Auswahl und Darstellung der Stichprobe

Die Versuchspersonen rekrutierten sich in erster Linie aus den Besuchern folgender drei Vorlesungen:

Methodik der empirischen Sozialforschung (26.05.1995)

Organisation Übung A (31.05.1995)

Beschaffungspolitik (01.06.1995)

Von 303 in diesen Veranstaltungen verteilten Fragebögen, wurden insgesamt 144 zurückgege­ben. Dies entspricht einer Rücklaufquote von ca. 48 %. Die Quote war am besten in der Organisationsveranstaltung und am schlechtesten in der Methodik­veranstaltung.

Darüber hinaus wurden noch Fragebögen (62) an Freunde und Bekannte verteilt, wobei auf eine Rücklaufquote von 100 % geachtet wurde. Drei Fragebögen wurden von anderen Studenten beantwortet. Insgesamt gingen 209 Fragebögen in die Auswer­tung ein.

Durch Zufall kam eine Gleichverteilung zwischen den Geschlechtern zustande.

Vor allem durch die Befragung der Bekannten, kamen einige Ausreißer bezüglich des Alters zustande. Durch ihre teilweise lange Gewöhnungszeit an die Marke, können diese Ergebnisse aber unter Umständen dazu dienen, die angestrebte Kurve zu verwirklichen. Ansonsten wird der Alterseffekt in bezug auf die Markentreue nicht weiter ausgewertet. Wie zu erwarten ist, liegt das Alter der meisten Befragten in einem Bereich zwischen 20 und 30 Jahren (ca.: 90 %). Die restlichen 10 % verteilen sich vor allem über die höheren Altersstufen.

85 % geben ein Budget für Freizeitgestaltung und Luxus von unter DM 500,– an.

80 % der Befragten sind nicht verheiratet.

Da die Demographika im weiteren nicht ausgewertet werden, wird darauf nicht tiefer eingegan­gen. Die wichtigsten Angaben sind im Anhang übersichtsartig zusammengefaßt.

Voruntersuchung

Nach einigen Revisionen wurde der Fragebogen insgesamt zwölf verschiedenen Personen beiderlei Geschlechts und ver­schiedener Altersstufen (20-50 Jahre) vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine endgültige Entscheidung über die Produktauswahl getroffen.

Die Raucher in dieser Gruppe wurden gebeten, den Fragebogen zu der Produktkategorie der Zigaretten zu beantworten, die übrigen wählten ihre Marke aus dem Bereich After Shave oder Parfüm.

Insgesamt bereitete der Fragebogen keine Verständnisprobleme, obwohl die Versuchspersonen bezüglich ihres Ausbildungsstandes sehr weit streuten.

Von fast allen Befragten kamen Bemerkungen bezüglich des Bereiches, in dem die Risikotole­ranz und das Reizbedürfnis abgefragt wurden. Dieser Bereich des Fragebogens, der einen relativ großen Anteil ausmacht, ist durch eine große Anzahl von sehr ähnlichen Items gekenn­zeichnet. Da dieser Bereich jedoch komplett von Brengelmann übernommen wurde, der die Items schon mehrfach verwendet und als valide erkannt hat, wurde die Entscheidung getroffen, hier keine Modifikatio­nen vorzunehmen.

Es war auffällig, daß bis auf eine Ausnahme alle Versuchspersonen beim ersten Item, in dem folgende Frage gestellt wurde: „Für wie wahrscheinlich hältst Du es, Dich beim nächsten Einkauf wieder für Deine aktuelle und gegen alle anderen Marken zu entscheiden?“(WKW1), die gleiche Antwort ankreuzten. Als Antwort­möglichkeit war, wie bei den meisten anderen Items, eine Skala von eins bis sieben vorgegeben, die in diesem Fall mit den Aussagen „sehr wahrscheinlich“ bis „sehr unwahrscheinlich“ verbunden war. Fast alle Versuchspersonen kreuzten das Feld für „sehr wahrscheinlich“ an. Da davon ausgegangen werden kann, daß nicht bei allen untersuchten Perso­nen die Wiederkaufwahr­scheinlichkeit gleich hoch war und das Ergebnis eher auf ein mangelndes Differenzierungsvermögen der Befragten, oder im Umkehr­schluß auf mangelnde Differen­zie­rungs­fähigkeit des Items zurückzuführen ist, wur­den die Antwort­möglichkeiten geändert. In der neuen Version werden dem Befragten an dieser Stelle eine Reihe von ausführli­cher formulierten Aussagen über die Wiederkaufwahrscheinlichkeit vorgelegt, die ihn eher dazu veranlas­sen sollten über die Wiederkaufwahrscheinlichkeit zu reflektieren.

Das Item: „Ich weiß zwar noch nicht alles über meine aktuelle Marke, aber genau das reizt mich an ihr.“, sorgte bei einigen Befragten für Verwirrung und wurde deshalb in zwei getrennte Items zerlegt um Mißverständnissen aus dem Wege zu gehen. (ABWAFF_4 und ABWAFF_5)

Die erheblichsten Veränderungen wurden im Bereich der Konsequenzen und des Risikoaffektes vorge­nommen. Schon bei der Auswertung der Voruntersuchung wurde deutlich, daß fast durch­gängig das Risikopotential der aktuellen Marke wesentlich höher eingestuft wurde als das Risikopotential aller anderen auf dem Markt befindlichen Marken. Dies war selbst dann zu beobachten, wenn schon eine langjährige Markenerfahrung bestand. Die Erklärung für dieses Phänomen ist vermutlich in dem größeren Involve­ment mit der aktuellen Marke, im Kontrast zu dem Invol­vement mit allen anderen Marken zu suchen. Teilweise wurde versucht, durch Umformulierungen der Items diesem Effekt auszuweichen, bei anderen Items wurde darauf verzichtet. Bei den letzteren ist es notwendig, im Rahmen der Auswertung diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen. Eine Möglichkeit, die dadurch entstehende Verzerrung auszuschalten, besteht in der Nivelierung des Risikoaffektes durch die ursprünglich wahrgenommenen Konse­quenzen. Ohnehin findet letztendlich ja eine Gewichtung des Risikoaffektes statt, der dazu beiträgt solche Fehler auszu­schalten. In der Voruntersuchung wurde schon deutlich, daß das darauf gerichtete Item (RIAFFGEW) sehr gut in der Lage ist zu differenzieren.

Aufgrund verschiedener Bemerkungen und der einseitigen Antworttendenz, wurde auch der Bereich, der sich mit der Erhebung des Gesamtaffektes beschäftigt nochmals leicht modifiziert.

Hauptuntersuchung

Die Fragebögen wurden jeweils am Anfang der entsprechenden Veranstaltung ausgeteilt. Die Studenten wurden gebeten, die Fragebögen zu Hause in Ruhe auszufüllen und entweder in den nächsten Tagen im Sekretariat der Lehrstuhls abzugeben oder zur nächsten Veranstaltung wieder mitzubringen. In der Organisationsveranstaltung und in der Methodikveranstaltung wurde die Verteilung der Fragebögen kurz von dem entsprechenden Referenten angekündigt. Es fand jeweils eine kurze Einleitung durch den Autor statt. Dies geschah in der Veranstaltung von Prof. Dr. Koppelmann unter erheblichem Zeitdruck.

Aufgrund der in den ersten Tagen nach der Verteilung in der Methodikveranstaltung zurückge­gebenen Fragebögen der Männer zeichnete sich ab, daß die Marke „NIVEA BALSAM“ überproportional vertreten zu sein schien. Da diese Marke nicht zu einer intensiven Geruchs­entwicklung führt, konnte hier auch nur in sehr geringem Umfang das Auftreten eines sozialen Risikos erwartet werden. Um dieser Entwicklung entgegen­zuwirken, wurden die männlichen Teilnehmer der Befragung in den beiden anderen Gruppen aufgefordert, diesen Fragebogen für ein anderes After Shave auzufüllen, sofern sie dieses parallel zu Nivea aus Gründen der Parfü­mierung benutzen.

Bei der Organisationsveranstaltung und der Veranstaltung von Prof. Dr. Koppelmann erinnerte der Autor die Anwesenden in den folgenden Wochen, jeweils zu Beginn der Veranstaltung bzw. vor der Veranstaltung, durch das Auflegen einer Folie auf den Overhead-Projektor an die Befragung. In der Methodikveranstaltung übernahm der Referent die Aufgabe, die Anwesenden an die Untersuchung zu erinnern.

Die Befragung und Anweisung der Bekannten und Freunde erfolgte teilweise durch den Autor selbst und teilweise durch einen Beauftragten. Auf die Rückgabe der Fragebögen wurde geach­tet.

Bedeutung für die Markenpolitik

Abwechslungspotential und Risikopotential haben sich als zwei wichtige Determinanten der Markentreue erwiesen. Damit hat die Markenpolitik zwei Angriffspunkte, an denen sie ansetzen kann um das Verhalten der Konsumenten gezielt zu beeinflussen. Das Ziel der Markenpolitik ist es den Konsumenten an die Marke zu binden. Die Rezepte, wie dies erreicht werden kann, können relativ einfach aus dieser Untersuchung abgeleitet werden. Wie diese Rezepte dann psychologisch effektiv in die Realität umgesetzt werden können, ist eine andere Frage.

Das erste Rezept lautet: „Sorge dafür, daß Deine Marke nie langweilig wird.“ Dabei sollte die Markenpolitik sich zunächst nicht an der ∩-Kurve orientieren, da diese Kurve, wie sie zum Beispiel bei Berlyne[1] abgeleitet ist, das gesamte Erregungspotential, inklusive dem Risikopo­tential enthält. Anders verhält es sich mit den Aussagen von Kroeber-Riel[2] über den Zusam­menhang von Affekt und Neuartigkeit. Er macht klare Aussagen über den Zusammenhang zwischen Abwechslungsaffekt und Reizintensität und darüber, daß es einen Scheitelpunkt gibt. Er sagt aber im weiteren, daß dieser Scheitelpunkt in der Konsumentenforschung normaler­weise nicht erreicht wird. Die Markenpolitik kann also zunächst ohne Rücksicht auf negative Affekte das Abwechslungspotential der Marke erhöhen. Selbstverständlich können Probleme in anderen Bereichen, wie zum Beispiel Wiederer­kennungsvermögen oder Mißfallen der Neue­rung an sich auftreten, diese sind jedoch nicht Inhalt dieser Untersuchung, da es sich dabei um extrinsische Motivationen handelt.

Zweites Rezept ist, das Risikopotential der eigenen Marke möglichst niedrig zu halten und das Risikopotential der anderen Marken oder eines Wechsels möglichst groß darzustellen. Gerade im Bereich der Risikoreduktion beim eigenen Produkt, gibt es im Marketing eine ganze Reihe von Standardinstrumenten wie Gratisproben, Umtausch- oder Rückgabegarantie, Mei­nungsführerwerbung usw.

Bei beiden Rezepten ist zu beachten, daß die Markenpolitik nur die Möglichkeit hat, das aktuelle Bild der Marke zu beeinflussen. Sie hat weder die Möglichkeit nachträglich das ur­sprüngliche Abwechslungspotential, noch das ursprüngliche Risikopotential zu verändern. Außerdem kann sie kaum Einfluß auf das Reizbedürfnis und die Risikotoleranz des einzelnen nehmen.

Bisher wurde mehr oder weniger explizit immer nur von Produkten gesprochen. Sicher ist es möglich die hier gefundenen Erkenntnisse auch auf Dienstleistungen zu übertragen. Ob aller­dings Markentreue eine übliche Risikoreduktionsstrategie im Bereich der Dienstleistungen ist, bleibt zu klären. Guseman kam zumindest zu folgendem Schluß: „…it was found that services, as a whole, were percei­ved as beeing more risky than products…. that consumers use diffe­rent risk reduction strategies for services than they do for products.“[3] Aufgrund des größeren wahrgenommenen Risikos und der hohen Wahrscheinlichkeit der Markentreue als Risikoreduk­tionsstrategie im Produktbereich ist es nicht unwahrscheinlich, daß Markentreue auch eine angemessene Strategie im Dienstleistungsbereich ist.

Generell können die gefundenen Ergebnisse nicht ungetestet auf andere Länder übertragen werden. Wie schon Verhage[4] in seiner Untersuchung feststellte, gibt es erhebliche nationale Unterschiede bezüglich der Risikowahrnehmung und dem Zusammenhang zwischen wahrge­nommenem Risiko und Markentreue. Es wäre unter Umständen möglich, daß diese Unterschie­de auf einen Unter­schied, bezüg­lich der in dem dargestellten Konzept verwandten intervenie­renden Variablen insbesondere der Risikotoleranz und dem Reizbedürfnis zurückzuführen ist. Diese Hypothese scheint durchaus plausibel, da die Risikotoleranz und das Reizbedürfnis sicher in einem engen Zusammenhang mit dem Temperament stehen. Tempera­ment variiert stark zwischen verschiedenen Nationalitäten. Dazu muß jedoch zunächst generell, in weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen, der Einfluß der beiden Persönlichkeitsdeterminanten geklärt werden.


[1] vgl.: Berlyne, D. E., (1960)

[2] vgl.: Kroeber-Riel, W., (1992), S. 77

[3] Guseman S. D., (1981), abstract

[4] vgl.: Verhage, Bronislaw J., (1990)