Hunt: Incongruity Concept

Im Gegensatz zu den anderen Konzepten, die das SEV auf Triebe zurückführen, ist das Kon­zept von Hunt[1] eher kognitiver Natur und geht davon aus, daß der Organismus einen optimalen Level der Nicht-Über­einstimmung (incongruity) zwischen seinen Erwartungen und der Wahrneh­mung seiner Umwelt hat. Der Antrieb, den optimalen Level zu erreichen, ist nicht physiologisch bedingt, sondern eine intrinsische kognitive Motivation. Die Abweichung im Konzept von Hunt ist umfassender zu verstehen als der ähnli­che Begriff bei Berlyne. Während Berlyne mit „Abweichung“ nur einen möglichen Erregungsgrund meint, ist „Abweichung“ bei Hunt ein übergeordneter Begriff für alle Erregungsgrundlagen. Ob das Konzept von Hunt ganz ohne einen intrinsischen Antrieb auskommt, soll hier nicht diskutiert werden.

Hunt unterscheidet zwischen zwei Situationen. Wenn die Abweichung zwischen Erwartung und Wahr­nehmung eher klein ist und deshalb unter dem optimalen Punkt liegt, wird es als ange­nehm empfunden, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Wenn die Abweichung zwischen der Erwartung und der Wahrneh­mung eher groß ist und deshalb oberhalb des optimalen Punktes liegt, wird es als unangenehm empfun­den, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. In dem zweiten Fall kann es sogar zu einem kompletten Rückzug von dem Stimulus führen.


[1] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

Driver und Streufert: GIAL Hypothesis

Abb. 2 (Driver & Streufert)
Abb. 2 (Driver & Streufert)
GIAL[1] bedeutet „General Incongruity Adaptation Level“. Das Konzept geht davon aus, daß der Mensch sich im Laufe seines Lebens an ein ganz individuelles Maß der Überein­stimmung zwischen Erwartung und Wahrnehmung gewöhnt. Auch Driver und Streufert benutzen als unabhängige Variable die Nicht-Über­einstimmung (incongruity). Im Laufe seines Lebens macht der Mensch in seiner Umgebung Erfah­rungen mit einem bestimmten Maß an Nicht-Überein­stimmung. Es entwickelt sich dadurch ein Maß an Abwei­chung, das er für angemessen hält und im Rahmen eines Generalisierungpro­zesses auf andere Situatio­nen überträgt. Dieses erwartete Maß an Nicht-Übereinstimmung wird der „General Incongruity Adaptation Level“ (GIAL) genannt. Wenn dieses Maß in bestimm­ten Situationen über- oder unterschritten wird, reagiert der Mensch in ganz unterschiedlicher Art und Weise, um wieder zu dem GIAL zurückzukehren. Driver und Streufert unter­scheiden zwei Maße der Abweichung vom GIAL (siehe Abb. 2 [2]). Wenn die Abwei­chung sowohl nach oben, als auch nach unten nur gering ist, wird ein Suchverhalten gezeigt. Dies manifestiert sich bei zu geringer Erregung (Region 2) entweder durch die Suche nach neuen Stimuli oder dadurch, daß an dem existierenden Stimulus neue ungewöhnliche Aspekte gesucht werden und bei zu hoher Erregung (Region 3) durch die Erforschung des Stimulus nach Aspekten, die doch mit den Erwartungen verein­bar sind. Wenn die Abweichungen zwischen Erwartungen und Wahrneh­mung jedoch zu groß werden, ist dieses Suchverhal­ten eher nicht zu beobachten. Statt dessen ist sowohl bei extrem hoher (Region 4), als auch bei extrem niedriger Erregung (Region 1) eine Abkehr von der Wahrneh­mungssituation wahrscheinlicher. Erregung spielt in der Theorie von Driver und Streufert kaum eine Rolle. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sie sich eher dem Konzept der intrinsischen kognitiven Motivation von Hunt[3] anschließen. Entsprechend gilt auch hier der Hinweis, daß es fraglich ist, daß dieses Modell ohne Bezug auf Erregung aus­kommt.

Streufert und Driver fordern einen Zusammenhang zwischen Stimulation und Affekt, den sie „Model 3“ nennen.[4] Nach diesem Modell sind mäßig starke Abweichungen vom GIAL durch positive Affekte geprägt (Region 2 und Region 3), während bei starken Abweichungen vom GIAL negative Gefühle auftreten (Region 1 und Region 4).


[1] vgl.: Driver, M. J., Streufert, S., (1965)

[2] vgl.: Driver, M. J., Streufert, S., (1965)

[3] vgl.: Hunt, J. McV., (1963)

[4] vgl.: Streufert, S.; Driver, M. J., (1971)