Abgrenzung wichtiger sozialpsychologischer Sachverhalte und Konstrukte

Die meisten der im folgenden Abschnitt besprochenen Begriffe, werden in der Literatur nicht einheitlich gebraucht. Die Diskussion über die Bedeutung dieser Begriffe, also eine Diskussion auf rein metasprach­licher Ebene, soll hier nicht fortgeführt werden. In aller Kürze wird, wo dies aufgrund kontroverser Diskussionen angebracht erscheint, lediglich dargestellt, welche Definitionen weit verbreitet sind, um daraus abgeleitet den Sprachgebrauch und den Begriffsin­halt für diese Arbeit festzulegen.

Erregung, Aktivierung

Notwendige Voraussetzung für jedes menschliche Verhalten und Denken ist Erregung. Der Begriff Erregung soll im weiteren synonym mit dem Begriff der Aktivierung gebraucht werden. Durch die Aktivierung wird der Organismus in einen Zustand der Leistungsbereitschaft versetzt.

Im zentralen Nervensystem gibt es eine Funktionseinheit, die retikuläres Aktivierungssystem (RAS) genannt wird. Der wesentliche Teil dieses RAS ist die Formatio Retikularis. Diese wird durch Impulse in Erregung versetzt, die direkt auf Außenreize zurückgehen oder aus einer anderen Region des Gehirns stammen. Die Erregung der Formatio Retikularis ist die Ursache dafür, daß die anderen Teile des Zentral­nervensystems in Funktionsbereitschaft versetzt werden. Dadurch kommt es zu einer Aktivierung des gesamten Informationsverarbeitungsvor­gangs. Es muß unter­schieden werden zwischen einem Aktivie­rungsniveau und Aktivierungs­schwankun­gen. Ersteres wird tonische Aktivierung genannt, bestimmt die länger anhaltende Bewußtseinsla­ge und die allgemeine Leistungsfähigkeit und verändert sich nur lang­sam. Die zweite nennt man phasische Aktivierung. Sie steuert die jeweilige Aufmerksamkeit und Lei­stungsfähigkeit des Individuums in bestimmten Reizsituationen.[1] „Von den Erregungen und Spannungen, die mit Emotion, Motivation und Einstellungen einhergehen, hängt es ab, wieviel psychische Energie freigesetzt wird und als spezifische Antriebsspannung für das jeweilige Verhalten zur Verfügung steht. Mit erhöhter Antriebsstärke steigt die Wahrscheinlichkeit des Verhaltens… „[2]

Emotion, Antrieb, Trieb, Affekt

Einigkeit herrscht weitgehend darüber, daß Emotionen die grundlegenden menschlichen An­triebskräfte sind. Verschiedentlich werden von den Emotionen die Triebe oder Antriebe abge­grenzt. Emotionen werden nach dieser Sichtweise von äußeren Reizen bedingt, während Triebe von inneren Reizen ausgelöst werden. Nicht alle Autoren machen diese Unterscheidung. Teil­weise werden auch Hunger und Durst als Emotionen bezeichnet.[3] Izard behauptet dagegen, daß Triebe teilweise Emotionen beeinflussen und daß Triebe Eigenschaften von Motivationen haben.[4] Es wird deutlich, daß die Definitionen weit auseinander­gehen.

Nicht eindeutig unterschieden wird oft auch zwischen Emotionen, Affekten und Stimmungen. In diesem Zusammenhang werden drei verschiedene Ebenen häufig miteinander verwechselt: die subjektive Erleb­nisebene, die neurophysiologischen Vorgänge und das beobachtbare Aus­drucks­verhalten.[5]

Ein weit verbreiteter Ansatz, das Zustandekommen von Emotionen zu erklären, ist der von Schachter und Singer.[6] Schachter und Singer heben mit ihrem attributionstheoretischen Ansatz den kognitiven Bereich und die subjektive Erlebnisebene in den Vordergrund. Sie gehen davon aus, daß der Mensch seine Erre­gung bewußt wahrnimmt und sie im Rahmen eines Attributi­ons­prozesses auf der Grundlage der wahr­genommenen Situation positiv oder negativ bewertet.[7] Buck wendet dagegen ein, daß durch diesen Ansatz die Bedeutung der kognitiven Vorgänge überbewertet würde.[8]

In den letzten Jahren setzt sich eine Sichtweise immer mehr durch, die davon ausgeht, daß eine Reihe von Emotionen genetisch vorgegeben sind.[9] Aus diesen grundle­genden Emotionen werden dann durch Kombination weitere Emotionen ge­formt, wobei die klassische Konditio­nierung eine wichtige Rolle spielt. „Welche Emotionen in Handlungs­situationen empfunden oder wahrgenommen werden, und wie sie geäußert werden, wird wesentlich von den ‚Emotionsregeln‘ einer Kultur mitbestimmt.“[10]

Nach Darstellung einiger konträrer Standpunkte wird Emotion für diese Arbeit wie folgt definiert: (Dabei wird deutlich, daß sich die Definition in bezug auf die Verbindung zwischen Erregung und Emotion, an die Sichtweise von Schachter anlehnt.)

Emotion ist ein Bewußtseinszustand, der entweder positiv oder negativ erlebt wird. Die Emotion geht immer einher mit einer Aktivierung in entsprechender Höhe zur Stärke der Emotion (energetisierende Wirkung) und einer verhaltenssteuernden Wirkung (selektive Wir­kung). Die Erregung wird als Bestandteil der Emotion erlebt. Emotionen werden von situationa­len Gegebenheiten bedingt. Die Verhaltens­steuerung ist auf eine, entsprechend der Wahr­nehmung der Situation subjektiv – affektive Bewertung der Erregung zurückzuführen. Diese Zuordnung der Emotion zur Erregung muß nicht unbedingt mit der Ver­ursachung der Erregung übereinstimmen. Emotio­nen sind nicht starr, sondern verändern sich durch Lernerfahrungen, vor allem bezüglich ihrer Stärke.

Triebe sind entsprechend den Emotionen definiert, mit der Ausnahme, daß sie in erster Linie von inneren Reizen bedingt werden und die aktivierende Wirkung im Vordergrund steht, während die affektive Kompo­nente zurücktritt. Der Begriff Antrieb wird dem des Triebes gleichgesetzt.

Affekt ist ebenfalls wie die Emotion definiert. Bei Affekt steht jedoch noch mehr als bei Emotion die Bewertung der Erregung im Vordergrund. Natürlich unterscheiden sich auch Affekte ganz klar in ihrer Stärke, die auf die Stärke der Aktivierung zurückzuführen ist. Affekte werden im weiteren im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

Motivation, Einstellung, Motiv, Bedürfnis, Präferenz

Eine Motivation entsteht nach verbreiteter Auffassung dann, wenn zu der aus der Emotion, dem Trieb oder dem Affekt resultierenden Aktivierung und der entsprechenden affektiven Färbung eine kognitive Zielori­entierung hinzutritt. Oft wird auch der Emotion schon eine gewisse kognitive Komponente zugesprochen. „Die Motivation – verstanden als mehr oder weniger starke Tendenz, eine Handlung auszuführen – wird nach den meisten kognitiven Modellen von zwei Einflußgrößen bestimmt:

vom subjektiv gesehenen Ziel-Mittel-Zusammenhang,

vom subjektiv erwarteten Wert (Befriedigungswert) des Zieles.“[11]

Daraus abgeleitet, soll festgeschrieben werden:

Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt. Dieses Konstrukt bezeichnet einen manifesten in­neren Vorgang, der Antriebskomponenten und kognitive Komponenten enthält. Die Antriebs­komponenten leiten sich aus Emotionen, Trieben und Affekten ab. Die kognitiven Komponenten aus dem subjektiv gesehenen Ziel-Mittel-Zusammenhang und dem subjektiv erwarteten Wert (Befriedigungswert) des Ziels. Diese Faktoren zusammen bedingen die Richtung und die Stärke der Motivation, die sich wiederum auf das daraus resultierende Verhalten auswirken.[12]

Auch der Begriff „Einstellung“ läßt sich auf die beiden oben genannten Determinanten Ziel-Mittel-Zusammenhang und Befriedigungswert zurückführen. Aus dieser Tatsache und der verbreiteten Verwen­dung in der Literatur leitet Kroeber-Riel die folgenden beiden Aussagen ab:

„Der Motivationsbegriff der kognitiven Theorie deckt sich weitgehend mit dem Einstellungsbe­griff.“

und

„Die Untersuchung von Einstellung ersetzt meist die Untersuchung von Motivation.“[13]

Die Verwandtschaft der beiden Begriffe wird auch in der Definition von Allport deutlich, die als die umfassendste und gleichzeitig noch operationalisierbare Definition des Einstellungsbegriffes gilt. „An attitude is a mental and neural state of readiness, organized through experience, exerting a directive or dynamic influence upon the individual´s response to all objects and situations with which it is related.“[14]

Die so definierten Einstellungen setzen sich nach verbreiteter Meinung aus drei Komponenten zusam­men.[15] Auch wenn manche Autoren teilweise weniger oder andere Faktoren als Bestand­teile der Einstel­lung sehen [16], wollen wir uns doch an diese bewährte Dreiteilung halten.

Die kognitive Komponente, die vornehmlich dem Bereich des Denkens zuzuordnen ist und die subjektiv gefärbte Kenntnisse des Individuums über die Beschaffenheit des Objek­tes be­inhaltet.

Die affektive Komponente, die vornehmlich dem Bereich der Emotion zuzuordnen ist und zu einer positiven oder negativen Bewertung eines Objektes führt.

Die konative Komponente, die die Bereitschaft des Individuums beinhaltet, in einer durch die beiden vorhergehenden Komponenten bestimmten Weise, bezogen auf ein Objekt zu han­deln. Die konative Komponente stellt die Verbindung zwischen der Einstellung und dem Verhalten her.

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß die affektive Komponente eine begriffskonstitutive Dimension für Einstellungen darstellt.

Im weiteren soll der Begriff Motivation vor allem dann verwendet werden, wenn die Antriebs­komponente im Vordergrund steht und der Begriff Einstellung, wenn die inhaltliche oder die affektive Komponente im Vordergrund steht.

Zu erwähnen bleibt noch der Begriff des Motivs, der gelegentlich in dieser Arbeit verwendet wird. Dieser Begriff wird in seiner weit verbreiteten Definition als individuelle, durch Sozialisie­rungsprozesse erwor­bene Konstante, die unser Verhalten in vielen Bereichen determiniert, von Herkner kritisiert.[17] Als Alternative führt Herkner eine, in neuer Zeit oft angewendete Konzep­tion des Begriffs Motiv als Regelkreis an.[18] Danach ist das Motiv durch das Streben charakteri­siert, einen Ist-Wert in einen Soll-Wert zu überführen. Dieser Sichtweise soll im weiteren gefolgt werden, ohne daß darauf an dieser Stelle genauer eingegangen wird. Zu klären bleibt immer, ob der Soll-Wert genetisch vorgegeben oder im Rahmen eines Sozialisierungsprozesses erworben wurde. Weitgehend synonym wird in dieser Arbeit gelegentlich der Begriff Bedürfnis gebraucht. Dabei wird durch die Verwendung dieses Begriffs angedeutet, daß nicht ein einzel­nes Motiv das Verhalten bedingt, sondern neben mehreren Motiven auch Persönlichkeits­merkmale, sowie Merkmale der sozialen Umwelt das Verhalten beeinflussen.[19]

Der Unterschied zwischen Motivation und Motiv besteht vor allem darin, daß die Motivation meist auf einen kleinen Ausschnitt oder zeitlich begrenzten Bereich des Verhaltens Einfluß nimmt, während das Motiv meist auf einen größeren Teil des Verhaltens Einfluß nimmt und längere Zeit überdauert.

Ein letzter wichtiger Begriff verbleibt für diese Arbeit zu klären. Präferenzen sind wichtige Faktoren im Kaufentscheidungsprozeß. Wiswede sagt: „…, daß Aktivierungsprozesse sowie deren Emotionalisierung (in ange­nehm/unangenehm) die Grundlage der Präferenzbil­dung darstellt.“[20] Präferenzen sind Ergeb­nisse eines Vergleichsprozesses nach bestimmten Regeln. Diese Auswahlregeln fußen auf dem Prinzip der Nutzenmaximierung. Die Marke, die den größten Nutzen bringt, wird am meisten präferiert. Der Nutzen wird dadurch gemessen, inwieweit die Zielvorstel­lungen erfüllt werden. Wie wir später noch sehen werden, führt die Erfüllung von Zielvorstellungen zu einer affektiven Bewertung der Objekte. Die Auswahlregel kann dann nach dem hedonistischen Prinzip vorgehen, indem die angenehmste Alternative ausgewählt wird.


[1] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 60 ff

[2] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 52

[3] vgl.: Buck, R., (1988), S. 8ff

[4] vgl.: Izard, C. E., (1981), S. 64

[5] Auf den Begriff Stimmungen wird hier nicht näher eingegangen, da er für diese Arbeit nicht relevant ist.

[6] vgl.: Schachter S.; Singer, J. E., (1962)

[7] Auf diesen Ansatz wird nicht weiter eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Der Leser sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. z.B. Schachter, S.; Singer, J. E., (1962) oder Schachter, S., (1964)

[8] vgl.: Buck, R., (1988), S. 470

[9] vgl.: Plutchik, R., (1980); Izard, C. E., (1981) und Kemper, T.D., (1991)

[10] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 102

[11] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 139

[12] Eine ausgedehnte Diskussion des Begriffes Motivation und seines Wandels im Zeitablauf, vor dem Hintergrund der sich wandelnden psychologischen Theorien, findet man bei Atkinson. (vgl.: Atkinson, J. W., (1975), S. 434ff)

[13] Kroeber-Riel, W., (1992), S. 139

[14] Allport, G. W., (1967), S. 3

[15] vgl.: Irle, M., (1967), S. 196-197 und Howard, J. A.; Sheth, J. N., (1969), S. 128-131 und S. 192-195

[16] vgl.: Nolte, H., (1976), S. 12

[17] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 53

[18] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 63

[19] vgl.: Wiswede, G., (1973), S. 96

[20] Wiswede, G., (1991), S. 314

Allgemeine Einführung in die Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens

Die Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens[1] beschäftigen sich mit der Aktivierung des Orga­nismus. Sie behaupten, daß jeder Mensch ein optimales Erregungsniveau hat, das er durch SEV zu erreichen versucht. Die dabei betrachtete Erregung setzt sich nach Hansen[2] aus drei Faktoren zusammen: physiologisch bedingte Erregung (z.B. Hunger), situationale Erregung durch neue oder ungewöhnliche Situatio­nen, Veränderungen, Über­ra­schungen, Kom­plexität etc. und kognitive Erregung durch kognitive Konflikte. Der optimale Erregungslevel wurde schon 1955 gleichzeitig von Hebb[3] und Leuba[4] gefordert. Sie argumentierten, daß ein Indi­viduum versuche, eine zu hohe Erregung zu reduzieren und eine zu geringe Erregung zu stei­gern. Um den optimalen Zustand zu erreichen, scheint SEV als eine Möglichkeit kognitiven Vorgehens eine entscheidende Rolle zu spielen. So konnten Bexton, Heron und Scott[5] in einem schon klassischen Experiment zeigen, daß eine Reduktion der Erregung aus der Umge­bung auf Null, dazu führt, daß die Individuen entweder Halluzinationen zeigen oder versuchen, sich auf irgendeine Art selber zu erregen. Da die Ursachen der physiologischen und der situationalen Erregung nur begrenzt beeinflußt werden können, kann der optima­le Er­regungslevel in erster Linie durch die Verände­rung der kognitiven Komponente erreicht wer­den. Eine Möglichkeit um dies zu erreichen, ist das kognitiv gesteuerte SEV. Durch Einsatz des SEV variiert der Konsument das Maß an kognitiven und situationalen Konflikten, denen er ausgesetzt ist. Raju[6] konnte in einer auf den Konsumbe­reich bezogenen Studie feststellen, daß sich SEV sehr oft in Form von Marken­wechsel darstellt. In bezug auf die Häufigkeit liegen davor nur noch „risk ta­king“ und Innovativität. Diese beiden Mittel sind, bei genauer Betrachtung, jedoch Bestandteile des Markenwechsels.

Durch SEV wird entweder ein Stimulus ausgewählt oder näher untersucht. Ein Indivi­duum kann jederzeit entscheiden, ob es sich weiter dem aktuellen Stimulus aussetzt und ihn erforscht oder sich einem anderen Stimulus zuwendet. Das SEV scheint dabei oft Motiven zu folgen, die den allgemeinen Erwartungen zuwiderlaufen. So kann es sein, daß ein bewährtes Produkt, das anscheinend genau die Zielvorstellungen des Konsumenten erfüllt, plötzlich nicht mehr gekauft wird. Die Beschäftigung mit den Hintergründen des SEV kann deshalb einen Beitrag zum besseren Verständnis des Entscheidungs­verhal­tens bei Konsumentscheidungen leisten. Verschiedene Autoren betonen schon seit längerem die Not­wendigkeit, dieses Verhal­ten näher zu untersuchen.[7] Die Verbindung zum Thema dieser Arbeit ergibt sich zunächst daraus, daß Markentreue eine mögliche Form des SEV ist. Im Laufe der Darlegung der ver­schiedenen Konzepte werden noch weitere wichtige Implikationen der aktivations­theoretischen Be­trach­tungsweise deutlich werden.

Im folgenden werden vier Theorien des SEV, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt und in der Literatur allgemein Anerkennung gefunden haben, kurz dargestellt.[8] Der Schwerpunkt wird nicht auf der Beschreibung der Konzepte liegen, sondern vielmehr auf dem Vergleich der Modelle in bezug auf unterschiedliche Ansatzpunkte, die für die Marken­treue wichtig sind. Ausgehend von diesem Vergleich wird dann später ein Konzept erarbeitet, das verschiedene Elemente dieser Theorien mit der im vorigen Kapitel dargestellten Risikotheorie verbindet.

Den im folgenden dargestellten vier aktivationstheoretischen Modellen ist gemeinsam, daß sie ei­nen optimalen Erregungslevel unterstellen, der von Person zu Person unterschiedlich ist. Alle vier Konzepte gehen von einer ∩-Kurve aus, bei der auf der Abszisse die Erregung oder eine Erre­gungsgrundlage und auf der Ordinate der Affekt abgetragen wird. Es gibt in der Literatur andere Konzepte, die einen M-förmigen Zusammenhang vermuten. In einem Punkt sind sich je­doch alle Konzepte einig: Es handelt sich um eine nichtmonotone Kurve, die einen optimalen Punkt irgendwo im mittleren Bereich hat.[9]

Alle Theorien stellen eine Verbindung zwischen dem Grad der Aktivierung und dem damit verbundenen Affekt her. Damit ist der Rückgriff auf attributionstheoretische Ansätze wie dem von Schachter[10] nicht notwendig. Auf der anderen Seite implizieren diese Konzepte, daß es ein primäres Motiv gibt, das auf dieses optimale Niveau ausgerichtet ist und zu einem entsprechen­den Verhalten führt.

Uneinigkeit herrscht zwischen den vier theoretischen Konzepten über die genaue Form des Zusammen­hangs und die Beschriftung der Abszisse. Aus diesen Punkten ergeben sich unter­schiedliche Interpreta­tionen für die Anwendbarkeit der Konzepte.

Der Vergleich der Konzepte geschieht zunächst weitgehend unkommentiert. Eine Bewertung erfolgt im darauf folgenden Kapitel und bei der Übernahme der verschiedenen Ansätze in das Konzept.


[1] (exploratory behavior) Such- und Entdeckungsverhalten soll im weiteren mit SEV

abgekürzt werden.

[2] vgl: Hansen, F., (1972)

[3] vgl.: Hebb, D. O., (1955)

[4] vgl.: Leuba, C., (1955)

[5] vgl.: Bexton, W.; Heron, W.; Scott, T., (1954)

[6] vgl.: Raju, P. S., (1980), S. 279

[7] vgl.: Howard, J. A.; Sheth, J. N., (1969) und Hansen, F., (1972)

[8] ausführlicher vgl.: Raju, P. S.; Venkatesan, M., (1980) oder Streufert, S.; Streufert, S. C., (1978)

[9] vgl.: Rogers, R. D., (1979)

[10] vgl.: Schachter S.; Singer, J. E, (1962)

Fiske und Maddi: Variety Seeking Framework

Die Theorie von Fiske und Maddi[1] wurde relativ bald nach Erscheinen der Theorie von Berlyne entwickelt und weist viele Ähnlichkeiten mit dieser auf.

Fiske und Maddi benutzen den Begriff der Aktivierung und gehen von einem optimalen Level der Aktivierung aus. Aktivierung kommt durch Veränderung, Stärke und Mehrdeutigkeit des Stimulus zustan­de. Wenn die Aktivierung zu gering ist, setzt ein Suchverhalten ein, das darauf gerichtet ist, Stimuli zu finden, die näher am optimalen Aktivierungslevel liegen. Wenn dagegen die Aktivierung zu groß ist, zieht der Organismus sich von dem Stimulus zurück.

Während Berlyne davon ausgeht, daß ein Minimum an Erregung am angenehmsten ist, gehen Fiske und Maddi davon aus, daß ein bestimmtes Maß an Erregung, welches ungleich Null ist, am ange­nehmsten ist.

Fiske und Maddi machen in bezug auf die mit verschiedenen Stärken der Stimulation verbunde­nen Affekte nur die Aussage, daß starke Abweichungen vom optimalen Niveau mit negativen Affekten verbun­den sind.


[1] vgl.: Fiske, D. W.; Maddi, S. R., (1961)

Vergleich der Konzepte

Der wichtigste Punkt, in dem sich die Konzepte unterscheiden, ist die affektive Bewertung der Ausprägun­gen der unabhängigen Variable und die daraus abzuleitenden Verhaltensweisen. Ein weiterer Unterschied zwischen den Konzepten ist die Größe der Erregung, die von verschiede­nen Stimuli theoretisch ausgelöst wird, sofern sie überhaupt darauf eingehen. Während der erste Punkt zu einer vertikal unterschiedlichen Lage der Kurven in den verschiedenen Konzepten führt, bedingt der zweite Punkt eine horizontale Ver­schiebung bei gleichen Sachverhalten (siehe Abb. 3). So geht Berlyne davon aus, daß im opti­malen Punkt die Erregung gleich Null ist, während die anderen Konzepte von einer Erregung in die­sem Punkt ausgehen. Dabei sei, alleine aus Grün­den der besseren Vergleichbarkeit unterstellt, daß es auch bei Hunt auf der einen Seite und Driver und Streufert auf der anderen Seite, eine Erregung gibt, die proportional zu der Nicht-Über­einstim­mung ist.

Abb. 3 (Vergleich der Konzepte)
Abb. 3 (Vergleich der Konzepte)
Die Theorie von Berlyne versagt im Gegen­satz zu der von Driver und Streufert, wenn es darum geht, die Freude an Neuem zu erklären. Im Konzept von Driver und Streufert führt ein Wechsel von einem langwei­ligen Stimulus zu einem, der mehr Nicht-Übereinstimmung bietet, zu einem Übergang vom negativen zu einem positi­ven Affekt.

Bei Berlyne gibt es nur eine Art von Verhal­tensweisen, die aus einer Abwei­chung von dem optimalen Niveau resultiert, das SEV. Berlyne schließt in seinem Kon­zept die spontane Abkehr von einem Stimu­lus nicht mit ein. Die anderen dargestellten Konzepte haben dagegen angemessene Erklärungen für dieses Verhalten. Fiske und Maddi[1] kritisieren ausdrücklich Ber­lynes[2] Behauptung bezüglich der „specific exploration“. Sie stellen in Frage, daß sich jemand in eine Situation begibt, die für ihn Konflikt bedeutet, vor allem, wenn er diesen durch eine Abkehr vom Stimulus beseitigen könnte. Dieser Standpunkt ist kompatibel mit den Aussagen der Disson­anztheorie. Berlyne[3] antwortet auf diesen Angriff, daß der Mensch es meist nicht ertragen könne, ungelöste Konflikte oder etwas Verunsicherndes bestehen zu lassen. Der Mensch wird sich deshalb erst wieder wohl fühlen, wenn er sich dem Konflikt gestellt und ihn gelöst hat. Auch diesen Standpunkt kann man bis zu einem gewis­sen Grad auf die Konsistenztheorien zu­rückführen. Es wird jedoch vermutlich eine Grenze geben, wo es nicht mehr nur das Bedürfnis nach Dissonanzreduktion ist, das den Men­schen dazu veranlaßt, sich mit der konfliktären Situation auseinanderzusetzen. Es muß auch nach einem Trieb gesucht werden, der die Auseinandersetzung mit solchen Kon­flikten sucht.

Der Ansatz von Fiske und Maddi findet sich weitgehend im Konzept von Hunt[4] wieder. Dieser geht davon aus, daß der optimale Punkt die angenehme Suche nach Stimulation von dem unange­nehmen Rückzug vom Stimulus trennt. Der wichtig­ste Unterschied zwischen den beiden Kon­zep­ten besteht darin, daß Hunt im Gegen­satz zu Fiske und Maddi von einer kogniti­ven Steuerung des Prozesses ausgeht.

Streufert und Driver erklären als einzige die Wahrscheinlichkeit für die Entscheidung zwischen dem SEV und einem Rückzug von dem Stimulus, sowohl bei zu hoher, als auch bei zu geringer Erregung durch die mit dem Stimulus verbundenen Affekte. Wenn die Affekte positiv sind, ist die Wahrscheinlichkeit des SEV größer. Wenn die Affekte negativ sind, ist die Wahrscheinlich­keit des Rückzuges größer. Anders ausge­drückt, je größer der Abstand vom GIAL ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Abwendung vom Stimulus.

Keiner der o.a. Autoren geht explizit auf eine Operationalisierung seiner unabhängigen Variable ein, mag sie nun Aktivierung, Erregungspotential, oder Nicht-Übereinstimmung heißen.

In einem Punkt besteht weitgehend Einvernehmen zwischen den Konzepten: Der optimale Stimulations­level ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Er ist nicht angeboren, sondern wird von kulturel­len Faktoren, dem psychologischen Zustand und Lernerfahrungen beeinflußt. Selbstverständlich spielen auch andere angeborene Persönlichkeits­merkmale eine Rolle bei der Entwicklung des otimalen Levels, sie agieren jedoch nur als intervenierende Varia­blen. Die Lernerfahrung kann sich zum Beispiel in der Weise manifestieren, daß der Konsument weiß, daß in einer vorgegebenen Situation ein bestimmter sehr hoher Erregungslevel für ihn optimal ist und ihn deshalb in dieser Situation akzeptiert.[5] Vor allem bei den folgenden Persönlichkeits­merkmalen konnte in verschiedenen Studien eine Korrelation zu der Höhe des optimalen Stimulationslevel nachgewiesen werden:[6] Intoleranz gegenüber Mehrdeutig­keit, Komplexität und Flexibilität, Alter, Ausbildung, Motiva­tion etwas zu erreichen, sozialer Status, Selbstvertrauen, Risikotoleranz, Involvement, Innovativi­tät, Häufigkeit des Markenwechsels, Informationsbedürfnis.

Der einzige situationale Faktor, der in der Literatur eindeutig identifiziert werden konnte, einen Einfluß auf die Höhe des optimalen Erregungslevel zu haben, ist die Vertrautheit mit der Situa­tion.[7]

Hansen faßt die Erkenntnisse zum optimalen Stimulationslevel wie folgt zusammen:

„The optimal level reflects that level which the individual has learned will be appropriate under the given circumstances. Thus, it depends on accumulated previous experiences. When an individual has learned, that a relatively high amount of arousal is optimal for him under some specific circumstances, he is willing to accept considerable complexity and conflict. On the other hand, when the individual has a low optimal level of arousal, only little complexity and conflict is tolerable. Berlyne (1960) suggests that the optimal level of arousal depends on a diversity of factors: We can expect personality factors, cultural factors, learning and psycho­lo­gical states all to play their parts in determining the level at which arousal tonus is maintained. Consequently, the rate of arousal potential that is optimal can be presumed to vary widely from individual to individual and from occasion to occasion.“[8]

Keines der vier Konzepte kann nach dem derzeitigen Stand der Forschung ausgeschlossen werden. Es sprechen jedoch viele Punkte dafür, daß das von Streufert und Driver das logischste und für die Konsu­mentenforschung geeignetste ist.[9] Verschiedene Vor- und Nachteile werden in Anbetracht des später darzustellenden Konzep­tes noch deutlich werden.


[1] vgl.: Fiske, D. W.; Maddi, S. R., (1961)

[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[3] vgl.: Berlyne, D. E., (1963), S. 3

[4] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

[5] vgl. Berlyne, D. E., (1960), S. 211

[6] vgl.: McAlister, L.; Pessemier, E., (1982)

[7] vgl.: Hansen, F., (1972), S. 155

[8] Hansen, F., (1972), S. 81

[9] vgl.: Raju, P. S., (1981), S. 230