Der Begriff des wahrgenommenen Risikos wurde erstmals explizit von Bauer 1960[1] in die Literatur zum Konsumentenverhalten eingeführt. Subjektive Annahmen über die Wahrscheinlichkeit der Nicht-Realisierung angestrebter Ziele und die sich aus der Nicht-Realisierung ergebenden Folgen werden als wahrgenommenes Risiko (perceived risk) definiert.[2] Das wahrgenommene Risiko beschreibt, wie Individuen komplexe Kaufsituationen wahrnehmen und nicht, wie sich die Situation aus Sicht eines objektiven Beobachters darstellt. Die objektive Sichtweise wird dagegen in der Entscheidungstheorie verwandt. Die Wahrnehmung eines Risikos impliziert – so die Hauptthese des Modells – ein Bemühen des Konsumenten, dieses Risiko so weit als möglich zu verringern.
Es gibt verschiedene Konzepte des wahrgenommenen Risikos. Am weitesten verbreitet ist das Zwei-Komponenten Modell von Cunningham.[3] Cunningham benutzt in seinem Aufsatz lediglich eine operationale Definition. Risiko kann danach durch die beiden Faktoren Unsicherheit und Konsequenzen beschrieben werden.
Die Unsicherheit mißt Cunningham mit folgendem Item:
„Would you say that you are: very certain; usually certain; sometimes certain; or almost never certain that a brand of headache remedy (fabric softener, dry spaghetti) you haven´t tried will work as well as your present brand?“[4]
Die Konsequenzen mißt Cunningham mit folgendem Item:
„We all know that not all products work as well as others. Compared with other products, would you say that there is: a great deal of danger; some danger; not much danger; or no danger in trying a brand of headache remedy (fabric softener, dry spaghetti) you never used before?“[5]
Es gibt noch andere Zwei-Komponenten-Modelle des wahrgenommenen Risikos. Uneinigkeit herrscht zwischen diesen vor allem hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung der beiden Komponenten. Während Cunningham diese Unsicherheit und Konsequenzen nennt, heißen sie bei Hansen[6] und Bettman[7] Unsicherheit und Wichtigkeit. Weder Bettman und Hansen noch Cunningham können sich zu einer differenzierten Gewichtung der beiden Komponenten entschließen und lassen deshalb beide mit gleichem Gewicht in die Berechnung eingehen. Das wahrgenommene Risiko berechnet Cunningham aus der Multiplikation der beiden Faktoren.
Dem Konzept von Cunningham wird im weiteren gefolgt, weil es besonders leicht zu operationalisieren ist und vermutlich gerade deshalb häufig Anwendung findet.
Bei den im folgenden dargestellten Sachverhalten sollte nie aus den Augen gelassen werden, daß starke Korrelationen zwischen dem wahrgenommenen Risiko und einer ganzen Reihe von Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstbewußtsein, Risikotoleranz etc. existieren.[8] Dadurch können die dargestellten Zusammenhänge je nach Person unterschiedlich ausfallen.
Bevor ein Konfliktmodell für Markentreue, basierend auf der Aktivationstheorie, vorgestellt wird, werden nochmals kurz die dafür verwendeten Bestandteile der unterschiedlichen Konzepte und Theorien zusammengefaßt um die wichtigsten Sachverhalte für das Konzept präsent zu haben.
Aus der Darstellung der gängigen Ansätze im Bereich der Markentreue und der wichtigsten Konzepte des Such- und Entdeckungsverhaltens wurde deutlich, daß keiner der Ansätze alleine in der Lage ist, die Entwicklung markentreuer Einstellungen gemäß der ursprünglichen Hypothese umfassend darzustellen und vor allem zu erklären. Das folgende Konzept wird alle Aspekte der ursprünglichen Hypothese erfassen. Das Konzept wird im Anschluß durch eine empirische Untersuchung getestet.
Wie schon aus der ursprünglichen Hypothese hervorgeht, und im Laufe der Arbeit immer wieder anklang, handelt es sich bei den Gründen, die zur Markentreue führen, vermutlich um zwei getrennte Motivationen. Wenn dies so ist, dann hängt die Entscheidung ganz wesentlich von der Stärke der Motivationen ab. Wie oben definiert, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Stärke der Motivation und der Stärke der damit einhergehenden Erregung. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Beschäftigung mit der Erregung weitere Aufschlüsse über die Lösung dieses Konfliktes bringen. Wenn wir die verschiedenen Ansätze der Theorien des SEV vergleichen, stellen wir fest, daß das Konzept von Berlyne[1] einige interessante Bestandteile enthält, die im Sinne der Grundhypothese sinnvoll erscheinen. Zwei Bestandteile aus dem Konzept von Berlyne werden deshalb übernommen. Erstens betrachten wir im weiteren das von Berlyne vorgeschlagene Erregungspotential als den Auslöser und Maßstab der Erregung. Dies erscheint deshalb sinnvoll, weil dieser Begriff mehr als alle anderen, die in den Konzepten als unabhängige Variable benutzt wurden, Interpretationsspielräume offen läßt. Zweitens soll der Unterscheidung Berlynes, von intrinsischem und extrinsischem SEV gefolgt werden. Diese Unterscheidung zog sich schon durch die gesamte bisherige Arbeit und ist notwendig, um von der Erfüllung der funktionellen Zielvorstellungen zu abstrahieren, durch die die extrinsischen Motivationen zu erklären sind. Ein Punkt, in dem nicht dem Konzept von Berlyne gefolgt wird, ist die Verbindung von Erregung und Affekt. Nach Berlyne gibt es keinen Erregungszustand, der die Ursache für positiven Affekt ist. Diese Annahme ist jedoch, wie oben schon diskutiert wurde, nicht sinnvoll. Außerdem ist der Ansatz von Berlyne nicht in der Lage zu unterscheiden, ob ein Erregungspotential, das oberhalb des optimalen Punktes liegt zu einer Beschäftigung mit der Marke oder zur Abkehr von dieser führt. Um diesen beiden Unzulänglichkeiten aus dem Wege zu gehen, wird für die Erklärung des Zusammenhanges zwischen Stimulation und Affekt statt dessen der Ansatz von Streufert und Driver[2] angewendet. Dieser Ansatz erlaubt sowohl positive als auch negative Affekte. Positive und negative Affekte sind laut Definition nichts anderes als positive und negative Emotionen, aus denen sich dann wiederum die Motivationen nach Abwendung und Zuwendung ableiten. Damit liegen in diesem Bereich die Voraussetzungen vor, die für die Erklärung der Wahrscheinlichkeit von Markentreue und Markenwechsel benötigt werden. Unser Konzept wird also im Bereich des SEV Bestandteile aus dem Konzept von Berlyne und dem Konzept von Driver und Streufert übernehmen. Damit wird dem Vorschlag von Raju und Venkatesan gefolgt, die eine Kombination der Ansätze von Berlyne sowie Streufert und Driver als geeignet für die Konsumentenforschung ansehen.[3]
In Abweichung zu Berlyne, soll das Erregungspotential in zwei Komponenten zerlegt werden. Damit wird die unabhängige Variable gegenüber dem Konzept von Berlyne nicht geändert, sondern nur die vielen Faktoren, die nach Berlyne Bestandteil des Erregungspotentials sein können, in zwei Gruppen geordnet. Der eine Faktor enthält alle positiven und erstrebenswerten Bestandteile des Erregungspotentials, wie Neuartigkeit, Ungewöhnlichkeit, Spannung etc. Dieser Teil soll Abwechslungspotential heißen. Der positive Affekt, der mit diesen Bestandteilen des Abwechslungspotentials verbunden ist, ist durch das Abwechslungsmotiv zu erklären, dessen Befriedigung als angenehm empfunden wird. Die Stärke der mit dem Abwechslungspotential verbundenen Erregung und damit die Stärke des positiven Affektes hängt von der Neuartigkeit des Stimulus und dem persönlichen Reizbedürfnis, also dem Abwechslungsmotiv ab. Je größer das persönliche Reizbedürfnis ist, desto weniger positiv ist tendenziell der mit einem bestimmten Abwechslungspotential verbundene Affekt.
Der andere Faktor enthält alle negativen Bestandteile des Erregungspotentials, also vor allem solche Faktoren, die zu einer Risikowahrnehmung wie Unsicherheit und Mehrdeutigkeit führen. Dieser Teil soll Risikopotential heißen. Der mit den Bestandteilen des Risikopotentials verbundene Affekt läßt sich auf das Motiv nach Risikoreduktion zurückführen, wobei dieses Motiv sich wiederum vermutlich auf dem Konsistenzmotiv gründet. Die Stärke der Erregung ergibt sich zum einen daraus, inwieweit die Bestandteile des Risikopotentials die Unsicherheit über die Folgen einer Entscheidung fördern und zum anderen wie groß die zu erwartenden Konsequenzen sind. Die affektive Bewertung kommt dadurch zustande, daß das Motiv auf die Beseitigung dieses Risikopotentials gerichtet ist und damit ein bestehendes Potential als negativ bewertet wird. Je stärker das Motiv ausgeprägt ist, sprich je geringer der Risikotoleranzlevel ist, desto negativer ist tendenziell der mit einem bestimmten Risikopotential verbundene Affekt. Damit wird ein sehr analytisches Vorgehen eingeschlagen. Das führt dazu, daß zum Beispiel Begriffe wie Komplexität nicht eindeutig einem der beiden Potentiale zugeordnet werden können, sondern in positiv und in negativ bewertete Bestandteile zerlegt werden müssen. Je nach Situation wird Komplexität eher mit positivem oder eher mit negativem Affekt verbunden.
Die Zerlegung des Erregungspotentials in zwei Faktoren hat den Vorteil, daß unterschiedliche Stimuli auch unterschiedlich betrachtet werden können. Dies ist mit keinem der bisherigen Ansätze im Bereich des SEV möglich. So kann es sein, daß zwei Stimuli das gleiche Erregungspotential haben. Während der eine Stimulus jedoch ein großes Abwechslungspotential und ein geringes Risikopotential hat, ist dies bei dem anderen Stimulus genau anders herum. Mit den oben dargestellten Theorien würden beide Stimuli gleich behandelt werden, weil der Affekt alleine aufgrund der Summe der Erregung theoretisch ermittelt würde. Beide bekämen theoretisch das gleiche Erregungsniveau und damit den gleiche Affekt zugeordnet. Gleichzeitig wären in der Realität aber unterschiedliche affektive Bewertungen der Stimuli zu beobachten. Diese Beobachtung könnte mit keiner der etablierten Theorien erklärt werden. Mit diesem neuen Ansatz ist eine differenziertere Betrachtung der Zusammenhänge möglich.
Die Zerlegung des Erregungspotentials hat noch einen weiteren theoretischen Vorteil. So ermöglicht die Trennung der Erregungsgrundlagen in diese beiden Komponenten eine Erklärung des Verhaltens ohne Rückgriff auf die Aktivationstheorien und deren Versuch der Erklärung der affektiven Bewertung, alleine durch etablierte Motive, nämlich dem Konsistenzmotiv oder dem Motiv nach Risikoreduktion und dem Abwechslungsmotiv. Durch einen Stimulus werden diese beiden Motive immer in bestimmtem Umfang befriedigt oder nicht.
Die Entscheidung für oder gegen einen Stimulus stellt sich unter diesen Voraussetzungen als ein klassischer Fall eines Appetenz-Aversions-Konfliktes dar. Durch die Marke sind die positiv und die negativ bewerteten Eigenschaften unverbrüchlich miteinander verbunden. Aufgrund der Motive wird von einer Aversion gegenüber dem Risikopotential und einer Appetenz gegenüber dem Abwechslungspotential ausgegangen.
Raju schlägt vor, die Gesamt-Präferenz für einen Stimulus aus der Summe der einzelnen Präferenzen oder Affekte abzuleiten.[4] Eine Unterstützung dieses Standpunktes kann aus dem bei Herkner dargestellten Einstellungskonzept von Rosenberg abgeleitet werden. „Die Gesamtbewertung von Einstellungsobjekten ist eine Art Mittelwert aller mit dem Einstellungsobjekt verbundenen Meinungen.“[5] Meinung ist jede konkrete Relation zwischen zwei Einstellungsobjekten. Dieser Gesamt-Präferenzwert ist ein Verstärker in bezug auf die Handlung „Kauf der Marke“. Damit kann der Markenkauf oder auch Markenwiederkauf lerntheoretisch interpretiert werden.
Wir gehen davon aus, daß die Eigenschaften, die die beiden Erregungspotentiale bedingen, weitgehend unabhängig voneinander sind. Unter dieser Voraussetzung kann man sowohl für das Abwechslungspotential, als auch für das Risikopotential theoretisch eine Präferenzfunktion bilden. Eine solche Präferenzfunktion soll aussagen, welche Ausprägung dieser Faktoren mit welchem Affekt verbunden ist. An dieser theoretischen Präferenzfunktion alleine kann das tatsächliche Handeln nicht abgelesen werden, da sich die Motivation für bestimmte Handlungen aus der Summation aller mit dem Stimulus verbundenen Affekte ergibt.
Es wird davon ausgegangen, daß zwischen dem Abwechslungspotential und dem positiven Affekt grundsätzlich ein positiv orientierter Zusammenhang besteht. Auch zwischen dem Risikopotential und dem negativen Affekt besteht ein positiver Zusammenhang. Das bedeutet, je größer das Risikopotential ist, desto größer ist der negative Affekt. Grundsätzlich ist der mit dem Risikopotential verbundene Affekt immer negativ. Im Gegensatz dazu ist das Abwechslungspotential nicht grundsätzlich mit positiven Affekten verbunden. Wenn das Abwechslungspotential eines Stimulus so gering ist, daß Langeweile auftritt, sind mit dem Stimulus sogar negative Affekte verbunden. Es wäre möglich, eine weitere analytische Trennung zwischen dem positiven und dem negativen Affekt, der mit dem Abwechslungspotential verbunden ist, vorzunehmen. Darauf soll aus Gründen der Vereinfachung verzichtet werden. Damit sind die Orientierungen der Präferenzfunktionen festgelegt. Es wird sich bei den Präferenzfunktionen vermutlich nicht um Geraden handeln. Zu Beginn dieser Arbeit wurde die Studie von Bawa[6] erwähnt, der einen Zusammenhang zwischen der Vertrautheit mit einer Marke und dem damit verbundenen Nutzen in Form eines umgedrehten Us feststellte. Da Vertrautheit mit einer Marke nichts anderes ist als die Abnahme der durch die Marke hervorgerufenen Erregung, geht es bei Bawa auch um den Zusammenhang zwischen Erregung und Affekt.[7] Wenn wir von der Validität dieser Untersuchung ausgehen, wie müßten die Zusammenhänge zwischen dem Risikopotential bzw. dem Abwechslungspotential und dem entsprechenden Affekt algebraisch gestaltet sein, damit die Summe der beiden eine entsprechende Kurve ergibt? Die Voraussetzungen können zum einen aus dem Aufsatz von Coombs und Avrunin[8] und auf der anderen Seite aus den oben angestellten Überlegungen über die Entwicklung der Affekte aufgrund von Motivbefriedigung im Zeitablauf abgeleitet werden. Damit aus der Summation der beiden Präferenzfunktionen eine Funktion in Form eines umgedrehten Us entsteht, muß die erste partielle Ableitung der Appetenzfunktion nach dem Abwechslungspotential positiv und die zweite partielle Ableitung negativ sein. Eine Funktion, die diese Bedingungen erfüllt ist zum Beispiel die log-Funktion. Dagegen müssen sowohl die erste, als auch die zweite Ableitung der Aversionsfunktion negativ sein. Diese Bedingung wird zum Beispiel von der Funktion f(x)=-x2 erfüllt. Für die näheren mathematischen Spezifikationen und Bedingungen der Eingipfligkeit sei der interessierte Leser auf den Aufsatz von Coombs und Avrunin: „Single-Peaked Functions and the Theory of Preference.“[9] verwiesen. Eine weitere Ausführung in dieser Arbeit würde zum einen den Rahmen sprengen und zum anderen ist nicht zu erwarten, daß übertriebene mathematische Spezifikationen in der empirischen Untersuchung nachgewiesen werden können.
Zusätzlich zu diesen Bedingungen wollen wir davon ausgehen, daß die Appetenzfunktion gegen einen Grenzwert konvergiert oder eine log-Funktion ist und die erste Ableitung der Aversionsfunktion mindestens zweiten Grades oder eine Exponentialfunktion sein muß.
Diese Annahmen über die reale Entwicklung der Erregungspotentiale, ergeben sich aus den theoretischen Vorarbeiten. So ist nachzuvollziehen, daß nicht jeder zusätzliche Neuartigkeitsaspekt eines Stimulus als gleich positiv empfunden wird. Irgendwann tragen zusätzliche neue Aspekte nicht mehr dazu bei, den Stimulus als noch positiver erscheinen zu lassen oder die Veränderung geht nur sehr langsam vonstatten, weil das Motiv immer mehr befriedigt ist. Es gibt einen Sättigungswert bezüglich des Abwechslungspotentials. Vermutlich wird ab einem bestimmten Niveau ein zusätzliches Abwechslungspotential sogar als negativ und das kumulierte Abwechslungspotential deshalb als weniger angenehm empfunden. In dieser Frage soll dem schon erwähnten Zitat von Kroeber-Riel[10] gefolgt werden, daß der Scheitelpunkt in der Konsumentenforschung mit üblichen Mitteln nie erreicht wird. Da der Bereich nach dem Scheitelpunkt nicht mehr interessant ist, reicht die oben getroffene mathematische Spezifikation aus.
Auch bezüglich der Risikoaversion sind die mathematischen Vorgaben durchaus plausibel und ergeben sich aus den theoretischen Vorarbeiten. So wird ein geringes Maß an Risikopotential nicht sonderlich starke negative Affekte hervorrufen. Je größer dieses Risikopotential jedoch wird, desto stärker wird der damit verbundene Konflikt. Die mathematischen Forderungen an die Aversionskurve, führen dazu, daß diese einen Knick hat. Ab diesem Knick führt eine Zunahme des Risikopotentials zu einer überproportionalen Zunahme der negativen Affekte. Damit kann der oben getroffenen Dreiteilung des Risikopotentials gefolgt werden.
Wenn die Präferenzen den obigen Bedingungen folgen, entsteht die in der Literatur geforderte ∩-Kurve. Aus der Abbildung 5 wird deutlich, daß aus diesem Konzept nicht die ∩-Kurve von Berlyne[11], sondern die von Streufert und Driver[12] resultiert, da positive Affekte möglich sind.
Es können zwei Störeinflüsse auftreten, die dazu führen, daß die ∩ – Kurve nicht zustande kommt. Zum einen führt ein unterschiedlich starkes Abwechslungsbedürfnis und eine unterschiedlich starke Risikotoleranz zu einer vertikalen Verschiebung der zwei Kurven. Zum anderen können produktspezifische Risiko- oder Abwechslungseigenschaften der Marke zu einer horizontalen Verschiebung der Kurve führen.
An dieser Stelle wollen wir auf Berlynes[13] Unterscheidung in intrinsische und extrinsische Motive zurückkommen. Die bisher behandelten Erregungspotentiale fallen nach dieser Kategorisierung unter die intrinsischen Motive. Neben Abwechslungssuche und Risikovermeidung gibt es jedoch noch andere Faktoren, die die Wiederkaufwahrscheinlichkeit einer Marke bedingen. Gemeint ist der Bereich, in dem bestimmte Produkte die Lösung für Probleme des Konsumenten sind. Dieser Bereich der Antriebe fällt in die Kategorie der extrinsischen Motive. Der Affekt gegenüber der Marke, der sich aus einem solchen Motiv ergibt, kann von entscheidender Bedeutung sein. Ein besonders starkes extrinsisches Motiv kann einen Konsumenten dazu veranlassen, eine Marke weiterhin zu kaufen, obwohl sie langweilig oder zu riskant ist. Solche Motive sind meist relativ stabil über die Zeit, weil es sich um Einstellungen gegenüber der Marke handelt. An dieser Stabilität ändert eine lediglich veränderte Vertrautheit nichts. Es sei denn, durch diese Vertrautheit werden neue Informationen bekannt, die die Einstellung des Konsumenten gegenüber der Marke ändern. Die extrinsischen Aspekte werden bei diesem Konzept vollkommen ausgeklammert. Untersucht wird nur der dahinter verborgene Prozeß, der auf den intrinsischen Motivationen beruht. Bei der Untersuchung ist deshalb darauf zu achten, daß keine Produkte ausgewählt werden, bei denen extrinsische Motivationen im Vordergrund stehen.
Wenn die extrinsischen Motivationen außer Betracht gelassen werden, sind die oben dargestellten Zusammenhänge in der Lage, die Grundhypothese zu erklären. Zunächst sind bei einer neuen Marke sowohl das Abwechslungspotential, als auch das Risikopotential tendenziell hoch. Wenn die Marke immer wieder gekauft wird, werden beide im Laufe der Zeit langsam abnehmen. Da die wichtigsten Risikofaktoren annahmegemäß sehr schnell abgebaut werden, wird das Risikopotential schnell abnehmen. Die Reduktion des Abwechslungspotentials geht gemäß der Annahmen nicht so schnell vonstatten. Damit wird die affektive Bewertung und damit die Wahrscheinlichkeit der Markentreue zunächst steigen. Nach und nach wird das Risikopotential bei wiederholter Konsumtion immer geringer werden. Das Gefälle ist allerdings gering. Demgegenüber nimmt die Abnahme des Abwechslungspotentials immer mehr zu. Damit beginnt die affektive Bewertung der Marke schlechter zu werden, wodurch die Wiederkaufwahrscheinlichkeit sinkt. Irgendwann wird der Gesamtaffekt negativ werden, was zu einer Wiederkaufwahrscheinlichkeit von etwa null aufgrund von Langeweile führt, sofern nicht extrinsische Gründe dagegen sprechen. Bei all diesen Aussagen ist das Gesetz des relativen Effektes zu beachten. Aus diesem Grunde ist die Wiederkaufwahrscheinlichkeit nicht alleine von der betrachteten Marke, sondern auch von allen anderen Marken abhängig. Außerdem hat die Veränderung der Wiederkaufwahrscheinlichkeit der aktuellen Marke Einfluß auf die Kaufwahrscheinlichkeit der anderen Marken.
Der zu bestätigende Gedankengang lautete wie folgt: Es besteht eine lineare Abhängigkeit zwischen dem Gesamtaffekt und der Wiederkaufwahrscheinlichkeit. Der Gesamtaffekt hat in Abhängigkeit von der Erregungsstärke die Form eines umgedrehten Us. Der Gesamtaffekt setzt sich in erster Linie aus den zwei Einzelaffekten Risikoaffekt und Abwechslungsaffekt zusammen. Diese beiden Einzelaffekte haben in Abhängigkeit von der Erregungsstärke einen Kurvenverlauf, der in der Addition zu dem umgedrehten U führen kann. Auf die beiden Einzelaffekte haben neben der Erregungsstärke vor allem persönliche Prädispositionen und ursprüngliche Erregungspotentiale einen Einfluß.
Die lineare Abhängigkeit zwischen dem Gesamtaffekt und der Wiederkaufwahrscheinlichkeit konnte in diesem Sinne nicht nachgewiesen werden, da die 5. Regression aufgrund des F-Tests aus der weiteren Analyse ausgeschlossen wurde. Auf der anderen Seite konnte in der 4. Regression eine relativ starke lineare Abhängigkeit zwischen der Summe aus Abwechslungsaffekt und Risikoaffekt und der Wiederkaufwahrscheinlichkeit bestätigt werden. Problematisch ist damit die Frage, ob der Gesamtaffekt noch weitere entscheidende Faktoren enthält. Diesem Problem kommt man durch die 3. Regression näher. Die 3. Regression zeigt einen starken linearen Zusammenhang zwischen der Summe der Einzelaffekte und dem Gesamtaffekt. Unter diesen Voraussetzungen ist es verwunderlich, daß ein Zusammenhang zwischen Gesamtaffekt und Wiederkaufwahrscheinlichkeit nicht bestehen soll. Dieses Ergebnis kann auf zwei Weisen interpretiert werden. Zum einen ist es denkbar, daß ein weiteres starkes Motiv, das in dieser Untersuchung nicht erfaßt wurde, den Zusammenhang stört. Zum anderen ist es denkbar, daß die Operationalisierung fehlerhaft war. Untermauert wird letztere Möglichkeit durch die mehrdeutigen Ergebnisse der Validitätsüberprüfung und dem relativ niedrigen Wert der Reliabilitätsüberprüfung für das Konstrukt GESAFF_X. Daneben könnte die Verletzung der Normalverteilungsannahme zu diesem Ergebnis geführt haben.
Festgehalten werden kann, daß unabhängig von anderen intrinsischen Motivationen, denn SUMAFF_X besteht ja nur aus den beiden hier betrachteten Affekten und unabhängig von extrinsischen Motivationen – diese wurden in der Regression 4. durch einen SELECT-Befehl heraussortiert – ein starker Zusammenhang zwischen der Summe der zwei Einzelaffekten und der Wiederkaufwahrscheinlichkeit besteht. Damit kann man die Hypothese, daß ein Zusammenhang zwischen dem Gesamtaffekt und der Wiederkaufwahrscheinlichkeit besteht, für das eingeschränkte Untersuchungsobjekt dieser Arbeit als bestätigt ansehen. Anders ausgedrückt kann man sagen, daß die Wiederkaufwahrscheinlichkeit von der Stärke und der Ausrichtung des Gesamtaffektes abhängig ist.
Um die Form des Zusammenhanges, also das umgedrehte U, für den Gesamtaffekt bestätigen zu können, ist der Umweg über die beiden Einzelaffekte notwendig. Es wird davon ausgegangen, daß das Erregungspotential mit zunehmender Gewöhnung abnimmt. Das heißt, sowohl das Risikopotential, als auch das Abwechslungspotential nehmen mit zunehmender Gewöhnung ab. Diese führt jedoch definitionsgemäß dazu, daß die beiden entsprechenden Affekte an Intensität abnehmen. Laut Hypothese 2. und 4. ist der Zusammenhang zwischen Gewöhnung und den Affekten nicht linear, sondern im Fall des Abwechslungsaffektes logarithmisch und im Fall des Risikoaffektes kann der Zusammenhang durch eine Kurve zweiten Grades näherungsweise beschrieben werden. Sowohl die jeweilige Abhängigkeit der Affekte von der Entwicklung der Gewöhnung, als auch der Verlauf der Kurven konnte durch die Untersuchung bestätigt werden. Durch verschiedene Einflußfaktoren können die Kurven der Affekte, laut dem Hypothesensystem horizontal oder vertikal verschoben sein. Der Einfluß dieser Faktoren konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden. Zwar konnte der Einfluß des ursprünglichen Abwechslungspotentials auf die Höhe des aktuellen Abwechslungspotentials und damit dem Abwechslungsaffekt mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigt werden, die Abhängigkeit des Risikoaffektes von dem ursprünglichen Risikopotential mußte dagegen abgelehnt werden. Daß im Bereich des ursprünglichen Risikopotentials Probleme bestehen, konnte schon im Rahmen der Voruntersuchung beobachtet werden. Anscheinend ist es nicht gelungen, diese Verzerrungen auszuschalten. Darauf deutet auch die Validitätsüberprüfung hin, bei der die höchsten Ladungen für KONSOZUR und KONPHYUR, als zwei wichtige Risikobereiche, auf einem anderen Faktor zu finden sind als die übrigen Risikodimensionen. Auch die Vermutung, daß durch Beachtung des Involvements eine Verbesserung des Ergebnisses zu erreichen sei, konnte für den Risikoaffekt durch Regression 2.b nicht bestätigt werden.
Ähnlich verhält es sich bezüglich des Reizbedürfnisses und der Risikotoleranz. Bei beiden Persönlichkeitsmerkmalen kann durchgängig kein Einfluß auf die Affekte angenommen werden. In den Fällen, in denen die Signifikanzwerte doch ein wenig niedriger sind, sind die Vorzeichen durchgängig anders als in den Hypothesen angenommen. Für dieses Ergebnis kann diese Arbeit keine Erklärung liefern. Bei beiden Konstrukten zeigen sowohl die Validitäts-, als auch die Reliabilitätsüberprüfungen sehr gute Werte. Zwei Erklärungen sind denkbar. Zum einen kann die Modellspezifikation falsch sein und diese beiden Faktoren haben wirklich keinen Einfluß auf die Affekte. Dies ist aus logischen Gesichtspunkten relativ unwahrscheinlich, die Klärung muß aber der zukünftigen Forschung überlassen bleiben. Zum zweiten wäre denkbar, daß sich im Bereich der geringwertigen Wirtschaftsgüter sowohl Abwechslungsaffekt, als auch der Risikoaffekt auf einem so niedrigen Niveau bewegen, daß der Einfluß der Risikotoleranz und des Reizbedürfnisses zu gering ist um nachgewiesen werden zu können. Diese Frage kann im Rahmen dieser Untersuchung mit den vorliegenden Daten nicht geklärt werden.
Interessant ist der Einfluß, den das Involvement auf den Abwechslungsaffekt hat. Der Zusammenhang wird auf einem Signifikanzniveau von über 99,99% bestätigt und die Bedeutung des Involvements liegt weit über dem der anderen Einflußfaktoren. Eine theoretische Erklärung kann diese Untersuchung nicht liefern. Es bleibt nur festzuhalten, daß, je größer das Involvement ist, desto positiver wird der Abwechslungsaffekt erlebt. Erste Hinweise auf die Lösung dieses Problems könnten aus der Validitätsüberprüfung gezogen werden, in dessen Rahmen starke Ladungen der Involvement-Items auf den Faktoren zu beobachten waren, auf denen auch Gewöhnung und Unsicherheit starke Ladungen zeigten. Darüber hinaus ist eine stärkere Kollinearität mit anderen Regressoren zu vermuten. Im Rahmen dieser Untersuchung wird auf diesen Sachverhalt nicht weiter eingegangen. Eine denkbare Hypothese für weitere Untersuchungen wäre, daß ein hohes Involvement die positiven Reize der Situation intensiver erscheinen läßt, wodurch sich auch die Wirkung der Gewöhnung verändert.
Der Nachweis, daß sich der Gesamtaffekt aus den beiden Einzelaffekten zusammensetzt, wird in zwei Schritten geführt. Zunächst wird in Regression 3. ein linearer Zusammenhang zwischen der Summe der beiden Einzelaffekte und dem Gesamtaffekt mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigt. Danach wird der Risikoaffekt aus dem Gesamtaffekt herausgerechnet und überprüft, inwieweit der restliche Affekt den Kurvenverlauf des Abwechslungsaffektes hat und von den gleichen Faktoren abhängig ist. Hier konnte eine hohe Aufklärung der Varianz erreicht werden. Diese lag sogar weit über dem Bestimmtheitsmaß, das bei der Regression auf den operationalisierten Abwechslungsaffekt ermittelt wurde. Allerdings waren bei der 6. Regression die Ergebnisse für das ursprüngliche Abwechslungspotential nicht signifikant und die Vorzeichen des Reizbedürfnisses hatten die falsche Orientierung. Nach diesen Ergebnissen kann mit einer großen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß sich der Gesamtaffekt in diesem Fall hauptsächlich aus dem Risikoaffekt und dem Abwechslungsaffekt zusammensetzt. Da die Kurvenverläufe der Einzelaffekte bestätigt wurden, kann unter den Bedingungen, die bei der Hypothesenexplikation dargelegt wurden, von einem Kurvenverlauf in der Form eines umgedrehten Us ausgegangen werden.
Insgesamt kann das Konzept als bestätigt angesehen werden. Die Zusammenhänge zwischen der Gewöhnung, also der Erregungsstärke, und der Affektstärke, sowohl dem Risiko- als auch dem Abwechslungsaffekt, wurden jeweils mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigt. Dabei erwiesen sich sogar die vorausgesagten Kurvenverläufe als sehr wahrscheinlich. Damit sind die zentralen Aussagen dieser Arbeit bestätigt, die sich ja nur auf diesen Zusammenhang bezogen. Alle Aussagen über ursprüngliche Erregungspotentiale und persönliche Determinanten waren nur aufgrund der hier vorgenommenen Operationalisierung notwendig. Wenn bei diesen Variablen kein Zusammenhang nachgewiesen werden konnte, dann ändert dies an der Validität des Konzeptes nichts. Vielmehr führt dies nur zu der Aussage, daß diese Variablen wohl keinen Einfluß auf den Zusammenhang zwischen Erregungsstärke und Gesamtaffekt haben und deshalb auch nicht herauspartialisiert werden müssen. Entsprechend sind die schlechten Ergebnisse, vor allem im Bereich der intervenierenden Variablen wie Reizbedürfnis, Risikotoleranz, ursprüngliches Abwechslungs- und Risikopotential, zu interpretieren.
Bei der Variable ursprüngliches Abwechslungspotential konnte teilweise ein relativ starker Einfluß nachgewiesen werden. Dies bedeutet, daß wenn ein Produkt zu Beginn der Konsumtion ein hohes Abwechslungspotential gehabt hat, ihr Abwechslungsaffekt tendenziell immer höher liegen wird, als bei einem Produkt, das von vornherein ein eher niedriges Abwechslungspotential hatte. Mit höherem ursprünglichen Abwechslungspotential wird die Kurve des Abwechslungspotentials horizontal in Richtung größerer Erregung verschoben.
Der Einfluß der Variable „ursprüngliches Risikopotential“ konnte nicht nachgewiesen werden. Dies deutet darauf hin, daß die Entwicklung des Risikopotentials unabhängig von dem, vor der ersten Konsumtion wahrgenommenen Risiko ist. Erklären könnte man dieses Ergebnis dadurch, daß das wahrgenommene Risikopotential durch die erste Konsumtion auf ein bestimmtes Maß reduziert wird, das nicht von dem ursprünglichen Risikopotential, sondern von anderen Faktoren abhängig ist. Die Klärung dieses Zusammenhanges muß jedoch späterer Forschung vorbehalten bleiben.
Weder in bezug auf die Risikotoleranz, noch in bezug auf Reizbedürfnis, konnte ein Zusammenhang zum entsprechenden Erregungspotential nachgewiesen werden. Zunächst muß das Ergebnis so wie es ist, interpretiert werden. Das Ergebnis macht die Aussage, daß die Wahrnehmung von Risiko und Abwechslung nicht von diesen beiden Persönlichkeitsdeterminanten abhängig ist; zumindest nicht in der hier operationalisierten Form. Damit führt ein unterschiedliches Reizbedürfnis oder eine unterschiedliche Risikotoleranz nicht zu einer vertikalen Verschiebung der entsprechenden Kurve der Affekte. Dieses Ergebnis ist aufgrund der theoretischen Zusammenhänge nicht erklärbar, zumal bei den meisten aktivationstheoretischen Konzepten ausdrücklich ein individuell unterschiedlicher Kurvenverlauf gefordert wird. Eine Klärung muß deshalb weiterer Forschung vorbehalten bleiben. Wenn einzelne Konsumenten über einen längeren Zeitraum beobachtet werden können, sind solche nivellierenden Variablen ohnehin nicht nötig.
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