marke gekauft und benutzt wird.
Die Höhe des jeweiligen Potentials am Anfang der Betrachtung ist entscheidend für die Entwicklung des gesamten Affektes im Laufe mehrerer Konsumtionen. Da sowohl Abwechslungspotential als auch Risikopotential aufgrund einer subjektiven Wahrnehmung definiert werden, sind darüber hinaus persönliche Prädispositionen, wie Risikotoleranz und Abwechslungsbedürfnis entscheidend für die Wahrnehmung der Höhe der Potentiale. Um dennoch die Möglichkeit zu haben, die ∩-Kurve nachzuweisen, müssen die Effekte, die eine Verschiebung der Präferenzfunktion bedingen, eleminiert werden. Zu diesem Zweck werden entsprechende Hypothesen formuliert und die dazu benötigten Daten erhoben.
Unter den oben genannten Voraussetzungen sind in der Realität verschiedene Situationen denkbar:
Anfangssituation: hohes Abwechslungspotential, hohes Risikopotential (siehe Abb. 6)
Beide Potentiale und die mit ihnen verbundenen Affekte werden im Laufe mehrerer Konsumtionen abnehmen. Irgendwann wird es zu Langeweile kommen. Die Summe der Affekte wird dem Verlauf der Kurve in Abbildung 6 folgen und damit genau dem Konzept entsprechen, das ja auch von hohen Potentialen zu Beginn ausgeht.
Anfangssituation: niedriges Abwechslungspotential, hohes Risikopotential (siehe Abb. 7)
Die Entwicklung des Gesamtaffektes hängt zumindest zu Anfang hauptsächlich von der Entwicklung des Risikopotentials ab. Unter der Voraussetzung, daß das Abwechslungspotential zu Beginn zumindest noch so groß ist, daß es noch positiven Affekt erzeugt, steigt mit abnehmendem Risikopotential der positive Gesamtaffekt oder nimmt der negative zumindest ab. Dieser Trend schwächt sich jedoch aufgrund der Annahmen über die Entwicklung des mit dem Risikopotential verbundenen Affektes sehr schnell ab. Wenn zusätzlich das Abwechslungspotential in den Bereich des negativen Affektes eintritt, wird der Gesamtaffekt immer negativer.
Anfangssituation: hohes Abwechslungspotential, niedriges Risikopotential (siehe Abb. 8 )
Der negative Affekt, der durch die Risikokomponente beigesteuert wird, ist relativ gering und verändert sich kaum. Die Entwicklung des Gesamtaffektes hängt deshalb hauptsächlich von der Entwicklung des Abwechslungspotentials ab. Dies bedeutet, daß der Gesamtaffekt im Laufe mehrerer Konsumtionen immer weiter sinkt, bis der Zustand der Langeweile erreicht ist.
Anfangssituation: niedriges Abwechslungspotential, niedriges Risikopotential (siehe Abb. 9)
Da in dieser Situation die negativen Affekte aufgrund des Risikopotentials relativ gering und gleichbleibend sind und die mit dem Abwechslungspotential verbundenen Affekte mit starkem Gefälle von schwachem positiven Affekt in den Bereich des negativen Affektes überwechseln, ist mit folgender Situation zu rechnen: Der Gesamtaffekt wird nicht oder nur sehr wenig positiv sein und mit weiteren Konsumtionen schnell in den negativen Bereich absinken.
Aus den hier angeführten Beispielen wird schon deutlich, daß die Auswahl der Produktkategorie für die Untersuchung vermutlich einen großen Einfluß auf die Ergebnisse haben wird.
Formulierung des Hypothesensystems:
1. Je größer die Gewöhnung an das Produkt ist, desto geringer ist der Abwechslungsaffekt.
2. Die Abhängigkeit des Abwechslungsaffekts von der Gewöhnung, kann durch eine logarithmische Kurve beschrieben werden.
3. Je größer die Gewöhnung an das Produkt ist, desto geringer ist der Risikoaffekt.
4. Die Abhängigkeit des Risikoaffektes von der Gewöhnung, kann durch eine Kurve zweiten Grades mit negativem Vorzeichen annähernd beschrieben werden.
5. Je größer die Summe der beiden Einzelaffekte (Abwechslungsaffekt und Risikoaffekt), desto größer ist der Gesamtaffekt.
6. Je größer der Gesamtaffekt, desto größer ist die Wiederkaufwahrscheinlichkeit.
Folgende Faktoren haben einen Einfluß auf die Stärke der empfundenen Affekte:
7. Je stärker der Risikoaffekt beim ersten Kauf war, desto stärker ist dieser während der gesamten Zeit der Markentreue. Es besteht also ein positiver Zusammenhang zwischen dem Risikoaffekt beim ersten Kauf und dem aktuellen Risikoaffekt.
8. Je stärker der Abwechslungsaffekt beim ersten Kauf war, desto stärker ist dieser während der gesamten Zeit der Markentreue. Es besteht also ein positiver Zusammenhang zwischen dem Abwechslungsaffekt beim ersten Kauf und dem aktuellen Abwechslungsaffekt.
9. Je größer die Risikotoleranz, desto schwächer ist der Risikoaffekt ausgebildet.
10. Je größer das Reizbedürfnis, desto schwächer ist der Abwechlungsaffekt ausgebildet.
11. Die Summe des Abwechslungsaffektes und des Risikoaffektes bilden eine Kurve, die in bezug auf die Gewöhnung einen umgekehrt U-förmigen Verlauf hat.