Das Verhalten in Kaufsituationen ist vermutlich nicht angeboren, sondern weitgehend gelerntes Verhalten. Dabei spielen sowohl kognitiv, als auch behavioristisch zu erklärende Vorgänge eine Rolle. Im weiteren sind die Kaufentscheidungen für verschiedene Marken die Operanten. Das heißt, die Entscheidung für eine Marke erfolgt zunächst rein zufällig, da der Konsument noch keine Präferenzen einzelnen Marken gegenüber hat.[1] Der Stimulus besteht dann in der Befriedigung von Bedürfnissen und damit verbunden der Erfüllung von Zielvorstellungen.
Im vorigen Abschnitt wurde dargestellt, in welchen Bereichen Motive bestehen, die von der Marke befriedigt werden könnten.
An dieser Stelle ist es notwendig, nochmals auf die funktionellen Eigenschaften der Marke einzugehen.
Die Zielvorstellungen, die mit dem Kauf eines Produktes verbunden sind, richten sich auf die funktionellen Eigenschaften des Produkts. Diese funktionelle Leistungsfähigkeit des Produkts muß sich nicht nur auf materielle Eigenschaften beschränken, sondern umfaßt auch erwartete Prestigewerte der Marke und andere immaterielle Eigenschaften. Ein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Erfüllung der funktionellen Anforderungen und den Risiken, die dem Konsumenten drohen, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden. Dieser Zusammenhang ist ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Die Ursache ist die nicht erfüllte funktionelle Anforderung. Die Wirkung besteht in den sich aus diesem Mangel ergebenden Schäden.
Wenn von den funktionellen Eigenschaften und der aus ihnen direkt abgeleiteten Verstärkung abstrahiert wird, hat die Marke jeweils zwei Potentiale, vor der Kaufentscheidung entweder verstärkend oder aversiv zu wirken.
Auf der einen Seite steht die bestrafende Eigenschaft des Risikopotentials, auf der anderen Seite die belohnende Eigenschaft des Abwechslungspotentials. Der hier verwendete Potentialbegriff ist aus der Terminologie von Berlyne[2] entnommen und wird schon an dieser Stelle verwendet, um später den Zusammenhang mit den Theorien des Such- und Entdeckungsverhaltens besser verdeutlichen zu können. Berlyne unterscheidet in seinem Buch nicht nach verschiedenen Potentialen, sondern spricht nur von einem Aktivierungspotential, daß auf sogenannte „collative variables“ zurückzuführen ist. Unter diesem Begriff faßt er allerdings sowohl Fähigkeiten der Marke, das Abwechslungsbedürfnis zu befriedigen, als auch Gefahren, die durch die Marke drohen, zusammen. Das Aktivierungsotential eines Stimulus besteht deshalb in der vom Konsumenten wahrgenommenen Fähigkeit, zum einen die Neugier zu befriedigen und zum anderen Risiken zu begründen. Für das weitere Vorgehen soll das Aktivierungspotential von Berlyne in die zwei Bereiche Abwechslungspotential und Risikopotential unterteilt werden.
Damit ergeben sich die folgenden Verstärkereigenschaften der Marke:
Die aversiven Reize, die die Kaufentscheidung beeinflussen, sind:
Erwartungen, daß die Entscheidung für die ausgewählte Marke das zu tolerierende Risikopotential erhöht.
Erwartungen, daß die Marke nicht das bisher gewohnte Abwechslungspotential bietet.
Die verstärkenden Reize, die die Kaufentscheidung beeinflussen, sind:
Erwartungen, daß die Entscheidung für die Marke das Risikopotential vermindert oder ein drohendes Risikopotential nicht realisiert.
Erwartungen, daß die Marke ein angenehmes Abwechslungspotential bietet.
Die oben aufgeführten Reize sind solche, die im Rahmen einer kognitiven Lerntheorie das Entscheidungsverhalten erklären können. Die angesprochenen Erwartungen gründen vermutlich auf Lernprozessen, die auf Reiz-Reaktionsmechanismen zurückzuführen und schon vor der betrachteten Entscheidungssituation abgelaufen sind. In dem Moment, in dem die Marke gekauft und konsumiert wird, findet eine entsprechend den Eigenschaften der Marke gestaltete Verstärkung oder Bestrafung des Konsumenten für diese Entscheidung statt. Diese Erfahrung bedingt die Erwartungen, die der Konsument in einen erneuten Kauf der gleichen Marke setzt. Dies bedeutet, daß die Stimuluseigenschaften der konsumierten Marke einem stetigen Wandel unterworfen sind.
Meist liegen in einer Entscheidungssituation mehrere Alternativen vor, die in der Vergangenheit mehr oder weniger verstärkt wurden und deren Kauf mit entsprechenden Erwartungen verbunden ist. Der Konsument nimmt also schon kognitiv vorweg, welches Maß an Verstärkung er durch den Kauf dieser oder jener Marke erhalten wird. Die Auswahlwahrscheinlichkeit der verschiedenen Alternativen ergibt sich dann aus dem Gesetz des relativen Effekts.[3] Auf diesen Zusammenhang wird später in diesem Abschnitt noch genauer eingegangen. (siehe Kapitel: Gesetz des relativen Effekts)
[1] Präferenzen sind gleichbedeutend mit der Zuordnung von relativen Verstärkereigenschaften zu bestimmten Marken im Vergleich zu anderen Marken.
[2] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)
[3] vgl.: Herkner, W., (1993), S. 30